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Kritikenrundschau: Heiße Hexenkessel – zackig Zutaten zusammenschütten

Alliterationen sind Poesie im Vorbeigehen – passt also sehr gut zu „Heiße Hexenkessel“ (Erik Andersson Sundén bei Leichtkraft und AEG). Denn auch hier gehen die Partien schnell vorbei. Was ja nicht unbedingt schlecht sein muss. Unsere Jurymitglieder haben in ihren jeweiligen Medien die Zauberhüte aufgesetzt, die Kessel angefeuert und dabei versucht, sich in Hexengestalt gegenseitig zu ärgern.

„Runde für Runde draften wir aus einigen Karten ein neues Rezept, das die eigene Auslage ergänzt“, erklärt Tim Koch das Spiel. „Die Rezepte erlauben uns, Zutaten von unserer Werkbank umzuwandeln und in den Kessel zu legen. So nehmen wir etwa einen Pilz und zwei Spinnen und machen daraus eine Alraune und drei Kröten. Das treibt nicht nur die Naturwissenschaftlerin in uns in den Wahnsinn, sondern hoffentlich auch die Mitspielerin zur Rechten. Denn genau dahin wandert der Kessel mit unserem Brauergebnis. Die erhaltenen Zutaten müssen nun auf der Werkbank untergebracht werden, wofür allerdings nur begrenzt Plätze verfügbar sind. Ist das nicht möglich, werden überschüssige Zutaten zu Siegpunkten, bei deren fünf der Sieger feststeht. Da wir gleichzeitig aber auch immer von links einen gefüllten Kessel bekommen, muss stets zwischen der Leerung der eigenen Werkbank und der Chance auf Punkte abgewogen werden.“
Die Regeln seien angenehm schlank, findet Koch. „Wer mit dem Draften von Karten und dem Bau einer Engine vertraut ist, der findet sich in ‚Heiße Hexenkessel‘ schnell zurecht.“ Auch für das Material hat Koch lobende Worte übrig. „Dass in diesem Kessel auch spielerisch einiges steckt, das fällt erst nach ein paar Runden auf“, schreibt er. „Anfänglich versucht man zumeist, die Mitspieler gezielt mit einzelnen Farbwürfeln zu fluten und jedes mögliche Rezept auszulösen. Erfahrene Spieler hungern die Konkurrenz dagegen aus oder horten Würfel, um in den Folgerunden mehr Möglichkeiten zu haben. Zusammen mit dem ständigen Abwägen zwischen dem Schutz der eigenen Werkbank und dem Drang zu punkten ergibt sich hier ein ganz besonderer Reiz.“ Frustrierend sei hier nur manchmal der Glücksfaktor, der mit dem Ziehen der Karten einher geht. „Selbst das Drafting kann manchmal nicht verhindern, dass einfach nichts zusammenpasst. Gerade solche Partien fallen dann auch häufig kurz aus, wirklich Einfluss hat man in diesen Momenten nicht“, schreibt Tim Koch. Dennoch, urteilt er, sei „Heiße Hexenkessel“ „ein emotionales Kochduell, das allerdings etwas Übung benötigt, um wirklich zu zünden.“¹

Auch für Nico Wagner ist „Heiße Hexenkessel“ kein bloßes „Holzklötzchengetausche“. Die Herausforderung sei, eine „Engine“ so aufzubauen, „dass man zum Einen die Person rechts von sich zumüllt, gleichzeitig aber Rezepte dafür verwendet, um das, was man selber von links bekommt, wegzuwirtschaften“, sagt er. Für Wagner ist das eine „ganz witzige Aufgabe“.
Allerdings gibt es für Wagner auch ein paar Kritikpunkte. Einerseits die Sonderzauber, die mit Hilfe einer Zählleiste mit Pappmarkern aufgeladen werden müssen – was viele der Spielerinnen und Spieler oft vergäßen. „Das ist etwas mickrig gemacht“, sagt er. Am meisten stört ihn allerdings, dass die Spieldauer oft sehr kurz ist. Bis er merke, dass von links viel wegzuschaffendes Blau kommt, könne er gar nicht mehr mit genug Rezepten reagieren. Man müsse sich also entscheiden: „Arbeite ich sehr defensiv oder arbeite ich sehr aggressiv?“ Umschwenken sie nicht möglich. „Es fühlt sich an, als sei aggressiv zu spielen die Hauptdominanzstrategie.“ Dadurch liefen die Partien sehr ähnlich ab. Wer es weniger oft gespielt hat, sei stark im Nachteil. Gleichwohl urteilt Nico Wagner: „Macht alles Spaß, gefällt mir sehr gut.“ Empfehlen würde er es eher für Runden von vier oder fünf Spieler:innen.²

