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Spiel des Jahres 1980: Rummikub

Spiel des Jahres 1980: Rummikub von Ephraim Hertzano

Schon der Name deutet es an. RUMMIKUB ist ein ROMMÉ-Abkömmling. Wie in diesem allseits bekannten Kartenspiel mit 104 Karten nebst Jokern geht es darum, sich durch Ablegen von Zahlenfolgen oder Gruppen gleicher Zahlen als Erster leer gespielt zu haben und zur Belohnung die verbliebenen Werte der anderen als Punkte zu kassieren. Doch die Regeln sind an zwei Stellen entscheidend modifiziert.

Eine der beiden Modifikationen ist überhaupt nur dadurch vernünftig durchführbar, dass die Karten durch griffige Steine aus Kunststoff im DOMINO-Format ersetzt worden sind. Wer nicht auslegen kann, weil er noch nicht auf die dafür erforderliche Mindestpunktzahl kommt, muss anders als im Kartenspiel die neu aufgenommenen Steine behalten, wofür eine kleine Ablagebank wertvolle Dienste leistet und vor Einblick durch die Mitspieler schützt. Außerdem ist jetzt erlaubt zu manipulieren, indem man nach Herzenslust eigene und fremde Auslagen unter Einbeziehung neuer Steine umsortiert, was natürlich ein Zeitlimit erforderlich macht.

Die Gründe

Die kleinen, aber feinen Änderungen am Regelwerk und der Wechsel vom Medium Karte zum Spielstein haben RUMMIKUB nach Ansicht der Jury eine ganz eigene Ausstrahlung verliehen. Beim schier unbegrenzten Umbau sämtlicher Auslagen sehen sich die Teilnehmer einer spürbar größeren Herausforderung gegenüber als beim bloßen Anlegen und Austauschen von Jokern. Die materielle Umsetzung ist dafür nicht nur hilfreich, sondern verschafft zugleich ein angenehmes haptisches Erlebnis. Auf diese Weise ist es gelungen, einem überkommenen Spielprinzip neues Leben einzuhauchen, wie ja auch der überwältigende Anklang bestätigt, den dieses Spiel weltweit gefunden hat.

Der Autor

Die Autorenschaft nimmt Ephraim Hertzano in Anspruch. 1913 als Friedrich Hertanu im rumänischen Herta geboren, wanderte er 1951 mit der ganzen Familie unter Änderung seines Namens nach Israel aus. RUMMIKUB will er bereits Anfang der 1930er Jahren entwickelt und sodann 1974 auf der Internationalen Spielwarenmesse in Nürnberg präsentiert haben. Vor diesem Hintergrund ist jedenfalls einer 1986 in den Niederlanden von seinem dortigen Importeur gegen einen Konkurrenten erhobenen Klage stattgegeben worden.

Der Verlag

Die beiden Inhaber der extra zu diesem Zweck gegründeten Intelli Vertriebsgesellschaft, Gösta Thomsen und Uwe Jebens, haben ein gutes Näschen für das Potential des Spiels bewiesen, indem sie sich den Alleinvertrieb für die Bundesrepublik Deutschland sicherten. Leider kam es schon bald zu erheblichen Lieferproblemen mit dem Hersteller in Israel. Ein dort geführter Rechtsstreit wurde zwar gewonnen, kostete aber viel Zeit und Geld und brachte letztlich nichts ein. Da auch der Versuch scheiterte, sich durch Übernahme des Programms des italienischen Verlags International Team zu sanieren, hat sich Intelli nicht mehr lange halten können.

Der Spielejahrgang

Aufgrund von Mehrfachnennungen im Wertungslauf sind noch sechs weitere Spiele auf die sogenannte Auswahlliste gelangt. Spiele, die sich allesamt durch Originalität und hohen Unterhaltungswert auszeichnen und ganz andere Vorlieben als das Siegerspiel bedienen. Zwei davon haben in der Folgezeit sogar ihrerseits den Sprung auf die oberste Stufe des Siegertreppchens geschafft.

Das auf Platz 2 verwiesene FOCUS von Sid Sackson (Parker) ist 1981 selbst zum Spiel des Jahres gekürt worden. Die Steine beider Parteien stehen zu Beginn dicht gedrängt nebeneinander. Durch Aufspringen können Türme aus eigenen und fremden Steinen gebildet werden, deren Zugweite sich nach ihrer Höhe richtet. Für kürzere Züge werden die dafür nicht benötigten Steine kurzerhand zurückgelassen, wodurch sie nunmehr einen neuen Turm bilden. Sobald ein Turm über fünf Steine hinauswächst, werden überzählige Steine von unten entfernt. Solche des Gegners gelten damit als geschlagen, eigene bilden dagegen eine Reserve und können wie Fallschirmjäger wieder eingesetzt werden.

Beim drittplatzierten EPAMINONDAS von Robert Abbott (Bütehorn) geht es darum, mehr Steine auf der Grundlinie des Gegners zu postieren als dieser auf die eigene durchgebracht hat, wobei ihm stets noch ein Antwortzug zusteht. Während einzelne Steine in jeder Richtung ein Feld weit kommen, können Reihen von Steinen entsprechend deren Anzahl gemäß ihrer Ausrichtung vorrücken. Trifft eine solche Phalanx auf einen einzelnen Stein oder eine schwächere Phalanx des Gegners, so werden diese geschlagen. Auch die stärkste Phalanx ist jedoch an ihren Flanken verwundbar und kann leicht zerstückelt werden, weshalb sie immer wieder rechtzeitig neu ausgerichtet sein will.

