2000: Torres

Das Spiel

TORRES ist ein interaktives Bauspiel für 2 – 4 Spieler ab 12 Jahren.
Die Akteure sehen sich vor die Aufgabe gestellt, unter Einsatz von Aktionspunkten Burgen zu bauen und diese mit ihren Rittern an strategisch wichtiger Stelle zu besetzen. Eine Aufgabe, die auch optisch zu gefallen weiß, entsteht doch im Laufe der Partie aus den stapelbaren Bausteinen eine richtige kleine Burgenlandschaft. Je größer eine Burg gerät und je höher ein Ritter dort gelangt ist, desto mehr Gewinnpunkte gibt es dafür.
Ist man in einer Burg allein vertreten, droht zwar nur geringe Gefahr einer feindlichen Übernahme. Dafür geht es mit dem Bauen aber auch vergleichsweise langsam voran. Machen sich dagegen mehrere gemeinsam ans Werk, muss man mit dem Risiko leben, womöglich auf einer unteren Etage abgehängt zu werden. Wer bei den Zwischenwertungen hinten liegt, erhält zum Ausgleich das Recht, den König zu versetzen. Dadurch lässt sich eine neue Königsburg bestimmen, wo Sonderpunkte vergeben werden.
Für Abwechslung und Überraschungscoups sorgen Aktionskarten, die Sonderzüge beim Bauen und beim Bewegen der Ritter erlauben. Diese Karten werden in der Grundversion von einem gemeinsamen Talon gezogen. Das dabei waltende Glücksmoment lässt sich jedoch stark reduzieren, indem jeder Spieler einen Satz gleicher Karten erhält, aus dem er sich nach und nach bedienen kann. In einer sog. Meisterversion kommen dann noch Aufgabenkarten hinzu, deren erfolgreiche Erfüllung am Ende des Spiels weitere Punkte beschert.

Präsentation der Spiele zur Jahrtausendwende: Wolfang Kramer (links) und Michael Kiesling

Die Gründe

Dass TORRES sich nach intensiver Diskussion am Vorabend der Preisvergabe gegenüber seinen beiden Konkurrenten hat durchsetzen können, erklärt sich aus seinem variablen Anforderungscharakter und seiner daraus resultierenden Zugänglichkeit auch für reine Gelegenheitsspieler sowie seinem schnörkellosen Spieldesign. So zugänglich das Spiel einerseits ist, steckt es andererseits doch voll taktischer Finessen.
Interaktion ist großgeschrieben, wenn die für jeden Zug verfügbaren Aktionspunkte in ständig wechselnder Situation optimal zwischen Bauen und Bewegen der eigenen Ritterschar aufgeteilt sein wollen. Zwei Zwischenwertungen führen den Punktstand auf der Zählleiste vor Augen und halten die Spannung entsprechend hoch. Bemerkenswert schließlich, dass TORRES seinen Reiz als reines Denkspiel in der Meisterversion gerade auch im Duellmodus voll zu entfalten vermag.

Die Autoren

Das hat es in der Geschichte des Kritikerpreises Spiel des Jahres noch nie gegeben, dass Autor und Verlag es gemeinsam geschafft haben, ihren Vorjahreserfolg zu wiederholen. Wolfgang Kramer selbst war dies immerhin 1986/87 mit HEIMLICH & CO. (Ravensburger) und AUF ACHSE (F.X. Schmid) bei verschiedenen Verlagen gelungen. Gemeinsam mit Michael Kiesling, der 2018 noch einmal mit AZUL (Next Move/Plan B Games) triumphieren sollte, hat er in der Folgezeit weit über 30 weitere Spiele entwickelt.

Die Autoren und ihr preisgekröntes Spiel

Die Illustratorin

Mit ihrer Grafik hat die international renommierte italienische Illustratorin Alessandra Cimatoribus für das Geschehen auf dem Spielbrett ein stimmungsvolles Ambiente geschaffen. Mit wuchtiger Eleganz vereinen sich auf Schachtelcover, Spielbrett und Karten die Ansprüche an den Auftritt eines modernen Strategiespiels mit der Pracht des Mittelalters und seiner imposanten Burgenlandschaft.

Der Verlag

Nachdem der Ravensburger Spieleverlag mit der Auszeichnung von TIKAL im Vorjahr gerade erst eine längere Durststrecke beendet hatte, ist ihm wie schon 1982/83 mit SAGALAND und SCOTLAND YARD prompt wieder eine Titelverteidigung geglückt. Was auch auf das Konto der beiden Autoren geht, die sich dafür ausgesprochen hatten, die Veröffentlichung ihres bereits Anfang des Vorjahrs produktionsreifen Spiels zurückzustellen, um TIKAL keine hausinterne Konkurrenz zu machen. Dies dürfte auch der Grund gewesen sein, TORRES in einem anderen Schachtelformat zunächst unter dem Label „FX“ laufen zu lassen, das auf den 1996 übernommenen Verlag F.X. Schmid zurückgeht.

