Kritikenrundschau: Slay the Spire – zum perfekten Deck

Ein Dungeon-Turm voller Monster und Schätze – er lockt im kooperativen Deckbau-Spiel „Slay the Spire: Das Brettspiel“ (von Gary Dworetsky, Anthony Giovannetti und Casey Yano bei Nice Game und Contention Games). Auf dem Weg zum Endboss wird das Kartendeck jedes Charakters verfeinert und auf Effizienz getrimmt. Unsere Jurymitglieder haben sich in der Adaption des beliebten Videospiels nach oben gekämpft.

„Bei ‚Slay the Spire‘ handelt es sich um ein kooperatives Rogue-like-Spiel. Wir wählen also einen Charakter, bekämpfen mit diesem Gegner, leveln, sammeln Ausrüstung, besiegen mächtigere Gegner… bis wir entweder den finalen Boss bezwingen oder unterwegs das Zeitliche segnen. In beiden Fällen beginnen wir im nächsten Anlauf wieder bei null, Legacy-Elemente oder eine Kampagne gibt es (fast) nicht“, erklärt Tim Koch das Spiel. „Gerade einmal vier verschiedene Charaktere gibt es in der Box, doch zu jedem gehört ein großer Stapel Karten. In den meisten Fällen beginnen wir unser Abenteuer mit zehn recht schwachen Basiskarten. Nach besiegten Gegnern ziehen wir drei neue, wählen eine davon aus und fügen sie unserem Deck hinzu. Jeder Charakter hat dabei sehr unterschiedliche Möglichkeiten und Strategien.“

Für Koch liegt in der großen Menge der Karten eine Stärke des Spiels. Jede Partie könne zu „gänzlich neuen Spielerlebnissen führen“. Der Kampf dagegen falle recht simpel aus, „bietet aufgrund der großen Zahl an Sonderfähigkeiten, Statuseffekten und Gegnern aber reichlich Abwechslung“, schreibt Koch. Ein wesentlicher Unterschied zur digitalen Version von „Slay the Spire“ sei die Möglichkeit, es kooperativ zu spielen. „Denn am Spieltisch können wir kooperativ vorgehen, uns gegenseitig schützen und einzelne Gegner schnell ausschalten. Das senkt etwas die Schwierigkeit, extrem unausgewogene Kartenhände können durch die Mitspielerinnen kompensiert werden.“ Koch lobt außerdem, dass es nach Ende des Spiels noch einige neue Herausforderungen zu spielen gibt. „Denn nachdem der letzte Boss gelegt war, hatten wir noch lange nicht genug“, schreibt er. „Bei der Entwicklung von ‚Slay the Spire‘ wurde offensichtlich sehr viel Mühe darauf verwendet, möglichst nah am Original zu bleiben. Und das ist wirklich herausragend gut gelungen.“ Bereichernd sei, dass man es mit mehreren Spieler:innen spielen könne. Ein Kritikpunkt von Koch ist, dass die Anleitung nicht gut gelungen ist. „Wer das Videospiel nicht kennt, wird nach dem Lesen sicher einige Fragezeichen über dem Kopf haben. Und auch nach mehreren Spielstunden kommen immer wieder Fragen zu Effekten, Sonderfähigkeiten und deren Zusammenspiel auf, die sich schlicht nicht einwandfrei beantworten lassen“, schreibt er. „Auch die Spielzeit ist eine Herausforderung und fällt deutlich länger aus als beim Videospiel. Klar, ein Akt lässt sich von erfahrenen Spielerinnen durchaus in 90 Minuten spielen. Allerdings sind es eben drei Akte, bis man den finalen Boss erreicht.“ Praktisch sei das aber nie ein Problem gewesen, „denn zumindest bei mir wollte noch keine Gruppe nach dem ersten Akt aufhören“.1

Auch Martina Fuchs gefällt, dass „Slay the Spire“ kooperativ funktioniert: „Mit mehreren Leuten sind bessere Synergien möglich“, sagt sie, und empfiehlt daher das Spiel mit drei oder vier Personen. „Ich muss mir genau überlegen, wie ich mein Deck aufbauen muss, in welche Richtung ich gehen muss“, sagt Fuchs. „Man lernt seinen Charakter kennen, indem man spielt.“ Man könne, aufgrund der Länge des Spiels, die Charaktere nicht einfach „durchprobieren“, „im Brettspiel dauert es vier, fünf Stunden bis ich merke: Ok, den dritten Endboss kann ich mit meinem Deck nicht schaffen.“ Hier seien die anderen Charaktere sehr wichtig – Schwächen könnten ausgeglichen werden. Gut gefällt auch ihr die große Bandbreite, mit der die Charaktere gebaut werden können. „Ich habe jetzt schon Lust, es weiter auszuprobieren“, sagt sie. „Wenn man sich auf das Spiel einlässt, ist es kein Spiel, dass man nur einmal durchspielt. Wenn man es einmal durchgespielt hat, will man anderes ausprobieren.“ Es sei ein „gutes Gefühl“ das Deck ständig verbessern zu können. „Ich muss nicht am Anfang überlegen: Wie stelle ich mein Deck zusammen? Das kommt erst nach und nach. Ich lerne mein Deck kennen, indem ich es spiele und sehe auch relativ schnell, was meine Verbesserungen für Auswirkungen haben.“ Das sei ein „stetiger, langsamer Fortschritt“, der es einfacher mache, zu entscheiden, in welche Richtung der Charakter sich entwickeln könne. „Ich bin selber überrascht, und ich bin kurz davor, das Videospiel zu spielen“, sagt sie. „Mir macht das Spiel superviel Spaß.“2

