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Kritikenrundschau: Turing Machine – Deduktionsprogramm

Fünf Ziffern, richtig oder falsch – und fertig ist das Deduktionsspiel. Aber ganz so einfach ist es dann mit „Turing Machine“ (Fabien Gridel und Yoann Levet bei Huch und Scorpion Masqué) dann doch nicht. Denn ein wenig Wettbewerb und vielleicht sogar Glück gehören auch dazu. Unsere Jurymitglieder haben sich in ihren jeweiligen Medien an den analogen Computer gesetzt und die Denkerkappen angelegt.

„Wir suchen einen dreistelligen Code mit Ziffern von eins bis fünf“, erklärt Udo Bartsch das Spiel. „Wer die wenigsten Spielrunden benötigt, um diesen Code zu finden, gewinnt. Wer als Lösung einen falschen Code probiert, scheidet aus. Statt auf eine App setzt ‚Turing Machine‘ auf viele Karten, darunter auch Lochkarten. Eine Aufgabenstellung entnimmt man der Anleitung (dort sind zwanzig Vorschläge) oder dem Internet (dort sind viel, viel mehr). Bevor es dann losgehen kann, müssen diverse Karten herausgesucht und kreisförmig angeordnet werden. Hinterher muss man das alles wieder wohlgeordnet wegpacken.“
„Turing Machine“ erfordert Akkuratesse, stellt Bartsch fest. „Auch im Geist. Die Aufgaben lassen sich durch Testen und ansonsten durch Logik lösen.“ Zwar sei ein bisschen Glück dabei – viel mehr aber eben Logik. „Man muss nicht alles durchprobieren, manches lässt sich durch reines Nachdenken ausschließen, insbesondere wenn man weiß, dass jeder der angebotenen Tests für die Lösung nötig ist. Schon aus der Versuchsanordnung lässt sich etwas ableiten. Jedenfalls gelingt dies denjenigen Spieler:innen, die die entsprechende Denke mitbringen. Andere bleiben auf der Ebene des Herumprobierens.“ Für Bartsch ist der Wettbewerb dabei nicht zentral. „Der von mir empfundene Spielreiz speist sich mehr aus der komplexen geistigen Beschäftigung und (hoffentlich) dem belohnenden Gefühl am Schluss, den Code gefunden zu haben – selbst wenn andere schneller waren. Dennoch tut der Wettbewerbs-Charakter dem Spiel gut, denn er zwingt mich zu diszipliniertem Spiel: nicht so viel herumprobieren, mehr nachdenken.“
Bartsch findet das Spiel „außergewöhnlich und sehr speziell. So speziell, dass einige meiner Mitspieler:innen laut gelacht haben, als ich ihnen die Regeln der beiden Ausbaustufen präsentierte. Wenn man die zum ersten Mal hört, denkt man, eine Lösung sei unter diesen Umständen gar nicht mehr möglich. Ist sie dann aber doch und sogar in weniger Schritten als angenommen.“ Allerdings hätte nicht jeder einen Zugang zu „Turing Machine“. „Für mein Empfinden fehlt der Kopfarbeit in ‚Turing Machine‘ das Spielerische. Ich empfinde Respekt und Faszination, aber keinen so großen Spielreiz“, lautet sein Fazit.¹

Tobias Franke freut sich über die Ausstattung des Spieles. „Die Lochkarten üben einen immensen Drang aus, sie in die Hand nehmen zu wollen“, sagt er. „Turing Machine“ sei allerdings im Kern ein Solospiel. „Ob neben mir nun zwei, drei oder theoretisch 500 andere ebenfalls Prüfungen durchführen, hat auf mich überhaupt keinen spielerischen Einfluss. Alle bosseln alleine vor sich hin und irgendwann wird dann versucht zu lösen. Bis dahin sind mir meine Mitspielenden im Grund egal.“ Außerdem bemängelt Franke die oft schwer zu verstehende Symbolsprache sowie der manchmal verwirrende Aufbau. „Vor allem bei den leichten Schwierigskeitsstufen hatte ich im Solo-Spiel das Gefühl, dass ich länger mit dem Aufbau als mit dem Lösen des Codes beschäftigt war – begleitet von dem ketzerischen Gedanken, ob es nicht besser wäre, das Spiel direkt als digitale Aufgabe vorliegen zu haben. Der Gag, über die Karten Informationen zu erhalten, verpufft schnell, wenn ich zusehends von der Handhabung genervt bin und dauernd Verwaltungsaufgaben durchführen muss.“
Für Franke ist auch die Glückskomponente deutlich zu hoch. „Es muss nicht unbedingt ein Leistungsgefälle im Denken vorliegen, wenn eine Person fünf Versuche und eine andere zehn Versuche benötigt. Das liegt in gewisser Weise in der Natur der Dinge bei Deduktionsspielen. Aber weil bei ‚Turing Machine‘ keine Informationen öffentlich werden, fühlt sich der Weg zum Ziel zufälliger an als bei anderen Spielen.“
Am Ende aber ist Franke von dem Spiel doch fasziniert – von den Lochkarten, vom Aufwand, der „wohl hinter der Erfindung der einzelnen Aufgaben stecken muss“. Ihn reizen an dem Spiel die Aufgaben – „das ändert aber nichts daran, dass in meinen Augen eine digitale Umsetzung als Solo-Spiel für diese Aufgabenstellung der geeignetere Weg wäre. Es gibt schon Gründe, warum ein Computer digital ist. ‚Turing Machine‘ fehlt leider ein Element, was dazu einlädt, es gemeinsam als Gruppe spielen zu wollen, wofür sich analoge Treffen bestens eignen. So ist es zwar ein tolles Produktdesign, aber kein überzeugendes Spiel“, lautet sein Fazit.²