Nominierte Spiele

Um bis zuletzt für ungebrochenes Interesse zu sorgen, hatte die Jury wie bereits im Vorjahr noch zwei weitere Spiele für den Hauptpreis nominiert, die ebenfalls einen würdigen Preisträger abgegeben hätten.

Ums Bauen geht es auch bei OHNE FURCHT UND ADEL von Bruno Faidutti (Hans im Glück). Es steckt voller Witz, vom Titel über die Grafik bis hin zum Spielgeschehen, und gefällt durch spielerische Leichtigkeit, ohne in Gefahr zu geraten, von anspruchsvollen Spielern als zu seicht abgetan zu werden. Es Kartenspiel zu nennen, wäre etwas irreführend, obwohl das Spielmaterial außer Plastikchips tatsächlich nur aus Karten besteht. Diese werden aber nicht wie gewohnt ausgespielt, gesammelt oder ausgelegt, sondern bieten den Teilnehmern von Runde zu Runde verschiedene Rollen an, in die sie schlüpfen können, um ihrem Ziel näher zu kommen, aus acht möglichst wertvollen Bauwerk-Karten eine Stadt zu errichten.
So kann es verlockend sein, als Dieb einen Mitspieler zu bestehlen. Doch lässt sich nur spekulieren, in welcher Rolle dieser gerade unterwegs ist. Womöglich hat er gar als Meuchler vorgesorgt, dass der Dieb in dieser Runde das Zeitliche segnet. Aber auch die anderen Rollen bieten je nach Spielsituation verschiedene Vorteile. So erzielt der Händler höhere Einnahmen, vermag der Baumeister mehrere Gebäude auf einmal zu errichten, oder sichert sich der König das Recht des ersten Zugriffs auf die in der nächsten Runde wieder zur Auswahl stehenden Charakterkarten.

Mit bestechend schöner Aufmachung und ungewöhnlicher Ausstattung verfügt CAROLUS MAGNUS von Leo Colovini (Winning Moves) über enormen Aufforderungscharakter. Das Reich Karls des Großen ist in 15 Provinzen unterteilt, die zu einem lockeren Kreis ausgelegt werden. In diesen Provinzen mit ihren Anhängern Mehrheiten zu erringen und daraus immer größere Regionen zu formen, ist das Ziel. Dazu holen sich die Akteure Ritter der verschiedenen Adelsgeschlechter an ihren Hof oder schicken diese direkt in die Provinzen, wo sie den Kaiser erwarten, der als neutrale Figur seine Runden dreht, um sein Plazet zum Bau einer Burg zu erteilen.
Dies wiederum ist auf raffinierte Weise mit der Zugreihenfolge verknüpft, die mithilfe von Zahlenchips in jeder Runde neu festgelegt wird. Wer Wert darauf legt, möglichst früh an die Reihe zu kommen, kann den Kaiser nur kleine Schritte machen lassen. Wer dagegen zunächst zurücksteckt, erlangt dafür die Möglichkeit, längere Züge auszuführen. Viele interessante Elemente fügen sich zu einem homogenen Ganzen. Dass der Vorrat an verfügbaren Rittern nachgewürfelt werden muss, birgt ein gewisses Glückselement, das jedoch zu einem Familienspiel passt, indem es die Spannung steigert und jedem eine Chance auf den Sieg lässt.

Empfohlene Spiele

Mit neun Titeln ist die alphabetische Auswahlliste noch etwas länger geraten als im Vorjahr, was bereits einiges über die Einschätzung der qualitativen Breite des Angebots durch die Jury aussagt. Zugleich dürfte dadurch mit Sicherheit für jeden Geschmack etwas Passendes dabei sein.

Wolfgang Pannings KARDINAL (Holzinsel) verlangt mit seinen strengen Bauvorschriften geschicktes Vorgehen beim Verbrauch des eigenen Vorrats. So dürfen Bauwerke gleicher Art oder Farbe nicht nebeneinander stehen oder unmittelbar nacheinander errichtet werden, müssen Höfe an ein Haus grenzen, und verlangen Türme ein Haus in direkter Nachbarschaft. Zugleich sollte ein neu platziertes Gebäude möglichst viele Seitenkontakte zu bereits vorhandenen aufweisen, weil dies Punkte in deren Farbe einbringt. Wogegen der zuvor agierende Konkurrent natürlich Vorsorge trifft, indem er das derzeit gewinnträchtigste Bauland durch den Kardinal blockiert.