Auch Julia Zerlik zeigt sich von dem „Slay the Spire“ gefesselt – „wir haben viele Abende hintereinander nur das gespielt“. Auch sie lobt die große Varianz beim Deckbau: „Ich bin wirklich überrascht, wie komplett unterschiedlich mein Deck jeweils am Ende war“, sagt sie. Das Spiel sei „sehr befriedigend“, vor allem aber „ein richtiger Kracher“.3

Die Umsetzung von „Slay the Spire“ als Brettspiel sei „sehr fluffig“, findet Maren Hoffmann. „Natürlich eignet sich die Mechanik auch ausgezeichnet dafür, schließlich spielt man auch digital mit Karten. Lediglich das Punktesystem wurde angepasst, und was die Monster so machen, entscheidet ein Würfel.“ Videospieler:innen könnten das Spiel nun auch „als geselliges Event zelebrieren“, schreibt sie sie. „Wer es noch nicht kennt, wird genauso viel Spaß haben, nicht zuletzt wegen des hintergründigen Humors.“ Solospieler:innen allerdings empfiehlt sie, doch lieber bei der – auch günstigeren – digitalen Variante zu bleiben.4

Johanna France’ Bestzeit für die drei Akte liegt bei sechs Stunden, sagt sie. Und: „Ich fand es einfach großartig, da waren auch Menschen dabei, die nicht so viel spielen und die auch gut reingekommen sind.“ „Slay the Spire“ mache als kooperatives Deckbauspiel „viel richtig“. „Ich habe bei solchen Spielen oft das Problem, dass die bei den Spieler:innenzahlen nicht so gut skaliert sind“, findet sie, „hier kriegen wir alle relativ gleichmäßig Verbesserungen.“ Das Spiel fühle sich „sehr befriedigend an“, egal wie groß die Gruppe ist. „Man kann sich im Kampf gut helfen, da passiert viel Kooperation. Gleichzeitig hat jeder seine eigenen Karten, man muss also auch ein bisschen planen“, sagt sie und sieht darin „schöne, taktische Entscheidungen“. Insgesamt findet sie das Spiel „wirklich, wirklich toll“. Allein: „Die Anleitung ist nicht perfekt gemacht. Wenn man das Videospiel nicht kennt, ist es schwerer reinzukommen.“5

Stephan Kessler ist beindruckt davon, „wie viel Arbeit in die Anpassung der ganzen Attributwerte geflossen ist“, schreibt er. „Und auch die ganzen Fähigkeiten der Bosse sind passend adaptiert worden. Man erkennt noch die Herkunft, aber richtig nerviges Handling wurde vermieden. Das hat mich wie ein Sog reingezogen, und die Stunden sind so schnell verflogen.“ Die große Stärke sei allerdings, „dass wir das Abenteuer kooperativ erleben können“, schreibt er. Hier sei das richtige Maß „zwischen Absprache und Einzelentscheidungen“ gefunden worden. „Ich optimiere meine Kartenhand und bespreche dann, wie wir den jeweiligen Schaden oder die Schilde geschickt aufteilen können“, schreibt er, und findet das „toll gelöst“. Kessler lobt auch den Wiederspielwert von „Slay the Spire: Das Brettspiel“: „Es gibt zig Karten zum Freispielen; und ist der dritte Akt geschafft, geht es noch weiter.“6

  1. Spielfreu(n)de: Slay the Spire ↩︎
  2. Fux&Bär: Slay the Spire: Das Brettspiel – ist das gut oder kann das weg? ↩︎
  3. Spiel doch mal…: Frisch vom Tisch Vol. 65 ↩︎
  4. Spiegel: Videospiele analog zocken – gemeinsam gegen den Schleimboss (kostenpflichtig) ↩︎
  5. Wienxtra Spümaschin Nr. 56: Atmosphärischer Städtebau, erinnerungswürdige Tiere und kooperativer Monsterkampf ↩︎
  6. Erfolgreiche Pixeltransformation (Spielbox Ausgabe 5/24) ↩︎

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