„Heiße Hexenkessel“ ist für Michaela Poignée „ein Familienspiel, das man auch mit Gelegenheitsspielern gut spielen kann“. Es sei gut erklärbar, und in ihren Runden sei es selten bei nur einer Partie geblieben. Poignée kritisiert ebenfalls, dass das Aufladen der Sonderzauber oft vergessen werde. Der Glücksfaktor beim Kartenziehen allerdings störe sie nicht so sehr, „weil das Spiel so schön kurzweilig ist“. Sie attestiert „Heiße Hexenkessel“ einen „hohen Wiederspielwert“, sowohl zu zweit als auch in größeren Runden. Gerade die fortgeschrittenen Hexen, die unterschiedliche Sonderfähigkeiten haben, haben es ihr angetan.³

Julia Zerlik mag das Spielprinzip, weil es so interaktiv ist. „Alle spielen gleichzeitig, es entsteht eine gewisse Spannung, man muss gut nach rechts und links gucken und die Downtime ist sehr gering.“ Ihr gefällt „Heiße Hexenkessel“ „zu dritt am besten, weil da jeder mit jedem interagiert. Aber vom Spielfluss wird es nicht länger, wenn man zu fünft spielt.“ Allerdings sei es wichtig, dass alle ungefähr auf dem gleichen Niveau spielten. „Wenn mein linker Mitspieler ein geübterer Spieler ist, habe ich pauschal schlechtere Chancen“, sagt Zerlik. „Am besten ist das Spiel in Runden, wo alle das Spiel gut kennen.“ Dann allerdings könne man eine überraschende Vielzahl an Strategien entwickeln. „Ich finde es sehr schlau, dass das Spiel so vielschichtig ist“, sagt sie, auch wenn die aufladbaren Sonderfähigkeiten für sie eine Ebene ins Spiel brächten, die es gar nicht gebraucht hätte. Denn sie seien erklär-intensiv und würden, wegen der Kürze des Spiels, eher selten genutzt. Abschließend urteilt Julia Zerlik über „Heiße Hexenkessel“: „Frisches Spielkonzept, das mir immer wieder Spaß macht.“

Martina Fuchs sagt in ihrer Kurzkritik, dass „Heiße Hexenkessel“ ein Spiel im „mittleren bis oberen Familienbereich“ sei. „Es hat einen unheimlich hohen Glücksanteil, je nachdem, wie gut die Spielerin rechts oder links von mir spielt.“ Die Spieldauer sei kurz, und sie habe gerne mehr Zeit. „Ich versuche, eine Engine aufzubauen“, doch bevor sie glaubt, sie habe eine „super Engine“ geschaffen, ist das Spiel schon vorbei. „Heiße Hexenkessel“ sei ein „kleines, schnelles Ärgerspiel mit schöner Haptik“, so Fuchs.

Maren Hoffmann findet  „Heiße Hexenkessel“ „eine perfide Spielidee: Wir brauchen Zutaten, um Hexentränke herzustellen – aber zu viele Zutaten kosten uns den Sieg.“ Das Spiel sei „ein stetes Abwägen zwischen Gönnen, Gier und Gemeinheit.“  Dennoch zeigt Hoffmann sich am Ende begeistert, für sie ist das Spiel „ein turbulenter und kurzweiliger Spaß mit überraschenden Wendungen.“

Für Manuel Fritsch bricht „Heiße Hexenkessel“ „in vielerlei Hinsicht mit den Erwartungen. Statt wie so oft mit knappen Ressourcen und starken Limitierungen klarkommen zu müssen, gibt es dieses Mal Ressourcen im Überfluss. Noch dazu geschenkt!“ Im Spiel gelte es, zwischen Angriff und Defensive abzuwägen – was allerdings nicht immer gelänge. Fritsch findet „Heiße Hexenkessel“ „Ein geselliges und emotionales Ressourcen-Umwandel-Drafting-Ärgerspiel, bei dem das Verlieren wirklich wurmt, aber aufgrund der kurzen Spieldauer von rund 15 bis 20 Minuten eher eine direkte Revanche heraufbeschwört.“ Und dann gerne auch mit neu verteilten Plätzen am Spieltisch, „denn die verhasste Nebenhexe von links will man in der nächsten Partie natürlich ordentlich mit Kröten und Spinnen überschütten.“

¹ Spielfreu(n)de: Heiße Hexenkessel
² Brettagoge #216
³ Die Brettspieltester: Heiße Hexenkessel
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