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Kritikenrundschau: Little Town – außen niedlich, innen hart

Ein bisschen Holz, ein bisschen Stein, ein bisschen Nahrung, fertig ist die kleine Stadt. Doch so einfach ist „Little Town“ (Shun und Aya Taguchi bei iello und Studio GG) nicht – trotz des einfachen Regelwerks. Was meinen die Kritiker und Kritikerinnen zu dem Spiel mit den niedlichen kleinen Städtebauern? Unsere Kritikenrundschau.

„Holz gibt es im Wald, Stein finden wir im Gebirge, Fisch gibt es im See: Wenn wir unsere Arbeiterfigur auf die Wiese neben Wald, Berg und See stellen, bekommen wir die entsprechende Ressource. Sobald wir genug Ressourcen haben, stellen wir einen Arbeiter auf den Bauplatz und suchen uns eines der offen ausliegenden Gebäude aus. Dieses lege ich auf eine freie Wiese des Spielbretts. Mit diesem Gebäude kann ich beispielsweise Rohstoffe tauschen beziehungsweise Münzen oder den Rohstoff Weizen erhalten“, so fasst Harald Schrapers den Ablauf von „Little Town“ zusammen.

Dennoch sieht Schrapers darin nach mehreren Partien große Spieltiefe heraufziehen. Grund ist, dass die Arbeiter auch ernährt werden müssen. „Im Vergleich zur Leichtigkeit der Spielanleitung hat es der eigentliche Ablauf in sich – wenn man denn eine Gewinnchance haben möchte und nicht halb verhungert auf den hinteren Punkteplätzen landen möchte. Mit Verhungern ist genau das gemeint. Nach jeder Runde muss ich meine drei Arbeiter mit je einem Rohstoff ernähren, und zwar Fisch oder Weizen. Holz und Stein mögen sie nicht. Jeder schlecht ernährte Worker bedeutet drei Siegpunkte Abzug – was eine ziemlich heftige Strafe ist. Wer da nicht ordentlich plant, weiß sich manchmal schon nach einer halben Partie nicht mehr zu helfen.“ Somit würde „Little Town“ zu einer „puren Denksport-Herausforderung“, die für Schrapers nicht ganz mit dem leichtherzigen Einsetzen der Figürchen zusammenpasst. Dennoch sei „Little Town“ ein „schön verpacktes Denkspiel mit hartem Ablauf“.¹

Runde Partien

Auch Udo Bartsch findet, dass „Little Town“ nicht „das ganz große Spiel“ sei – das solle es aber auch nicht sein. Ihm gefällt vor allem, dass das Spiel trotz seiner Reduktion sehr dynamisch abläuft. „Die Einschätzung, was ein guter Ertrag ist, ändert sich allerdings im Laufe der Partie. Anfangs muss man noch größeren Aufwand für die Ernährung betreiben, später läuft das fast nebenbei und Baustoffe werden wichtiger; gegen Ende erscheint es schließlich oft am besten, die Materialien gar nicht mehr zu verbauen, sondern gegen Siegpunkte wegzutauschen.“ Trotz weniger Spielzüge erlebt Bartsch einen kompletten Spannungsbogen. Allerdings mit „Härten“: „Wer kein Geld mehr hat, muss eventuell lange warten, bis eigene Häuser wieder etwas einnehmen, und fremde Häuser können solange nicht genutzt werden. Die Spielzüge sind derweil also weniger ertragreich. Weil die Rohstoffwürfel begrenzt sind und wir ja mittlerweile wissen, wie sehr Menschen in Krisensituationen zum Horten neigen, kann es – vor allem im Spiel zu viert – geschehen, dass man irgendetwas nicht mehr bekommt. Umso ärgerlicher, wenn dies die Ernährung betrifft und mit Minuspunkten ins Kontor schlägt.“

Grundsätzlich bleib sein Urteil dennoch positiv: „Mir gefällt die Reduziertheit. Obwohl wir nichts Kompliziertes machen und auch nicht lange spielen, fühlt sich die Partie am Ende rund an. Als stärkstes Element empfinde ich die Freiheit bei der Gestaltung des Spielplans. Jedes Mal wird er sich ein bisschen anders entwickeln.“ „Little Town“ brächte seinen Mechanismus besonders prägnant auf den Punkt. Fünf von sieben Sternen erhält das Spiel bei Bartsch – und damit die Wertung „reizvoll“. ²

