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Kritikenrundschau: Captain Flip – Drehmomente auf See

Eine gute Crew fürs Piratenschiff ist nicht einfach zu bekommen – gerade, wenn sie immer wieder durchwechselt und eher zufällig auftaucht wie in „Captain Flip“ (Paolo Mori und Remo Conzadori bei PlayPunk). Unsere Jurymitglieder haben sich in ihren jeweiligen Medien trotzdem mal die Kapitänshüte aufgesetzt und sind auf Schatzsuche in den Weiten des Plättchen-Meeres gegangen.

„Abwechselnd ziehen wir jeweils ein Plättchen aus dem Beutel. Nun haben wir die Wahl: entweder wir legen das Plättchen mit der zu sehenden Person auf unser Tableau – oder wir flippen es drehen es um. Dann erscheint eine andere Person, die wir nun ohne Wenn und Aber auf unser Tableau legen müssen. Dabei füllen wir die einzelnen Spalten unseres Tableaus nach von unten nach oben in beliebiger Reihenfolge“, erklärt Tobias Franke das Spiel. „Je nachdem, welche Person auf unserem Plättchen zu sehen ist, erhalten wir entweder direkt Dukaten oder sorgen dafür, dass wir hoffentlich am Spielende damit zugeschüttet werden. Haben wir durch ein abgelegtes Plättchen eine Spalte gefüllt, erhalten wir meistens noch einen weiteren Bonus.“

Für Franke biete das Spiel zu wenig direkte Interaktion: „Wenn ich schon meine Kanonierin lege, dann möchte ich damit am liebsten auch ein anderes Schiff angreifen und nicht einfach etwas mehr Dukaten erhalten“, schreibt er. „Da schlummert noch ungenutztes Potential.“ Auch ist für ihn das Spielgefühl „etwas repetitiv“: „Plättchen ziehen und legen, Plättchen ziehen und legen, Plättchen ziehen und legen, usw. Wenn alle Beteiligten diese an für sich monotone Tätigkeit stumm erdulden, dann ersäuft der Spielspaß.“ Der Spielspaß in „Captain Flip“ liegt für Franke vor allem in den Gesprächen, die durch das Spiel am Tisch entstehen. Gut gefalle ihm, dass das Spiel sehr zugänglich ist. „Das Spielprinzip ist einfach, die wenigen Regeln sind schnell erklärt und auch die einzelnen Aktionen sind in kürzester Zeit verinnerlicht“, schreibt er. „Die unterschiedlichen Tableaus sind dabei ein Segen, denn jedes gewichtet spielerische Nuancen ein wenig anders.“ Zwar sei man beim Spielen immer auch vom Zufall abhängig, „aber trotzdem haben wir immer das wohlige Gefühl, echte Entscheidungen treffen zu können“. Für Franke entwickle das Spiel „einen Sog, der auf eine Partie unbedingt eine zweite folgen lässt“. Lobende Worte hat Franke auch übrig für die redaktionelle Arbeit und die „unaufdringlich diverse Gestaltung“ der Charaktere.¹

Trotz der einfachen Regeln ist „Captain Flip“ für Martina Fuchs „kein Kinderspiel, es ist schon ein Familienspiel“. Es besitze ein bisschen „Set Collection“ und „minimalstes Push-your-Luck“. Auch eine Memo-Mechanik gebe es, wenn man sich merkt, was auf den Kartenrückseiten abgebildet ist. In ihren Runden sei das Spiel immer gut angekommen. „Es ist superschnell erklärt, es hat fast keine Downtime, es ist schnell gespielt. Und ich mag diesen Kniff mit dem Umdrehen.“ Schön sei die Überlegung: „Mache ich das jetzt? Gehe ich das Risiko ein?“, sagt Fuchs. Für sie biete „Captain Flip“ ein insgesamt befriedigendes Spielerlebnis ohne viel Interaktion. Es sei ein gutes Einsteiger-Spiel, für Leute, die ganz wenige Brettspiele spielen.²