Auch Julia Zerlik empfindet „Turing Machine“ mehr als Soloaufgabe. Ihr größter Kritikpunkt ist allerdings, dass einige der Karten schlecht erklärt seien, gerade in den höheren Schwierigkeitsgraden. „Die niedrigen Level waren so, dass man es ungefähr gleich schnell rausgekriegt hat, das hat dann den Reiz schnell verloren“, sagt sie. In den höheren Leveln sei die schlechte Erklärung der Karten für sie „frustrierend“ gewesen. Am Ende seien bei ihr Fragen offengeblieben – trotz einer großen Liebe sowohl für Mathematik als auch Deduktionsspiele. „Das finde ich schade, ich mag eigentlich solche Knobelaufgaben“, sagt Zerlik. Sie hätte sich auf das Spiel gefreut – sei aber am Ende nicht damit warm geworden.³

Michaela Poignée findet die Anleitung „gut geschrieben, gut bebildert“. Dennoch findet sie, wie auch Julia Zerlik: „Bei den Prüfkarten wäre es schön gewesen, wenn nochmal ein Beispiel dabei gewesen wäre“ – allein, weil die Aufgaben schnell komplexer würden. Poignée findet, dass sich „Turing Machine“ sehr solitär sipiel, was für sie dem Spielreiz jedoch keinen Abbruch tut. „Letztendlich ist es ein Logikpuzzle.“ Dank der unterschiedlichen Schwierigkeitsgerade könne man es mit jedem und jeder spielen. Für Poignée ist das Spiel „eine schöne Idee mit schöner Umsetzung“ und Wiederspielreiz.

„Turing Machine“ sei „Deduktion in Reinform“, findet Martina Fuchs. „Wie bei so vielen Deduktionsspielen stehe ich davor und frage mich: Wie soll ich das denn jetzt schaffen? Es war wirklich so, dass Leute in der zweiten Runde den Code bereits hatten, und ich hatte erst eine Zahl raus.“ Aber für Fuchs stellte sich beim Spielen dennoch ein „cooles Computerlochkartengefühl“ ein. Aber auch sie findet, dass „Turing Machine“ eher ein Solospiel ist. „Ob das jetzt wirklich ein Spiel ist, das sich über viele Runden hält? Weiß ich nicht. Es ist auf jeden Fall ein Spiel für alle Menschen, die Deduktion gerne mögen und das so ganz reduziert haben wollen.“ Das Spiel sei „Gehirnjogging für die tägliche Rätselaufgabe“.

Nico Wagner und Stephan Kessler haben sich für ihre mathematischen Überlegungen zusammengesetzt. Vom Gefühl her sei „Turing Machine“ wie eine Sudoku-Aufgabe, meint Wagner. „Ich weiß nicht, wofür ich am Tisch andere Mitspielende bräuchte.“ Gleichwohl findet er das Spiel „sauinteressant“, denn es übe einen großen Reiz auf ihn aus.
Bei Kessler dagegen „zündet das Spiel überhaupt nicht“. Trotz des „intelligenten Auswertungsmechanismus“ habe das Spiel selbst nichts Besonderes. Er habe es mit Mathematikern und Informatikern gespielt, die darüber viel diskutiert haben. „Irgendwann hatte ich das Gefühl, ich bin in einer Mathe-Vorlesung. Der Reiz besteht aus den Lochkarten, aber nicht darin, was spielerisch passiert.“

¹ Rezensionen für Millionen: Turing Machine
² Fjelfras: Kritisch gespielt: Turing Machine
³ Spiel doch mal…: Frisch vom Tisch Vol 59
Die Brettspieltester: Turing Machine
Fuchs & Bär: Ein Spiel für dich? Herst 2022 – Folge 32
Brettagoge #211