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Kritikenrundschau: Sattgrün – Zimmerpflanzenpunktesalat

Ein wenig Grün gehört zu einem schönen Heim – aber wer beginnt, sich mit Zimmerpflanzen zu beschäftigen, landet auch gerne mal in einem heimatlichen Dschungel. Das muss nicht unbedingt schlecht sein, aber je mehr Grün, desto mehr Aufwand bedeutet es auch. „Sattgrün“ von Molly Johnson, Robert Melvin, Aaron Mesburne, Kevin Russ und Shawn Stankewich, erschienen bei Kosmos, Flatout Games und AEG, simuliert den Zimmerdschungel als Puzzlespiel. Unsere Jurymitglieder haben in ihren jeweiligen Medien ihren grünen Daumen aktiviert und versucht, das perfekte Zuhause zu puzzlen.

„60 verschiedene Pflanzenarten spielen mit bei dem Einrichtungsoptimierer“, erklärt Maren Hoffmann das Spiel. „In einem vorgegebenen Raster legen wir Zimmerkarten aus und bestücken sie mit Pflanzenkarten sowie Möbeln und Haustieren. Dabei müssen wir auf die richtigen Lichtverhältnisse achten und auch auf passende Farben. Pflanzen bringen erst Siegpunkte, wenn man sie mit ausreichend Blättern bestücken konnte – dafür müssen sie sich wohlfühlen, genug Licht oder Schatten bekommen und vielleicht Wasser oder Dünger.“

„Alles gewinnträchtig miteinander zu verzahnen, ist ganz schön knifflig, macht aber großen Spaß“, schreibt Hoffmann. Positiv fällt ihr die Erklär-App auf, die Spielende durch die ersten Züge des Spiels leitet. Außerdem sei das Spiel schön anzusehen und könne auf verschiedenen Komplexitätsstufen gespielt werden. Dennoch gibt Hoffmann zu bedenken: „Für Einsteiger ist es trotzdem weniger empfehlenswert. Durch die vielen verschiedenen Marker und Wertungsoptionen ist es erst mal ziemlich unübersichtlich.“¹

Für Udo Bartsch ist „Sattgrün“ ein Spiel der Kompromisse: „Vielleicht hat das Möbelstück, das ich bekommen könnte, die richtige Farbe, aber nicht das gewünschte Symbol. Oder ich erhalte zusammen mit der gewählten Karte eine Gießkanne, was im Grunde gut ist. Nur kann ich sie gerade nicht lagern und auch nicht optimal einsetzen. Oder ich muss den Titanenwurz an einen Raum legen, der zu viel Sonne hat. Oder … oder.“ Partien könnten sich, schreibt er, recht unterschiedlich entwickeln, weil die Kartenauswahl zufällig sei.
„Einige meiner Mitspieler:innen mögen ‚Sattgrün‘ sehr“, schreibt Bartsch. Er selbst empfände es allerdings als „ziemlich unspannend, obwohl es rein handwerklich erst mal gar nichts zu bemängeln gibt: Man trifft relevante Entscheidungen, die Entscheidungen sind selten glasklar, die Spieldauer passt zur Spieltiefe, und vor allem: Das Spiel ist von Beth Sobel herausragend illustriert!“ Dennoch ist „Sattgrün“ ihm zu wenig Interaktion, zu viel „Handling“ der diversen Marker. „Die Raumwertungen muss ich oft für meine Mitspieler:innen mit ausrechnen, was mir zeigt, wie wenig eingängig sie sind“, schreibt er. „Insgesamt wirkt der Punktesalat eher aufgesetzt als thematisch begründet.“ Für Bartsch geht es in dem Spiel nicht darum, einen Garten zu erschaffen, sondern „ich befülle ein vorgegebenes abstraktes Raster“. Er habe das Gefühl, dass ihm hier „das nüchterne, poesielose Rastern von Karten als Naturthema“ untergejubelt werden solle.²

Auch Michaela Poignée findet „Sattgrün“ – trotz ihres Lobs der „gut geschriebenen, gut bebilderten“ Anleitung – in der Wertung unübersichtlich. Gerade bei der Zimmerwertung habe sie zweimal überlegen müssen. Außerdem ist ihr das Spiel oft zu „glückslastig“, sagt sie, und es gebe manchmal zu wenige Möglichkeiten, dagegen etwas zu tun. Zu zweit und zu viert spiele sich „Sattgrün“ nicht großartig unterschiedlich, bis auf den etwas höheren Kartendurchlauf. Jedenfalls wird sie nicht warm mit dem Spiel. „Ich fühle mich jetzt nicht so, als hätte ich mein eigenes Zuhause gepuzzelt, für mich ist es eher ein abstraktes Legespiel“, sagt sie.
Die Illustrationen hebt sie positiv hervor, gerade das Kartendesign mit Zusatzinformationen zu den einzelnen Pflanzen gefällt ihr.³

Tobias Franke fühlt sich – trotz seines Lobs der Spielgestaltung – von dem Spiel nicht thematisch abgeholt. Für ihn fühlt es sich an, als habe es zuerst die Mechanik gegeben, „und dann haben sie versucht, irgendein Naturthema draufzuklatschen.“ Beim Spielen selbst müsse viel dafür gesorgt werden, „dass die Auflage richtig aufgefüllt ist“ – er sei von dem Aufwand etwas „genervt“. Ebenso seien die Aktionsmöglichkeiten „absolut kleinteilig; das macht das Spiel auch so schwierig“. Wenig- oder Gelegenheitspieler:innen seien seiner Erfahrung nach von dem Spiel überfordert. Vielspieler allerdings könnten sich „an der Aufgabe erfreuen, weil das viele schöne Entscheidungen sind“. Es müssten immer Kompromisse eingegangen werden, empfindet er als die Stärke des Spiels. Der Wiederspielreiz sei hingegen überschaubar. „Das Spiel ist so ein bisschen zwischen den Stühlen“, fasst Franke zusammen. „Einerseits wollen sie durch das Thema neue Leute ranbringen, aber die werden überfordert, und die anderen sagen: Da fehlt der spielerische Reiz nach hinten raus.“ Dennoch meint er: „Wer auf anspruchsvolle Puzzle-Aufgaben steht, kann sich hier ausleben.“

¹ Spiegel.de: Schöner wohnen soll sich lohnen (kostenpflichtig)
² Rezensionen für Millionen: Sattgrün
³ Die Brettspieltester: Sattgrün
Cocktails for Meeples Folge 8: Sattgrüne Schatten