KARDINAL & KÖNIG von Michael Schacht (Goldsieber) versetzt die Teilnehmer ins Mitteleuropa des 12. Jahrhunderts. Durch Ausspielen von Karten gründen sie in den verschiedenen Königreichen Klöster und bringen Räte ihrer Couleur an die Höfe der Herrscher, um bei Zwischen- und Schlusswertung an entscheidenden Stellen Mehrheiten vorweisen zu können. Drei Handkarten erlauben maximal zwei Aktionen in genau einem Land. Und da die Karten zumeist zwei Länder betreffen und als Pärchen sogar für eine Aktion in einem Drittland eingesetzt werden können, lässt sich das bei einem solchen Spiel obligate Glücksmoment mit taktischem Geschick gut in den Griff bekommen.

Als Renaissancefürsten gründen die Spieler in Gerd Fenchels LA CITTÀ (Kosmos) Städte, die zunächst weit auseinander liegen und nur die Grundbedürfnisse ihrer Bürger befriedigen, durch kulturelle Einrichtungen wie Hospitäler, Universitäten oder Bäder aber immer attraktiver werden und damit Bürger benachbarter Städte anlocken. Diese Zuwanderer wollen freilich mit Nahrung versorgt sein, was den Bau neuer Bauernhöfe bedingt. Zudem muss man stets darauf gefasst sein, dass im Laufe der Partie die Vorlieben der Bewohner wechseln und sie einem in Scharen wieder davonlaufen und damit manches mühsam errichtetes Bauwerk dem Verfall preisgeben.

METRO von Dirk Henn (Queen Games) ist ein ruhiges Legespiel um den Bau der Pariser U-Bahn, an dem sich auch schon Kinder ab 8 Jahren mit großem Vergnügen beteiligen können. Es geht darum, von den eigenen Startbahnhöfen aus möglichst lange Schienenstränge auszulegen. Gelingt es dabei, eine Linie zu einer Zielstation im Zentrum zu führen, wird deren Punktwert sogar verdoppelt. Da jedoch die Plättchen mit ihren unterschiedlichen Gleisstücken verdeckt gezogen werden und man in der Grundversion lediglich ein weiteres Plättchen auf der Hand hält, lässt sich die gewünschte Richtung natürlich nicht so ohne weiteres einhalten.

Als Piraten der Karibik müssen sich 3 oder 4 Akteure in Wolfgang Pannings PORT ROYAL (Queen Games) behaupten. Nicht auf Kaperfahrt, sondern bei der Teilung der Beute und Beladung ihrer Schiffe. Davon hat jeder vier vor Anker liegen, die es mit Zwieback, Schießpulver, Rum oder Tabak zu füllen gilt. Wer beim Schachern um die Beute zu gierig zulangt, dem kann es passieren, das eine oder andere seiner Schiffe wegen Überladung absaufen zu sehen. Um die Chancen bei der Verteilung der Beute zu verbessern, können zu Beginn jeder Runde Privilegien ersteigert werden. Quasi auf Pump, wobei das Höchstgebot nur mit dem in dieser Runde erzielten Anteil beglichen werden kann.

Mit seinem umfangreichen Regelwerk fiele Reiner Knizias TADSCH MAHAL (Ravensburger/alea) heute zweifelsohne in die erst 2011 geschaffene Kategorie eines Kennerspiels. Selbstdisziplin und Verzichtsbereitschaft sind das Gebot der Stunde, um im Laufe einer Partie wenigstens drei- oder viermal aus einer Position der Stärke die eigenen Pläne realisieren zu können, während man dazwischen darauf achten muss, mit geringem Einsatz zumindest ein kleines Eckchen vom gerade servierten Stück der großen Torte abzubekommen. Beim Ringen um Einfluß in den Provinzen des indischen Subkontinents bringt frühes Aussteigen aus einer Versteigerung neben einer Schonung der Ressourcen auch eine größere Auswahl, um die Kartenhand gezielt auffüllen zu können.

Auch VINCI von Philippe Keyaerts (Eurogames) ist etwas für den Spielgourmet, der bereit ist, sich mit einem komplexeren Regelwerk vertraut zu machen. 3 – 6 Strategen führen Zivilisationen mit den unterschiedlichsten Eigenschaften, die in stets neuen Kombinationen auftreten. Diese Zivilisationen breiten sich nach und nach zu immer größeren Reichen aus und geraten dabei bald in Konflikt miteinander. Wer glaubt, das Potenzial seines Reiches ausgeschöpft zu haben und es nicht mehr zusammenhalten zu können, darf er es aufgeben und eine neue Zivilisation übernehmen. Wann er dies tut, hängt freilich auch davon ab, ob sich im aktuellen Angebot etwas hinreichend Attraktives findet.

