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Kritikenrundschau: Paleo – mit einem Faustkeil durch die Nacht

Heutzutage ist es einfach nicht leicht, Steinzeitmensch zu sein. Ständig muss Feuer entfacht oder ein Faustkeil erfunden werden. Und dann gibt es noch Wölfe! Und Essen muss man ja auch noch. Peter Rustemeyer hat mit dem kooperativen Spiel „Paleo“ (erschienen bei Hans im Glück) ein Spiel über die Anfangszeit des Menschen gestaltet. Unsere Jurymitglieder haben sich in ihren jeweiligen Medien in ihr schönstes Mammutfell gekleidet und sich in die Urzeit gewagt.

„Ein Stapel wird jede Runde neu gemischt und gleichmäßig an die Spieler verteilt. Zusammengestellt ist er aus Basiskarten, die in jeder Partie gleich sind, und welchen aus je zwei sogenannten ,Modulen‘, die immer wieder neu zusammengestellt werden, so verschiedene ‚Level‘ ergeben und eine in Nuancen immer wieder neue Geschichte erzählen. Immer eine Karten von den obersten drei im Stapel wählt man in seinem Zug. Der Clou: Die Rückseiten der Karten lassen nur grobe Rückschlüsse darauf, was auf der Vorderseite zu erwarten ist. So warten im Wald eben höchstwahrscheinlich Nahrung und Holz – manchmal aber auch unerwartete Gefahren. Und manche Gefahrenkarten bringen unerwarteten Nutzen“, erklärt Stefan Gohlisch das Spiel. „Und wenn fünf gestorben sind (oder auf andere Weise Totenkopfplättchen angesammelt werden), ist die Partie schon verloren. So muss in jeder Nachtphase – die der Tagphase voller Entdeckungen folgt – der ganze Stamm mit Nahrung versorgt werden. Umgekehrt gewinnen alle, wenn sie durch die Bewältigung gewisser Aufgaben fünf Siegplättchen gesammelt und zu einem Höhlengemälde gefügt haben.“

Stimmungsvolles Spiel

„Genial“ findet Gohlisch den Kartenmechanismus, der dem Spiel zu Grunde liegt. „Paleo“ sei ein „ungeheuer stimmungsvolles Spiel“. Was in anderen Zusammenhängen ein abstraktes Sammeln und Abgleichen von Symbolkarten und -plättchen hätte sein können, entwickelt sich zu einem immer neuen Epos der Entdeckungen, dem die etwas lückenhafte Anleitung keinen Abbruch tut.“ Fünf von Fünf Sternen vergibt Gohlisch für das Spiel.¹

Udo Bartsch kann sich dem Lob anschließen: Zu zweit und zu dritt sei das Spiel „hervorragend“. Kommunikation und Kooperation ergäben sich in „Paleo“ von selbst. „Das Entdecken ist in ‚Paleo‘ das zentrale, überall wiederkehrende Element: Wir wählen Karten aufgrund ihrer Rückseiten und lassen uns überraschen. Jedes der sieben Szenarien wartet mit Unerforschtem auf. Die Stapel ‚Ideen‘ und ‚Träume‘ bringen missionsunabhängig neue Karten ins Deck.“ Man merke dem Spiel das Bemühen an, alles stimmig und authentisch zu halten. „Aber das Besondere an ‚Paleo‘ ist eben, dass das Spielerlebnis über Taktik und Mechanik hinausgeht. Spielen ist hier mehr als das Abhandeln von Karten. Schon bevor wir Karten aufdecken, wägen wir ab und treffen Entscheidungen. Was wollen wir erreichen? Was könnte passieren? Wir spielen eng miteinander, nicht nebeneinander. Wir spielen gleichzeitig, nicht hintereinander. Die Aktionen selbst sind rasch abgehandelt. Wir spielen fast ununterbrochen und bleiben in der Immersion.“ Kritik übt Bartsch am „wackeligen Werkzeugaufsteller“ und vor allem aber an der Spielanleitung. „Schon der Einstieg bereitet Probleme, weil unter ‚Spielaufbau‘ nur ein Teil der Vorbereitungen beschrieben wird. Weitere Details – auch zum Aufbau des ersten Szenarios – findet man erst auf dem Beiblatt“, schreibt Bartsch. „Mehrfach gerieten wir während des Spielens an Karten oder in Situationen, deren Auslegung nicht ganz eindeutig erschien.“
Dennoch vergibt Bartsch sechs von sieben Sternen für „Paleo“ – und damit die Wertung „außerordentlich“.²

Spaß am Entdecken

Auch Julia Zerlik zeigt sich von „Paleo“ grundsätzlich begeistert. Das Spiel sei „sehr abwechslungsreich, jede Partie spielt sich anders. Das macht total Spaß, sich hier aufzubauen“, sagt sie. Auch den kooperativen Charakter von „Paleo“ findet sie gelungen: „Man muss sich gut absprechen, sonst klappt es nicht.“ Zerlik bemerkt, dass das Spiel zu zweit einfacher ist als zu viert – der erschwerende Faktor sei hier die größere Menge an Nahrung, die am Ende des Tages beschafft werden müsse. Allerdings seien die Erstpartien der Szenarien auch mit zwei Spielern nur schwer zu schaffen – sie mussten oft mehrmals gespielt werden.
Schade findet Zerlik, „dass die Anleitung die Module nicht noch genauer erklärt“. Bei der Hälfte der Module seien Fragen aufgekommen, die nicht geklärt wurden. Hier sei „zu wenig drin“. Das Beiblatt sei außerdem recht unübersichtlich. Bei den späteren Modulen wären hier mehr Informationen „essentiell“ gewesen. „Das hat wirklich so einen Dämpfer verpasst“, sagt Zerlik. „Das ist ärgerlich, sonst wäre es wirklich ein richtig geniales, rundes Spiel. So ist es das auch, aber eben mit Einschränkungen.“ Das sie aber das einzige Problem – ansonsten sei „Paleo“ ein sehr gutes Spiel. „Es macht so viel Spaß, das Spiel zu entdecken“, sagt sie.³

„Paleo“ im Quartett

Auch in unserem spielerischen Quartett #3 war „Paleo“ Thema. „Was mir gefällt“, sagt Manuel Fritsch in dem Podcast, „ist nicht nur dieser Reiz, dieses Kartendecks zu erkunden, sondern auch dieses tolle Gemeinschaftsgefühl.“ Martina Fuchs findet, dass dadurch, das alles miteinander abgesprochen werden muss, das Spiel sich sehr in die Länge ziehen könne. Außerdem sei in ihren Runden problematisch gewesen, „dass zu viert einige Spieler drei Runden nicht mehr mitspielen konnten, weil sie ihre Karten schon ausgegeben hatten“. Harald Schrapers bemerkt, die Spielmechanik von „Paleo“ fördere, dass es einen „Alphaspieler“ gibt, also einen Spieler, der das kooperative Spiel kommandierend an sich reißt, absichtlich oder unabsichtlich. „Dass dem Autor, der Redaktion, überhaupt nichts eingefallen ist, um dieses Problem zu umgehen, das finde ich schade.“ Zusätzlich kritisiert die ganze Runde die unübersichtliche Spielanleitung. Gleichzeitig ist man sich einig, dass „Paleo“ ein Spiel sei, bei dem es sich auf alle Fälle lohnt, weitere Abenteuer zu erleben.

¹ Neue Presse, Ausgabe vom 26.11.2020
² Rezensionen für Millionen: Paleo
³ Spiel doch mal…: Paleo