Nico Wagner und Stephan Kessler sind gemeinsam auf Kaperfahrt gegangen und kommen mit unterschiedlichen Meinungen wieder an Land. Für Wagner ist „Captain Flip“ ein „absolutes Familienspiel“, sagt er. „Ich finde es super, dass es ein Spiel der kleinen Entscheidungen ist, es gibt gar keinen großen Regelaufwand.“ Eine große Stärke des Spiels sei, dass man es schnell lernen könne. „Meiner Erfahrung nach ist das auch ein gutes generationenübergreifendes Spiel“, berichtet er. „Ich darf es auch nicht übertreiben mit dem Zocken, das gefällt mir ganz gut.“ Außerdem lobt er die kurze Spieldauer und die Gestaltung. „Ich finde dieses Universum so cool, das sind total dysfunktionale Piraten“, die ihn an „Asterix“ oder „Monkey Island“ mit ihrem „Comic-Charme“ erinnern. Auch die Diversität der Charaktere fällt ihm positiv auf. „Für mich ist das ein super optisch aufbereitetes, tolles, spannendes 15-Minuten-Spiel, was ich momentan immer wieder spielen kann“, so sein Fazit.
Kessler dagegen war zwar von den Regeln zunächst „vollends begeistert“, vom eigentlichen Spiel aber „enttäuscht“. „Ich hätte gerne echte Entscheidungen gehabt“, sagt er, „aber ganz häufig ist es so: Ich ziehe irgendwas, das bringt mir gar nichts, und ich muss es umdrehen.“ Er vermisst die spektakuläreren und „erinnerungswürdigen“ Züge. „Es ist alles nur so kleines Kleckern“, findet er, und die Karteneffekte seien eher langweilig. „Ich hätte mir gewünscht, dass die Karten, die da drin sind, irgendwie cooler sind.“ Sein Fazit: „Ich bin bei ‚Captain Flip‘ enttäuscht rausgegangen. Deswegen ist es kein schlechtes Spiel. Ich hatte Spaß mit den Partien. Aber ich glaube, da wäre mehr drin gewesen.“³

Für Michaela Poignée ist „Captain Flip“ ein „ganz einfaches Spiel, aber mit schönen Effekten“, sagt sie. „Es ist natürlich ein Glücksspiel, weil man aus dem Beutel zieht.“ Ihr mache das Spiel viel Spaß. „Es ist ein schönes Familienspiel, es bietet viel Abwechslung durch die unterschiedlichen Spielbögen.“ Es sei „jedes Mal wieder anders, weil man nicht weiß, welches Plättchen man zieht“. Insgesamt ist „Captain Flip“ für Poignée „ein tolles Spiel“.

„Dass es kein Kinderspiel ist, liegt an den Sonderfunktionen der Plättchen“, analysiert Harald Schrapers. „Sie sind auf großformatigen Hilfskarten formuliert, in deren Lektüre sich die Mitspielenden in der ersten Runde vertiefen. Das ist spielerisch nicht besonders elegant, funktioniert aber gut.“ Er bemängelt, dass es den Spielfluss bremse, wenn man kurz vor dem Schluss nachzählt, wie viele Siegpunkte die Gegner bisher kassiert haben. „Besser wäre es, wenn die Siegpunkte nicht komplett offen lägen. Dann wären sie nicht genau zu berechnen, sondern nur ungefähr zu schätzen“, schreibt Schrapers. „Dennoch: Captain Flip ist ein gelungenes Brettspiel.“

¹ fjelfras.de: Kritisch gespielt: Captain Flip
² Fux&Bär: Captain Flip – Ist das gut oder kann das weg? Folge 046
³ Brettagogen Folge #228
Die Brettspieltester: Spielerischer Rückblick Nr. 14
gamesweplay.de: Captain Flip