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Kritikenrundschau: Botanicus – den Garten warten

Bienen, Blumen und Besucher: In so einem botanischen Garten kann es schon mal stressig werden, gerade für die Gärtner:innen. Zum Beispiel bei „Botanicus“ (Samuele Tabellini und Vieri Masseini bei Hans im Glück): Hier muss ein botanischer Garten bepflanzt und gepflegt werden. Unsere Jurymitglieder haben in ihren jeweiligen Medien die Gießkannen in die Hand genommen und sich an die Arbeit gemacht.

„Wir gestalten Gärten, um Besucher:innen anzulocken. Die haben zum Glück eine selektive Wahrnehmung und betrachten nicht den gesamten Garten, sondern nur jeweils eine einzelne Zeile. Sind dort Pflanzen in der gewünschten Menge und Größe vorhanden, bringt mir das Punkte“, erklärt Udo Bartsch das Spiel. „Pflanzen gibt es in Größen von eins bis vier. Sie gelangen in meinen Garten, indem ich sie einpflanze. Falls sie für meine Ziele noch nicht groß genug sind, muss ich sie später noch gießen. Dann wachsen sie. Genauer gesagt pflanze und gieße ich gar nicht selbst, sondern ich überlasse dies einer Gärtnerfigur, die in meinem Garten von einem Kreuzungspunkt zwischen vier Beeten zum nächsten rennt. Jeweils die vier Beete um diese Figur herum dürfen beackert werden. An unsere Aktionen kommen wir durch einen Mechanismus, der an ‚Kingdomino‘ erinnert. Wer in der Vorrunde die nominell schwächste Aktion hatte, wählt in der kommenden Runde zuerst.
Aktionen bringen entweder einen fest definierten Ertrag (bestimmte Pflanzen, drei Geld, vier Punkte etc.) oder sie bringen Schritte auf einer von drei Skalen (Geldsack, Schubkarre, Spaten). Auf diesen drei Skalen erreicht meine Lauffigur Felder, die dann ebenfalls einen fest definierten Ertrag bringen (beim Geldsack tendenziell Geld, bei der Schubkarre tendenziell Gieß-Aktionen, beim Spaten tendenziell Pflanzen)“, schreibt Bartsch. „Generell schreitet man gern auf diesen Skalen voran. Denn sobald ich eine Skala komplett durchlaufe, erhalte ich einen erheblichen Punktebonus (je schneller ich bin, desto erheblicher). Und ich beginne danach auf derselben Skala von vorn, könnte mir den Bonus also noch mal holen.“

Bartsch findet „Botanicus“ sehr kurz: „Im ganzen Spiel komme ich nur 17 Mal an die Reihe“, schreibt er. „Schnell wird deutlich: Das ist knapp bemessen angesichts der vielen Dinge, die ich in der Zeit erledigen möchte.“ Jeder Zug stelle ihn vor wichtige Entscheidungen, „Botanicus“ sei „toll verdichtet“, dennoch seien die einzelnen Züge nicht „überkompliziert“, schreibt er. „Vor allem bleibt die Lege-Aufgabe immer sehr konkret. Ich kann mir unter dem, was ich tue, etwas vorstellen. Ich erschaffe etwas, ich spiele konstruktiv.“ Ein Grundspiel und ein Profispiel sind standardmäßig in der Packung enthalten. „Das Grundspiel ist eine gute Wahl, wenn man erst mal mit weniger Regeln einsteigen möchte“, schreibt Bartsch. „Auf längere Sicht ist es aber klar schwächer als das Profispiel. Es wirkt nicht gut balanciert, so als sei es nur als Zwischenstadium gedacht, nicht als das endgültige Spiel.“ Er rät dazu, möglichst schnell zum Profispiel zu wechseln. „Die Garten-Tableaus im Profispiel sind unterschiedlich und erfordern daran angepasste Spielweisen. Die Tiere erhöhen den taktischen Anspruch. Und auch das Manövrieren der Gärtnerfiguren erfordert jetzt noch mehr Management.“ Zu kritisieren hat Bartsch, dass es beim Spielen oft Zweifelsfälle gibt, die in der Anleitung nicht behandelt werden, „oft hervorgerufen durch zweideutige Grafik. Die Anleitung lässt einen mit diesen Zweideutigkeiten allein“.¹

Michaela Poignée findet das Spiel an sich recht einfach. In ihren Runden habe es „in allen Konstellationen gut funktioniert“, sagt sie. „Ich mag das Spielprinzip, ich mag das Thema, ich mag auch die Illustrationen.“ „Botanicus“ sei abwechslungsreich. Mal liegen die Blumenplättchen anders, mal gebe es eine andere Spielerreihenfolge, mal möchte man auf einer anderen Leiste laufen, mal habe man unterschiedliche Aufträge, die man erfüllen möchte.“ Das Spiel ist aus ihrer Sicht „gefühlt zu kurz“, man könne oft nicht alles schaffen, was man sich vorgenommen habe. Toll findet sie die fortgeschrittene Variante mit unterschiedlichen Tableaus. Für Poignée hat das Spiel einen „hohen Wiederspielreiz“.²

