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Kritikenrundschau: The Castles of Tuscany – Kurzurlaub im Castello

Aus dem Burgund in die Toskana: Nach den „Burgen von Burgund“ (2011 – oder 2019 neu aufgelegt als „The Castles of Burgundy“) erscheint vom Autor Stefan Feld „The Castles of Tuscany“ (bei alea). Sanfte Hügel, Olivenhaine und Weinberge dürfen da nicht fehlen – ganz wichtig aber: das eigene Castello. Auch wenn das in dem Spiel erstmal gebaut werden muss. Unsere Jurymitglieder besprechen in ihren jeweiligen Medien den (Kurz-)Urlaub in Italien.

„Vor jeder Spielerin und jedem Spieler befindet sich ein persönliches Tableau, das aus 30 sechseckigen farbigen Landschaften besteht“, erklärt Harald Schrapers das Spiel. „Im Kern geht es darum, Sechseckplättchen passend auf Landschaften zu legen – ein Dorf-Plättchen auf Rot, einen Steinbruch auf Grau und so weiter. Dafür gibt es jeweils einen Punkt – außer dann, wenn zwei oder drei gleichfarbige Landschaften aneinandergrenzen. Hier muss erst das gesamte Gebiet gefüllt werden, bevor es Punkte gibt – dann aber direkt drei oder sechs Punkte. Außerdem gewährt mir jedes Plättchen, je nach Farbe, einen besonderen Bonus.“

Leichter zugänglich

Das Spiel gefällt Schrapers – trotz Kritik an an der Spielanleitung, die einen „entscheidenden Kniff“ bei der Punktewertung nur schwer verständlich darstelle, und der Tatsache, dass unerfahrene Spieler und Spielerinnen „frühzeitig punktemäßig abgeschlagen“ sein könnten. „The Castles of Tuscany“ sei kein Strategiespiel, schreibt Schrapers. „Sondern die Kunst ist, auf die Zufälle taktisch klug zu reagieren und von der zurechtgelegten Road Map abzuweichen, wenn ein anderer Weg passender erscheint.“ Auch an Interaktion fehle es nicht. Insgesamt findet Schrapers das Spiel „überaus gelungen“ und einen Beweis dafür, dass Autor Stefan Feld auch leichter zugängliche Spiele gestalten kann. Er vergibt dafür 5 von 6 möglichen Punkten.¹

Das Kartenzieh-Plättchen

Udo Bartsch schließt sich dem Lob nur zögerlich an. „Ich habe eine ganze Weile mit ‚The Castles of Tuscany‘ gehadert“, schreibt er. „Tatsächlich ist es der allgegenwärtige Glücksfaktor, der mich schlussendlich versöhnt. Wer unpassend nachzieht, wird trotz Kartenzieh-Plättchen nicht gewinnen. Und ähnlich desaströs wirkt es sich aus, wenn im Markt nicht die Plättchen auftauchen wollen, die man benötigt. Manchmal kann es also frustrierend sein. Doch überwiegend fühlt sich ‚The Castles of Tuscany‘ konstruktiv an.“Am Ende lässt Bartsch also versöhnliche Töne anklingen: „Ein Spiel, das ich so häufig spiele, an dem ich mich derart reibe und so viel damit herumexperimentiere, ist offensichtlich wohl doch ‚reizvoll‘, auch wenn mir einiges missfällt. Neben dem fragwürdigen Kartenzieh-Plättchen betrifft dies auch die Optik. Vielen Spieler*innen bereitet die Zuordnung der grauen und beigen Karten zu den entsprechenden Plättchen Probleme.“ Das Spiel erhält bei Bartsch also die Wertung „reizvoll“ – mit 5 von 7 Sternen.²

Genau wie Udo Bartsch hadert Julia Zerlik in ihrer Videorezension mit dem Bonusplättchen, das von Anfang an das Ziehen einer weiteren Karte erlaubt – es sei zu stark und meist eine Gewinngarantie. Gerade auch aufgrund der großen Menge unterschiedlicher Karten und des Glücksfaktors, der dabei eine große Rolle spielt. Man müsse sehr oft Karten ziehen – „das fand ich ein bisschen nervig“, sagt Zerlik.
Ihr gefällt vor allem der „schnelle, flotte Charakter“ des Spiel. Es bestehe aus vielen kleinen Aktionen und sei eigentlich ein Rennen. Im Vergleich zum Vorgänger „Die Burgen von Burgund“ sei es aber „deutlich heruntergebrochen“, kein Kennerspiel, sondern eher ein „gehobenes Familienspiel“. Gerade auch der Mechanismus, mit dem das Rundenende ausgelöst wird hat es Zerlik angetan – dass die Punkte der ersten Runde dreifach in die Wertung eingehen, mache es spannend.³

Drei Herausforderungen

Karsten Grosser sieht in seiner Kritik drei taktische Herausforderungen in „The Castles of Tuscany“. Das sei erstens das Handkartenmanagement, zweitens der Wertungsmechanismus und drittens der Einsatz der Bonuskärtchen. „Bei aller Leichtigkeit bietet ‚The Castles of Tuscany‘ damit immer noch genügend Stellschrauben. Zumal die Zeitpunkte der drei Wertungen nicht von einer Rundenanzahl abhängen, sondern vom Bautempo des Schnellsten“, schreibt Grosser. „Seinen Reiz findet ‚The Castles of Tuscany‘ in der Verknüpfung eines flotten Spielflusses mit der dauerhaften Spannung, ob Zufall und Gegner meinen Plan nicht durchkreuzen. Erhalte ich das gewünschte Landschaftsplättchen, um noch vor der nächsten Wertung die Punkte für ein großes abgeschlossene Gebiet abzugreifen? Kriege ich noch eines der limitierten Bonusplättchen? Schaffe ich es als Erster, alle Felder einer Farbe zu belegen, um Extra-Punkte einzusammeln? Die Suche nach Antworten schenkt uns eine schöne Zeit in der Toskana und gute Unterhaltung.“ Mit drei von 5 Sternen erhält das Spiel bei ihm die Wertung „gut“.

Positives Spielgefühl

Auch Bernhard Löhlein ist in seiner Radiorezension von dem toskanischen Kurzurlaub überzeugt: „Das schöne ist: Immer, wenn ich ein Plättchen ablege, passiert auch was“, sagt er. „Wenn ich das alles geschickt miteinander kombiniere, habe ich am Ende die Nase vorn.“ Dennoch sei es kein einfaches Spiel. „So bunt und luftig es aussieht: Man muss sich da ganz schön reinknien, vor allem an die Wertungstafel muss man sich gewöhnen“, sagt Löhlein. „Mir gefällt, wie friedlich es da für ein Strategiespiel zugeht. Und die vielen Belohnungen, die man in einer Partie bekommt, die sorgen für ein positives Spielgefühl.“

¹ games we play: The Castles of Tuscany
² Rezensionen für Millionen: The Castles of Tuscany
³ Spiel doch mal…: The Castles of Tuscany
Spielekenner: The Castles of Tuscany
⁵ Radio IN, Spiel der Woche vom 24.10.2020