Suche
Suche Menü

Kritikenrundschau: Dune Imperium – wüste Würzmischung

Eines ist sicher auf dem Wüstenplaneten Arrakis: Das Spice muss fließen. Stetig. „Dune Imperium“ (Paul Dennen bei Dire Wolf) ist das Spiel zur aktuellen Neuverfilmung von Frank Herberts Science-Fiction Buchreihe. Ist das Spiel ein blauäugiger Versuch, mit einer aktuellen Lizenz ein wenig Reibach zu machen, oder verbirgt sich hier unter dem Wüstensand etwas Größeres? Unsere Jurymitglieder haben in ihren jeweiligen Medien eine Expedition nach Arrakis unternommen.

„‚Dune‘ vereint Deckbuildung, Workerplacement und Ressourcenmanagement“, erklärt Harald Schrapers das Spiel. „Aus den fünf Handkarten wählt man zwei, deren Symbol mit einem Spielbrettfeld übereinstimmt. Dorthin stellt man seinen Worker – der hier Agent heißt. Manchmal muss man dafür mit Solari (das dortige Geld), Wasser oder dem sagenumwobenen Spice, ein bewusstseinserweiterndes Gewürz, bezahlen. Als Belohnung bekommt man Truppen oder wiederum Solari, Wasser oder Spice. Zum Schluss deckt man die drei restlichen Spielkarten auf und addiert deren unten stehende Ziffern zu einem so genannten Überzeugungswert: damit kauft man eine neue Spielkarte, die man aus der Auslage wählt. Diese kommt dann zum eigenen Kartenstapel – dem Deck –, dessen Qualität man verbessern möchte. An jedem Rundenende kommt es zum Kampf. Wer die meisten Truppen aus der Garnison genommen hat und auf das Schlachtfeld gestellt hat, gegebenenfalls um Kampfpunkte auf den Spielkarten verstärkt, gewinnt die Auseinandersetzung. Die Siegerin kassiert zumeist ein oder zwei Siegpunkte. Das ist ein spannender Höhepunkt jeder Runde: Sind meine Trupps stark genug, hat die Gegnerin noch ein paar überraschende Kampfsymbole in der Hinterhand? Die Intrigenkarten können für Überraschungen sorgen. Oder habe ich sogar viel zu viele Truppen in den Kampf geschickt? Die sind jetzt nämlich erst mal raus aus dem Spiel, und meine Garnison ist ziemlich leer.“

„Dieses Spiel, das schon vor dem Filmstart auf meinem Tisch lag, hat mich ins Kino gelockt“, schreibt Schrapers weiter. „Ich war schon von der ersten gespielten Partie so begeistert, dass ich mehr über die Thematik die Hintergründe wissen wollte.“ Zwar gäbe es einen merklichen Glücksfaktor, „gleichzeitig aber auch eine Menge an taktisch-strategischen Herausforderungen.“ Erfreulich sei das hohe Maß an Interaktion auf dem Spielbrett, das „zur Folge hat, dass man ‚Dune‘ sinnvollerweise nur zu dritt oder zu viert spielen sollte. So gefällt mir ‚Dune‘ auch merklich besser als ‚Die verlorenen Ruinen von Arnak‘, das auch ein solches Konstrukt aus Deckbuilding, Workerplacement und so weiter ist“, so Schrapers. „Dune“ brilliere unabhängig von der literarischen Vorlage.“¹

Taktische Herausforderungen

Auch Udo Bartsch sieht taktische Herausforderungen in „Dune“. „Das Gesamtpaket, das man mit einer Karte erwirbt, ist komplex. Ob, wie und wie oft man das alles nutzen wird, lässt sich kaum vorausberechnen, was ‚Dune – Imperium‘ sehr spielerisch werden lässt. Man kann Dinge testen, es beim nächsten Mal anders probieren und sich vom Ergebnis überraschen lassen.“ Problematisch sei, dass oft Karten in der Auslage liegen blieben, „sobald nur noch Tand herumliegt“, also Karten, die niemand der Spielenden haben wolle. „Trotzdem ist die Melange aus Figuren- und Deckmanagement wie schon in ‚Die verlorenen Ruinen von Arnak‘ sehr reizvoll. Prunkstück ist die interaktive und spannende Ausspielphase.“ Im Zweierspiel allerdings ginge genau diese Komponente verloren. „Da agiert als Dritter ein Dummy und macht unvorhersehbar irgendwas. Aber auch bei menschlichen Kontrahenten kann es Glückssache sein, ob man die anderen auf dem falschen Fuß erwischt und deshalb einen Konflikt mit geringstem Einsatz gewinnt oder wegen fieser Intrigenkarten trotz Maximalaufwand leer ausgeht.“
Dennoch: „‚Dune – Imperium‘“, so Bartsch, „unterhält ohne dramaturgischen Durchhänger, indem es mit geringem Regelaufwand Entscheidung an Entscheidung reiht. Dass so viele parallele Währungen und Skalen tatsächlich nötig sind, bezweifle ich, doch immerhin gewährleisten sie: Irgendwas fehlt immer.²

