Suche
Suche Menü

Empfehlungsliste Kennerspiel des Jahres: Khôra

Mal wieder die Alten Griechen. Immer wieder müssen sie herhalten, um ein Spiel thematisch einzurahmen. Was sollen sie auch tun: Sie können sich ja nicht mehr wehren. Nun wäre das auch gar nicht nötig. Denn „Khôra – Aufstieg eines Imperiums“ (vom Head Quarter Simulation Game Club, erschiene bei Iello) ist ein wahrlich vorzügliches Strategiespiel. Tauchen wir also ein in eine Epoche rund zweieinhalbtausend Jahre vor unserer Zeit.

Wir werben um Bürger, erhöhen die Steuern, befehligen Truppen. Wir festigen die Wirtschaft, unterstützen die Kultur, stärken das Militär. Und streben natürlich nach Ruhm. Festgehalten werden diese Erfolge auf allerlei Skalen und Leisten. Auf dem zentralen Spielplan oder auf unserem persönlichen Tableau. „Khôra“ wirkt abstrakt. Zumal am Ende auch schlicht Siegpunkte über Triumph und Niederlage entscheiden – im Wettbewerb darum, die eigene Stadt zu einem Imperium auszubauen.

Doch „Khôra“ ist weder abstrakt noch schlicht. Dieses Spiel ist eine Schönheit auf den zweiten Blick. Weil es sowohl in der Zusammenstellung seiner Mechanismen als auch in den grafischen Elementen elegant daherkommt. Die Bewunderung für das Gesamtpaket wächst von Partie zu Partie. Zumal die sieben zu entwickelnden Städte, aus denen ich zu Beginn eine auswähle, ganz unterschiedliche Strategien erfordern. Olympia etwa ist für Kulturförderer, Sparta setzt ganz aufs Militär. Keine Stadt spielt sich wie die andere – weil jede andere Entwicklungsstufen hat, die möglichst erreicht werden sollten.

Kern des Spiels ist der Mechanismus zur Auswahl von Aktionen. Zwei von sieben kann ich pro Runde nutzen. Später vielleicht auch drei. Dazu ordne ich meine beiden Würfel jeweils einem Aktionsplättchen zu. Diese haben Werte von 0 bis 6. Um eine Aktion ausführen zu dürfen, muss ich mindestens die entsprechende Augenzahl gewürfelt haben. Je höher der Wert, desto stärker die potenziell mögliche Aktion. Was natürlich immer wieder zu Verfluchungen führt, wenn bei mir eine Eins und Zwei zu sehen sind – und nebenan zwei Fünfen.

Um aber nicht allzu sehr dem Glück ausgesetzt zu sein, kann ich Bürger einsetzen, die das Würfelergebnis manipulieren. Letztlich nehmen die Würfelergebnisse weniger Einfluss, als man zunächst vermuten könnte. Ferner braucht’s auch die Aktionen mit kleineren Zahlen, um später überhaupt stärkere Züge machen zu können.
Beispiel: Neue Politikkarten, die einmalige oder fortwährende Vorteile gewähren oder am Ende Punkte generieren, gibt es mit der Einser-Aktion „Gesetzgebung“, um sie auszuspielen ist das Fünfer-Aktionsplättchen „Politik“ nötig. Und wie wir uns leicht vorstellen können: Der Weg zu einem Imperium ist leichter, wenn er von der richtigen Politik begleitet wird.

Um den Raum der politischen Entscheidungen anfangs nicht allein dem Zufall zu überlassen, werden die Karten für die Starthand gedraftet. Dabei sollte jeder darauf achten, Karten zu behalten, die leicht ins Spiel gebracht werden können. Denn oftmals sind Bedingungen daran geknüpft. Es braucht etwa Geld oder Wissen in Form von Wissensmarkern.
Wer sein Wissen nicht im friedlichen (und teuren) Handel anreichert, muss aufs Schlachtfeld ziehen (mit der Vierer-Aktion). Schließlich hat niemand gesagt, dass es vor zweieinhalbtausend Jahren eine friedliche Zeit war. Im Gegenteil: Wer auf Militär setzt, erhöht nicht nur Ruhm und die Zahl seiner Wissensmarker (was Schlüssel zur Entwicklung der eigenen Stadt ist und im Zusammenspiel am Ende Punkte liefert), sondern profitiert oft noch von den Ereignissen, die Runde für Runde abgehandelt werden. Pazifisten müssen leidensfähig sein. Konfrontationen richten sich jedoch nicht direkt gegen Mitspieler. Gleichwohl bedeuten sie Interaktivität, weil die Zahl der verfügbaren Marker begrenzt ist.

Am wichtigsten jedoch ist, das Voranschreiten auf den drei Leisten auf dem persönlichen Tableau seiner Strategie anzupassen. Wer Olympia vertritt, muss sich auf der Kulturskala engagieren. Sparta fordert Verbesserungen auf der Militärleiste. Denn der Fortschritt auf diesen Leisten ist eng gekoppelt an die Stärke der einzelnen Aktionen. Das ist einfach stimmig. Und löst den Reiz aus, immer wieder in die Welt der antiken Städte zu reisen.
Neben der spielerischen Eleganz überzeugt „Khôra“ zudem über eine gut strukturierte Regel und einen klaren Rundenablauf. Bis auf die Abwicklung der Aktionen können viele Dinge parallel ausgeführt oder geplant werden, was einen flüssigen Spielablauf erzeugt. Zumal auf jedem Tableau der Rundenablauf skizziert wird. Nach neun Runden schließlich wird abgerechnet. Was in den meisten Partien ein spannendes Finale bedeutet.

Karsten Grosser