„Pictures“ ist ein tolles Spiel, sagte die Studentin Hagar beim „Spielend für Toleranz“-Abend im Moerser Kulturzentrum Bollwerk. Der Verein Spiel des Jahres hatte zehn Israelis zu Spielen, Essen und Getränken eingeladen, um erneut ein Zeichen für Zusammenhalt sowie gegen Antisemitismus und Rassismus zu setzen.
Die vom Verein Kulturprojekte Niederrhein eingeladene Gruppe des Academic College Tel Aviv-Yaffo war bemerkenswert zusammengesetzt: Sie bestand je zur Hälfte aus jüdischen und palästinensischen Israelis. Denn die im arabisch geprägten Stadtteil Yaffo gelegene Hochschule engagiert sich mit Nachdruck für Integration und Gemeinschaft, was im meist sektoral aufgestellten israelischen Bildungssystem nicht oft vorkommt.
Acht Studierende und zwei Angestellte der Hochschule waren an den Niederrhein gereist. Wirklich gekannt haben sie sich zuvor nicht, denn im Alltag gibt es zwischen jüdischen und arabischen Israelis nicht viele Kontakte, zumal sie von Informatik bis Psychologie unterschiedliche Fächer studieren. Nach dem Anreisetag und ersten Programmpunkten war der Abend im Bollwerk die Chance zum wirklichen Kennenlernen. Das gelang beim Spielen besser und intensiver, als dies mit anderen Beschäftigungen funktionieren würde. Denn bei einem neuen Brettspiel fangen alle mit genau den gleichen Voraussetzungen an, sind absolut gleichberechtigt und agieren in ungezwungener Atmosphäre mit den anderen. Beim Kommunikationsspiel „Pictures“ gelang das vorbildlich, aber auch die Kartenspiele „Lama“ und „Trio“ kamen in der Gruppe sehr gut an.
Entstanden ist der Kontakt zwischen dem Kulturprojekte Niederrhein e.V. und dem Academic College unmittelbar nach dem 7. Oktober mit seinen Massakern auf dem Nova-Musikfestival und den Kibbuzim. Auch Studierende der Hochschule und deren Familien waren betroffen, unter anderem weil sie selbst auf dem Nova-Festival waren, aus den betroffenen Kibbuzim stammen oder familiäre Verbindungen in den Gaza-Streifen haben. Von psychischer bis zu materieller Unterstützung musste das College erhebliche Herausforderungen bewältigen. Kulturprojekte Niederrhein übernahm deshalb eine Patenschaft und organisierte sofort eine Spendensammlung sowie ein großes Solidaritätskonzert in Duisburg.
Ein Ziel war es immer, Studierende nach Deutschland einzuladen, was nun mit finanzieller Unterstützung der NRW-Landesregierung gelang. Für die Gruppe war dies eine Auszeit von dem Leben unter der latenten Kriegsbedrohung. Das war auch auf dem Spieleabend in Moers spürbar: Die Atmosphäre beim Spielen war locker und befreit, obwohl viele Teilnehmende das erst Mal in Deutschland waren und der Aufenthalt viele Herausforderungen und Unbekanntes bereithielt.
Auf dem Programm standen Gespräche und Workshops in mehreren Schulen und der Hochschule Rhein-Waal sowie das ausdrücklich gewünschte „Kennenlernen deutscher Kultur“ in ihrer Vielfalt. Die Studierenden der Tel Aviver Hochschule erfuhren im Bollwerk, welche Ziele „Spielend für Toleranz“ hat und – ganz praktisch – welche Bedeutung das „Kulturgut Spiel“ in Deutschland hat.