Manuel Fritsch sieht es mit dem Spielniveau so: „Man kann darüber streiten, ob das Grundspiel vielleicht noch Familienspiel ist oder schon ein Kennerspiel, da bin ich mir noch nicht ganz sicher.“ Die Profivariante sei allerdings schon „deutlich im etwas anspruchsvolleren Bereich“, sagt er. „Grundsätzlich finde ich dieses Spiel sehr süß gemacht, das Naturthema ist wirklich auch bildlich auf dem Tableau zu sehen.“ Für ihn verbindet sich in „Botanicus“ „Mechanik, Knobel- und Puzzleaufgabe schön mit dem Thema“. Gerade die Profivariante hat es ihm angetan: „Die Asymmetrie der Gärten“ sei besonders interessant. Auch die Tiere seien dort gut in die Spielmechanik eingearbeitet. „Es hat mir sehr gut gefallen, eine höhere strategische Komponente reinzubringen, ohne das Spiel überkomplex werden zu lassen. Ich spiele es sehr gerne“, so Fritschs Fazit.³

Harald Schrapers entdeckt, dass es in den Gärten von „Botanicus“ nicht nur um Pflanzen geht. Man merke schnell, „dass das Spiel sehr vielfältig ist. Wir kümmern uns nicht nur um die Flora, sondern auch um die Fauna“, schreibt er. „Sobald man die Blume oder die Schubkarre auf das Faunasymbol gesetzt hat, nimmt man das Tier und stellt es auf ein Feld, auf dem eine Siegpunktzahl aufgedruckt ist. Das scheint eine langweilige Verlegenheitslösung zu sein, ist es aber nicht, weil Tiere bei der Siegpunktabrechnung sehr wichtig werden.“ Schön designt findet Schrapers das nicht. „Den Grund dafür erahnt man“, schreibt er, „wenn man das Spielbrett und die Gartentableaus für eine Variante des Spiels umdreht.“ Denn in der Profivariante hätten die fünf verschiedenen Tiere noch jeweils zusätzliche Effekte. „Grundsätzlich finde ich die Idee einer Basisversion, die einen leichten Einstieg ermöglicht, gut“, schreibt Schrapers. „Aber wenn man dann im Spiel taktisch eher in die Irre geführt wird und man merkt, dass noch etwas Wichtiges fehlt, dann ist das nicht so toll. Deshalb gefällt mir das so genannte Expertenspiel etwas besser – zumal man dafür überhaupt kein spielerisches Expertenwissen braucht.“ Insgesamt laufe das Spiel recht flott und habe einen schönen Spannungsbogen. Auch dafür, dass das Spiel plastikfrei in Deutschland hergestellt wurde, hat Schrapers lobende Worte.

Nico Wagner und Stephan Kessler sind sich, was „Botanicus“ angeht, nicht ganz einig. Wagner lobt zunächst die Anleitung sowie die redaktionelle Arbeit an dem Spiel. Er findet, dass es wichtig ist, vorauszuplanen – aber ohne dabei ein „Schachniveau“ zu erreichen.“ Für ihn sind einerseits die Leisten für die Extrapunkte reizvoll, „weil ich da ein immer wieder neu startendes Wettrennen habe“, andererseits aber auch der persönliche Bereich: Der „Dualismus zwischen Leisten und persönlichem Bereich und wie ich das miteinander koppele“ sei besonders interessant, sagt Wagner. Der Aktionswahlmechanismus sei zwar „abgehangen“, aber „immer noch gut“. Für Wagner ist das Spiel mit vier Personen am besten, „weil es da wirklich hart zugeht, das ist ein Hauen und Stechen. Es schmerzt ungemein, wenn sich jemand auf den Ort setzt, den du eigentlich besetzen wolltest.“ Für Wagner hat „Botanicus“ zwar Schwächen in der B-Note, ansonsten sei es aber ein „superschönes, rundes Spiel“.
Stephan Kessler findet in „Botanicus“ viel Bekanntes: „Das Spiel gefällt mir aber gut, weil es auf einem schönen Niveau kombiniert ist. Es funktioniert gut und ist eine schöne Denkaufgabe, die mich auf mehreren Ebenen fordert“, sagt er. Es sei ein konstruktives Spiel und dadurch auch „ein bisschen ein Familienspiel, wenn die Familie schon ein wenig Spielerfahrung hat“. Die Eingängigkeit hole ihn „spielerisch ab, weil ich mag, dass vor mir etwas entsteht.“ Der Garten sei auch optisch „wunderschön und hervorragend illustriert“. Kessler ist allerdings „kein besonders großer Freund davon, wie die Tiere ins Spiel integriert sind“. Diese brächten sehr viele Punkte. „Mir suggeriert das Spiel, dass es darum geht, einen Garten zu bauen. Die Realität ist aber eigentlich so: Wenn ich nur die Tiere nehme, gewinne ich das Spiel häufig“, sagt er. „Das finde ich schade, weil das Spiel mir den Gartenbau madig macht.“ In der fortgeschrittenen Variante gefällt das Kessler das noch weniger, denn „da wird den Tieren noch mehr Bedeutung beigemessen“. Am Ende aber wird Kessler mit „Botanicus“ versöhnlicher: „Bei mir ist es gerade ein Highlight.“

¹ Rezensionen für Millionen: Botanicus
² Die Brettspieltester: Botanicus
³ Spielboxcast Vol. 10
gamesweplay.de: Botanicus
Brettagogen Folge #228