Nico Wagner spricht in gleich zwei Ausgaben seines Podcasts über „Dune Imperium“. Kein Wunder: „Ich habe wirklich im letzten Jahr kein anderes Spiel gespielt, dass mich emotional so krass fesseln konnte wie Dune“, sagt er. „Ich zittere mit und hoffe, dass ich diese Punkte mache.“ Wagner empfiehlt für höheren Spielgenuss auch den Film. „Für mich ist das gewachsen, nachdem ich den Film gesehen habe“, sagt er. Einen hohen Glücksfaktor sieht auch er in dem Spiel. Das sei aber nicht schlimm: „Da baut sich so ein Bluff-Element auf, allein dadurch, dass jemand anders noch Intrigenkarten hat und ich nicht weiß, was die machen.“ Einziger Kritikpunkt: Der „Kartendurchsatz“ sei manchmal zu gering. „Das liegt, glaube ich, auch daran, dass es in ‚Dune‘ sehr schwierig ist, Karten loszuwerden.“ Wagner meint dennoch: „Ich kann es immer wieder spielen.“³
Somit ist das Spiel auch auch dem ersten Platz seiner Jahres-Top-Ten-Liste gelandet. Dort präzisiert er noch: Das Deckbuilding sei „viel interessanter als bei ‚Die verlorenen Ruinen von Arnak‘“.
Stephan Kessler hält all dem überschwänglichen Lob entgegen: „Es wirkt für mich so als sei es nicht ausgereift. Als wären da superviele kluge Elemente drin, aber es funktioniert nicht immer.“ Bestimmte Karten oder Kartenkombinationen, die zufällig gezogen würden, könnten hier spielentscheidend sein. „Es hat mich gestört, dass so viele Glückselemente am Ende bei einem Spiel, was über zwei Stunden dauert, entscheiden. Das ist mehrfach passiert. Trotzdem war jede Partie für sich ein tolles Erlebnis.“ Man brauche „eine gewisse Frusttoleranz.“

Wahnsinnig viele Entscheidungen

Auch Manuel Fritsch und Christoph Schlewinski ziehen auf der Suche nach der Würze des Spiels durch den Wüstensand. Fritsch gefällt das Spiel „sehr, sehr gut. Wir treffen wahnsinnig viele Entscheidungen“, sagt er, „die Mechanik verbindet sich mit dem Dune-Universum sehr schön.“ Man könne „Dune“ aber auch ohne Vorwissen spielen. „Das ist auch die Stärke, finde ich. Es holt auch Leute ab, die überhaupt nichts mit ‚Dune‘ anfangen können.“
Für Fritsch ist das Glückselement des Spiels eine gute Sache, es passe thematisch ins Dune-Universum. Nur die Stärke der Intrigenkarten „schwankt extrem.“ Auch er spricht sich dagegen aus, das Spiel zu zweit zu spielen, ob mit zugehöriger App oder manuell simuliertem drittem Spieler: „Das funktioniert zwar technisch eigentlich ganz gut“, sagt Fritsch, „aber dieses Ding ist komplett unberechenbar. Das kannst du nicht antizipieren, das kannst du nicht wissen, das ist komplett zufällig und das macht das komplette Spiel kaputt. Die eigentliche Genialität das Spiels wird komplett zerstört.“
Auch der Dune-Experte Christoph Schlewinski zeigt sich begeistert. „Das ist für meinen inneren Nerd ein großes Fest. Ich freue mich, dass sie dem Thema so viel Zeit gewidmet haben, die Liebe zum Detail. Da geht mir das Herz auf.“ Einzig der geringe Kartendurchsatz stört ihn: „Da kann es sein, dass du dir aus Verzweiflung irgendein Gerümpel zusammenkaufst, oder keiner rührt diese Auslage an, weil da nur Müll drin liegt. Es gibt aber auch keine Möglichkeit die auszutauschen“, sagt er. „Da muss man wirklich aufpassen, dass man sich sein Deck nicht zumüllt.“ Einige Karten im Deck kritisiert Schlewinski auch: „Es gibt nur zwei Karten, die dir am Ende noch Punkte bringen“, sagt er. „Da habe ich mich gefragt: Hätte man die nicht rauslassen können?“ Diese Karten könnten spielentscheidend sein. Insgesamt aber urteilt Schlewinski: „Ich finde das total super. Arbeiter einsetzen und Deckbau gab es in dieser Art noch nicht, dass sowohl in der aktiven wie auch der passiven Phase deines Zuges noch so viel passieren kann, finde ich total interessant.“

„Ich habe am Anfang gar nichts erwartet“, sagt Julia Zerlik zu „Dune Imperium“. „Dann habe ich das gespielt und habe gleich nach der ersten Partie gedacht: Das ist ja ein mega Spiel. Dieser Spielreiz hat bisher nicht nachgelassen.“ Sie findet das Spiel „außerordentlich gut gelungen.“ Die für den Sieg mindestens nötigen zehn Siegpunkte zu sammeln, sei nicht so einfach. „Da merkt man, dass alles schön verzahnt ist; auf eine simple Art und Weise.“ Man käme sehr einfach in das Spiel hinein. Es müssten dennoch viele taktische Überlegungen angestellt werden, „die es gilt, geschickt miteinander zu kombinieren. Und das finde ich hier sehr genial, das ist super abwechslungsreich.“ Dafür sorgten auch die Intrigenkarten. „Es sind viele Kleinigkeiten, an die man denken kann, die man kombinieren kann. Es gefällt mir sehr, sehr gut; weil es eben eine hohe Abwechslung hat und immer wieder eine neue Herausforderung ist.“

Auch in unserem Podcast ➜ war „Dune“ Thema.

¹ games we play: Dune
² Spielbox Heft 5/21: „Das Spice ist heiß“
³ Brettagoge: Vertiefungsstunde #178
Brettagoge: Die Tops des Spielejahrgangs 2021
Insert Moin: Le Brett vom 5.7. 2021
Spiel doch mal…: Dune Imperium