Nicht aufregend

Stefan Gohlisch dagegen findet „Little Town“ wenig reizvoll. Die Herausforderung sei, schreibt er, „Synergien zwischen Gebäuden“ zu nutzen. Fesseln kann ihn das Spiel nicht, als Einführung in diese Art Spiel „macht ‚Little Town‘ alles richtig und auch sonst nichts falsch. Es läuft rund, erledigt in etwa einer Dreiviertelstunde Spielzeit, was es erledigen soll. Wirklich aufregend ist das aber nicht.“ Drei von fünf möglichen Sternen erhält das Spiel bei ihm. ³

Reduzierte Eleganz

Eleganz durch Reduktion: Zu diesem Urteil kommen auch Manuel Fritsch und Stefan Kessler in Fritsch’ Podcast. „Man muss immer gucken: Was liegt in der Auslage? Die ist sehr begrenzt, es gibt nur sehr wenige Gebäude“, sagt Fritsch. Das Spiel sei „dermaßen elegant runtergebrochen, dass man im ersten Moment denken könnte, es sei ein Worker Placement für Einsteiger“. Komplex mache es die Regel, dass auf dem gemeinschaftlichen Spielplan jedes Gebäude von jedem Spieler aktiviert werden könne.

„Als ich die Regel gehört habe“, sagt Fritsch, „habe ich mit der Schulter gezuckt und mich gefragt: Was soll daran besonders sein? Das kommt wirklich erst durch das Spielen, dass man dann merkt: Ich muss genau überlegen: Wo platziere ich diese Gebäude? Die anderen können das auch mitnutzen. Und dadurch balanciert sich das ein bisschen.“ Die „einfachen“ und „grundsoliden Regeln“ führten, so Kessler, in „Little Town“ zu einer großen Eleganz.

Alleine die Illustrationen, meint Fritsch, suggerierten ein anderes Spiel als „Little Town“ sei – denn die niedlichen Figuren wollen für ihn nicht ganz zu dem „knallharten Taktikspiel“ passen, als das „Little Town“ sich herausstelle. Es gäbe keine Glückskomponente. Sowohl Fritsch als auch Kessler sprechen eine Empfehlung für das Spiel aus – das zwar komplex werde, aber Dank der einfachen Regeln auch als Familienspiel funktionieren könne.

Genug neues

Im nächsten Podcast bespricht ebenfalls Stephan Kessler das Spiel. „Es ist ja einfach nur ein Arbeiter-Einsetz-Spiel“, die Frage für ihn sei gewesen: „Bietet das denn überhaupt genug Neues?“ Tiefe käme durch Interaktion zustande, dadurch, dass man anderen Felder für Gebäude wegnehmen könne oder abwägen, wann man welches Gebäude bauen sollte. „Es ist tatsächlich auch für mich interessant“, sagt er, „das ist für mich das Besondere an dem Spiel: dass es so simpel ist“. „Little Town“ hätte dennoch genug Neues, um ihn zu fesseln. Dennoch wendet er ein: „Es ist relativ viel am Anfang.“ Schade sei nur, dass die Auftragskarten, die es am Anfang gibt, weder gut geschrieben noch für das Spiel unbedingt nötig seien.

Kleine Feinheiten

Julia Zerlik findet in ihrer Videokritik „Little Town“ ein „sehr kleines, stimmiges, rundes Spiel“. Dass ein Arbeiter alle umliegenden Felder aktiviere, sei eine „spannende Sache“. „Es gibt allerdings so ein paar Feinheiten in dem Spiel, die ich mir anders gewünscht hätte“, sagt sie. Dass man sich zum Beispiel durch Geldmangel ins Abseits manövrieren könne und es unter Umständen lange dauern könne, bis man daran kommt – und bis dahin nicht mehr mitspielen könne. Hier hätte sie sich eine Regel gewünscht, die das verhindert. Ansonsten sei das Spiel aber „richtig cool“.

Gerangel

Auch Martin Klein findet „Little Town“ ein „sehr einfaches, eingängliches Spiel“, das „kurz und knackig“ sei. Besonders innovativ sei es nicht – „aber das, was man hier macht, greift ganz gut zusammmen“ und sei „durchaus abwechslungsreich“. Das läge vor allem daran, dass die Gebäudeauslage in jeder Partie anders sei. Teilweise ergäbe sich „ein ziemliches Gerangel auf dem Spielplan“. Vier von sechs möglichen Sternen bekommt das Spiel bei Klein – ein frisches hellgrün.

¹ games we play: Little Town
² Rezensionen für Millionen: Little Town
³ Neue Presse, Ausgabe vom 23.1.2020
Insert Moin: Le Brett, vom 12.12.2019 (kostenpflichtig)
Brettagogen #125
Spiel doch mal: Little Town
Spielerleben: 20 Spiele im Januar und Februar 2020