Für die Teilnahme an einem Rennen in NIKI LAUDAS FORMEL 1 von Wolfgang Kramer (ASS) müssen die Akteure zunächst einmal ein Fahrzeug ersteigern. Worauf man bietet, hängt von den Rennkarten ab, die man erhalten ab. Wie hoch man dabei geht, richtet sich nach der erwarteten Platzierung und der dafür gezahlten Prämie. Seinen Reiz zieht das Geschehen daraus, dass mittels einer Karte zumeist nicht nur die Zugweite des eigenen Wagens bestimmt wird, sondern auch die einiger der Konkurrenz. Die Kunst besteht darin, seine Karten so auszuspielen, dass davon besonders begünstigte gegnerische Wagen gerade so eingeklemmt sind, dass sie zumindest einen Teil ihrer Bewegungspunkte verfallen lassen müssen.

Beim elektronischen Detektivspiel HEISSE SPUR von Robert Doyle (Parker) bekommen die Detektive zwar außer dem Steckbrief eines Einbrechers nichts zu sehen, werden aber vom Fahndungscomputer durch knarrende Türen, klirrende Fenster oder Straßengeräusche über seine Bewegungen auf den Feldern des Spielplans unterrichtet. Wer meint, den Standort des Täters herausgefunden zu haben, darf ihn mit seiner Figur von einem benachbarten Feld aus verhaften und sich über eine Belohnung freuen. Hat sich der Detektiv dagegen geirrt, muss er wegen falschen Alarms eine Strafe zahlen, während sich die ausgesetzte Belohnung erhöht.

Mit GALAXIS von David Wells (Ravensburger) folgt auf Platz 6 ein weiteres Elektronikspiel. Hier geht es um die Suche nach vier im Weltall verschollenen Raumschiffen. Der Computer erteilt jeweils Auskunft, ob und wieviele davon durch ausgesandte Suchsignale geortet worden sind. Aufgabe der Teilnehmer ist es, anhand dieser Informationen möglichst schnell die genauen Positionen zu ermitteln. Ein Sichtschutz verhindert ein Ausspähen der vorgenommenen Einstellungen des Gegners. Mittels eines Zeitlimits lässt sich noch zusätzlich Druck aufbauen. Wer mag, kann sich auch allein in die Tiefen des virtuellen Weltraums begeben.

Dem diesmal noch auf dem letzten Platz eingelaufenen DAMPFROSS von David Watts (Bütehorn) war es vorbehalten, vier Jahre später in überarbeiteter Fassung bei einem anderen Verlag als Sieger ins Ziel zu gehen. In Phase 1 bauen die Teilnehmer zunächst ein Schienennetz, bei dem sich die Kosten nach dem jeweiligen Gelände richten. Sobald alle Städte angeschlossen sind, beginnt die Betriebsphase, in der per Würfelkraft Wettfahrten ausgetragen werden. Während man auf eigenen Gleisen kostenlos vorankommt, will die oft unvermeidliche Benutzung fremder Gleisabschnitte vergütet werden. Schmerzliche Fehlausgaben, wenn man nicht selbst als Gewinner die Siegprämie einstreicht.

Sonderpreise

Einstimmig wurde SPIEL als „Das schöne Spiel“ befunden. Erdacht von Reinhold Wittig und hergestellt in seiner Edition Perlhuhn, trägt es einen ebenso schlichten wie bei genauerer Betrachtung fast anmaßenden Titel. Als Spielfläche dient eine dreieckige Alu-Platte, deren Oberfläche Vertiefungen ähnlich einem Waffeleisen aufweist. Bis zu 300 Augenwürfel in verschiedenen Farben können dort nach einer Fülle verschiedener Regeln abgelegt und übereinander getürmt werden. Komplett gefüllt ergibt sich eine Pyramide mit drei glatten Außenseiten, deren Anblick von bemerkenswertem ästhetischen Reiz ist.

Gleich im zweiten Jahr ihres Bestehens hat sich die Jury veranlasst gesehen, einen „Sonderpreis für das beste Solitärspiel“ zu vergeben. Zu groß war die Faszination, die vom RUBIK’S CUBE ausging, damals noch von Arxon als Zauberwürfel vermarktet. Ernö Rubiks Geniestreich besteht aus 26 Teilen, die sich um alle drei Achsen drehen lassen. Jede der sechs Seiten zeigt in jungfräulichem Zustand eine andere Farbe. Schon nach wenigen Drehungen entsteht ein Farbchaos, das sich nur nach intensiver Beschäftigung oder Heranziehung einer Lösungsanleitung wieder beheben lässt. Mit weltweit über 450 Millionen verkauften Exemplaren ist dieses kleine Wunderding inzwischen zum meistverkauften Spielzeug aller Zeiten avanciert.

Die weitere Entwicklung

RUMMIKUB, dessen Vertrieb in Deutschland seit 1986 in den Händen der Jumbo Spiele GmbH liegt, hat sich weltweit bislang mehr als 60 Millionen Mal verkauft und liegt damit bei den Familienspielen auf Rang 3. Das Original wird flankiert von diversen Ausgaben mit Varianten, unter anderem solchen mit Wörtern und Würfeln. Von 1991 bis 2015 wurde alle drei Jahre eine Weltmeisterschaft ausgetragen. Zur vorerst letzten in Berlin war noch einmal Ephraim Hertzanos Sohn Micha aus Israel angereist. Deutsche Meisterschaften finden auch weiterhin statt.

Jochen Corts (Mai 2020)