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Nürnberg: Diskussionen über Repräsentation

Spiele sind Medien der Unterhaltung, Information oder Bildung, aber auch Ausdrucksmittel politischer Botschaften. In jedem Fall sind sie gesellschaftlich relevant und damit auch ein wünschenswerter Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen (die leider immer noch viel zu selten stattfinden).

Im Sommersemester 2022 fand deshalb unter der Leitung von Dr. Peter Podrez am Institut für Theater- und Medienwissenschaft ein MA-Seminar zur Spieleforschung statt. Das Thema „Playing with Race – Kontruktionen von Ethnizität in analogen und digitalen Spielen“ schlug eine Brücke zur Initiative „Spielend für Toleranz“. Denn ob Repräsentationen verschiedener Kulturen in Brettspielen wie „Freedom: The Underground Railroad“, ob rassistische Stereotype in Kartenspielen wie dem „Schwarzen Peter“, ob kolonial geprägte Fremdheitsvorstellungen in digitalen Games wie der „Civilization“-Reihe oder die Möglichkeit, diverse People of Color-Avatare in Spielen wie „The Sims 4“ zu erstellen – Spiele konstruieren, (re-)produzieren, transportieren (und gelegentlich auch: subvertieren) Bilder von Ethnizität. Und dadurch konfrontieren sie uns mit der Frage, wie wir mit diesen Bildern umgehen.

Kampf gegen Eindringlinge: „Spirit Island“

Im Seminar gingen die Studierenden aktuellen und vergangenen Darstellungen von Ethnizität in Spielen auf den Grund, indem sie sie theoretisch hinterfragten, historisch einordneten und analytisch untersuchten. Dafür wurden einerseits Ansätze aus den Cultural Studies und den medienwissenschaftlich perspektivierten Postcolonial Studies zu Rate gezogen, andererseits kamen Konzepte der analogen Spieleforschung und der digitalen Game Studies zum Einsatz. Die konkreten Untersuchungsgegenstände entstammten der gesamten Palette von Spielen: von französischen Spielkarten über klassische und neuere Gesellschaftsspiele wie „Risiko“ oder „Spirit Island“, von Pen & Paper-Spielen à la „Dungeons and Dragons“ bis hin zu digitalen Spielen wie „Super Mario“ oder „Grand Theft Auto“.

Spielebilder des Wilden Westens: „Buffalo Bill“ und „Indian Wars“

Entscheidend war die Arbeit nahe am Material. Und so spielten und referierten, arbeiteten und diskutierten die Studierenden auf Grundlage wissenschaftlicher Lektüre im Seminarraum, aber auch bei einer Exkursion in das Deutsche Spielearchiv Nürnberg. Dort wurden sie durch verschiedene Sammlungen geführt, die über 40.000 Gesellschaftsspiele aus fünf Jahrhunderten umfassen. Im Workshopcharakter lernten sie mehr über die museale und archivarische Arbeit mit analogen Spielen. Anschließend konnten sie (seltene) historische Spiele mit Propagandainhalten untersuchen und ihre Ergebnisse präsentieren, wobei auch die Mitarbeiter:innen des Archivs interessiert zuhörten.

Studierende präsentieren und diskutieren

Die Diskussionen rund um das Seminar waren intensiv, gelegentlich kontrovers – was erfreulich ist, denn die Universität soll immer ein Ort des freien Meinungsaustauschs sein – und, so die Rückmeldungen, überaus konstruktiv. Die Studierenden fragten sich, wann und wo Rassismus und Diskriminierung im Spiel beginnt, wie einflussreich westlich-kolonialistische Denkmuster immer noch sind, wie man ‚fremden‘ Kulturen spielerisch begegnen kann, sie entdeckten klischeehafte ethnische Einschreibungen in Spielen (auch dort, wo sie sie gar nicht vermuteten) und machten sich Gedanken, auf welchen Wegen diese zu überwinden wären. Der gegenseitige Austausch trug dazu bei, die wissenschaftliche Beschäftigung mit Spielen einzuüben, die politischen Dimensionen von Spielen wahrzunehmen und selbst darüber zu reflektieren, wie ‚spielend tolerant‘ man ist.

Dr. Peter Podrez