Bei ZÈRTZ, einem abstrakten Denkspiel für zwei Personen von Kris Burm (Schmidt Spiele), beschleicht einen schon nach wenigen Zügen das Gefühl, total vermintes Gelände zu beschreiten. Auf die Ringe, aus denen sich das Gelände zusammensetzt, platzieren die beiden Kontrahenten abwechselnd verschiedenfarbige Kugeln aus einem gemeinsamen Vorrat. Da sie anschließend noch einen freien Ring entfernen müssen, schmilzt das Gelände kontinuierlich dahin. Bereits ausliegende Kugeln können in Dame-Manier übersprungen und dadurch in Besitz genommen werden, um mit der Hälfte der Kugeln einer beliebigen Farbe oder zwei Kugeln in jeder Farbe die Partie zu gewinnen.

Angenehm leicht verdauliche Kost bietet ZOFF IM ZOO von Doris Matthäus und Frank Nestel (Spiele von Doris und Frank). Ein pfiffiges Ablegespiel, bei dem man entweder genau so viele Karten einer Tierart ausspielen muss, die in der Hackordnung über der gerade vorgelegten steht, oder exakt eine Karte mehr von derselben Tierart. Gut abgestimmte Brechungen bringen zusätzliche Würze. So vermag die allen anderen Landtieren unterlegene Maus als einzige den mächtigen Elefanten in die Flucht zu jagen, oder lässt sich aus der ebenfalls schwachen Mücke gemäß der gängigen Redensart ein Elefant machen, wenn man ihr einen solchen zur Seite stellt.

Sonderpreis

Der Sonderpreis Kinderspiel ging an ARBOS von Armin Müller und Martin Arnold, die es im Eigenverlag M+A-Spiele herausgebracht haben. Ein ungemein stimmiges Geschicklichkeitsspiel aus Holz, das in einer unscheinbaren kleinen Schachtel aus brauner Pappe daherkommt, mit einer Spielanleitung, die bequem auf eine Schachtelseite passt. Als Baum dient ein unterseitig runder Sockel, in dessen Öffnung ein Stamm gedrückt wird. Bis zu acht Gärtner ab sechs Jahren können nun allein oder reihum versuchen, Äste und Blätter in die kleinen Löcher auf Stamm und Ästen zu stecken.
Was so einfach klingt, ist dies keinesfalls. Denn die Löcher sind allesamt ein bisschen zu groß gehalten, sodass die Teile keinen rechten Halt darin finden und das langsam wachsende Bäumchen immer wackliger wird. Und je nachdem, wie tief man den Stamm in den Sockel gesteckt hat, mehr oder weniger wild zu schwanken beginnt, bis es schließlich einen Teil seines Geästs wieder abwirft. Die Möglichkeit, den Schwierigkeitsgrad stufenlos zu verändern und damit dem feinmotorischen Leistungsvermögen anzupassen, macht ARBOS zu einem generationsübergreifenden Spiel von schier unerschöpflichem Wiederspielwert.

Die weitere Entwicklung

Eine Tochtergesellschaft, die Ravensburger Interactive Media GmbH, brachte noch im selben Jahr auf Kassette ein Hörspiel mit dem Titel „Torres – Kampf um die Burgen“ heraus. Ein kleiner Krimi mit einem Schuss Humor für Zuhörer ab acht Jahren. Themengerecht geht es auch hier für die Nachkommen des Königs darum, am schnellsten die beste Festung zu errichten, gleichzeitig aber auch der Konkurrenz Steine in den Weg zu legen. Über den verkaufsfördernden Titel hinaus kommt die kleine Kassettenbox auch optisch wie eine Miniaturausgabe des Spiels daher.

In derselben Optik erschien 2003 bei Dartmoor Games eine Umsetzung für den PC auf CD-ROM. Diese wartet mit einem animierten 3D-Spielbrett auf und bietet bei freier Kamerabewegung eine Wahl der Perspektive. Neben einem Alleinspieler-Modus mit maximal drei Computergegnern besteht zudem die Möglichkeit, online gegen menschliche Kontrahenten anzutreten.

TORRES konnte sich nur bis 2003 im Programm halten. Doch bereits 2005 erlebte es beim US-Verlag Rio Grande Games eine Auferstehung in neuem Gewand (Vertrieb: Abacusspiele). Schließlich kam es 2017 zu einer weiteren Ausgabe bei HUCH!. Dort folgte 2023 sogar noch eine TORRES FAMILY genannte und entsprechend entschärfte Variante mit zwei grundverschiedenen Szenarien vom selben Autorenpaar. Während Aufgabe und Baumaterial in Form quadratischer Plastikteile mit der Anmutung zinnenbewehrter Burgmauern im Wesentlichen unverändert geblieben sind, wird der Materialnachschub hier nunmehr durch Farbwürfel gesteuert.

Jochen Corts (Mai 2025)