Praktikumsberichte von Bernhard Kläui
Deutschen Spiele-Archiv Marburg
Da ich mit meiner Frau die Ferien in Finnland verbrachte, war es eine glückliche Fügung, das erste Praktikum auf unserer Rückreise in die Schweiz zusammen mit Leena erleben zu können. Nach einer regenreichen Fahrt durch Schweden und Hochwassergebiete in Fehmarn hofften wir auf besseres Wetter in Marburg, auch wenn Archive (normalerweise) wasserdicht sind! Und so war es denn auch.
Wie unsere Vorgänger standen wir gespannt vor der Tür zum viel gerühmten Archiv. René Aden empfing uns herzlich und zeigte uns vorerst die umfangreiche Bibliothek, wo viel Interessantes über Spiele, Spielpädagogik und Spielgeschichte zu entdecken war. Gott sei Dank war es auch Dr. Bernward Thole möglich, trotz seiner schmerzhaften, aber glücklicherweise auf dem Besserungsweg befindlichen Krankheit ins Archiv zu kommen und uns die vielen verwinkelten Gemächer seines Spielparadieses zu zeigen. In packender Weise schilderte er die Entstehung und Gestaltung des Archivs. Ein besonderer Leckerbissen war das Alex Randolph Studio, das dem Betrachter die Entstehungsgeschichte seiner Spiele vermittelt und dadurch verblüfft, mit welchen Materialien und einfachen Mitteln die Spielideen umgesetzt wurden. Es ist zu hoffen, dass eine breite Öffentlichkeit den Weg zu diesem besonderen Schatz finden wird.
René Aden zeigte uns auch die für die Auffindung von Spielen sehr hilfreiche und umfassende Datenbank. Dass ich sie nie in Gebrauch nahm, zeugt von der ausgezeichnet strukturierten Einordnung der Spiele in den Regalen.
In dieser Woche öffnete ich viele Spielschachteln, besonders älterer Spiele. Mich interessierten das „Innenleben“ und dessen Wandel im Laufe der Zeit, auch in Bezug auf die graphische Gestaltung. Alleine schon der Titel des Spiels konnte Neugierde wecken – was verbirgt sich zum Beispiel hinter dem Spiel „Rettet Möhringen“? Und unter den vielen Leiterspielen stachen mir „Die lustigen Bärenkinder“ ins Auge. So konnte ich auch mit Hilfe der Bibliothek viel Wissenswertes über Spiele und deren Entstehung erfahren. Darüber könnte man eine eigene Abhandlung schreiben.
Einige Dinge, die ich interessiert oder auch schmunzelnd zur Kenntnis nahm möchte ich nicht vorenthalten:
- Das Spiel gehört zu den ältesten kulturellen Äusserungen des Menschen,
älter als alle in schriftlicher Form niedergelegten Ideen und Gesetze – und da soll noch jemand sagen, spielen sei eine sinnlose Zeitvergeudung! - Wer Freude am Spiel hat, wirkt auf seine Umwelt im Allgemeinen fröhlicher als jemand der fürs Spielen nichts übrig hat – ob das bei mir auch so ist?
- Spiele bestehen darin, einen chaotischen Zustand in die Ordnung zu überführen, wobei deren Definition Teil der Spielmechanik ist – eine interessante Erkenntnis.
- Spiele sollen einfache, verständliche und gut lesbare Regeln enthalten. In einer Befragung wurde als Kriterium für das Nicht-Spielen u.a. genannt: „Das Lesen ist mir zu langweilig“ oder „Wenn ich 10 Seiten lesen muss, um 1x zu spielen, spiele ich gar nicht erst“. In unserer hektischen Zeit leider aktueller denn je.
- Im Hof des Palastes von Kaiser Akbar wurde „Eile mit Weile“ auf einem Spielfeld aus Marmor mit in entsprechende Farben gekleideten Sklavinnen gespielt (wie wurden wohl die Farben der lebenden Spielsteine zugeteilt?)
- Tempelsteinmetze von Kurna in Ägypten schlugen einen Mühlespielplan in den Stein des Giebels und vergnügten sich während der Arbeitspausen (warum bin ich nicht Steinmetz geworden?)
- 1957 gaben 66 % der Befragten an, schon mal „Schwarzer Peter“ gespielt zu haben, 1978 waren es nur noch 5 %! Zu meinen „Zeiten“ hatten ihn wohl noch gegen 100 % gespielt – ich jedenfalls mehrmals.
- 1975: Erwachsene entdecken ein neues Hobby: Nach der Fernseh-, der Trimm- und der Sex-Welle rollt eine neue Woge in bundesdeutschen Haushalten: die Spiel-Welle! (Und was machten wir Schweizer?)
- 1983: Mit dem Spielen haben es die Deutschen nicht so. Wo man lebt, um zu arbeiten, stösst zweckfreie Beschäftigung auf tiefe Skepsis. Fernsehen ist nützlicher, jedenfalls einfacher. Die Leute sind gewohnt, immer Neues und Anspruchsvolleres vorgesetzt zu bekommen. Sie sind andererseits aber nicht mehr bereit, sich dafür anzustrengen und etwa eine komplizierte Spielregel zu erlernen (Ravensburger Artikel-Serie). (neuer „Aufwärtstrend“ des Fernsehens dank immer zahlreicherer Programme?)
- Die deutsche Spielszene 1985: „Vielleicht aber ist es für die Öffentlichkeit nicht so bedauernswert, wenn die Gesamtzahl an Spielen reduziert wird, da man den Blick eventuell nicht so schnell verdeckt bekommt durch zweit- und drittklassige Titel. Bei weniger Spielen auf das zu stossen, was einen spielenswert erscheint, könnte positiv sein. Aber die Firmen sollten in einigen Fällen gezielter auf das eingehen, was noch unbekannte Autoren anzubieten haben.“ Der letzte Satz gefällt mir als „zu fördernder Nachwuchsautor“ natürlich besonders gut!
Am letzten Tag unternahmen wir noch einen kleinen gemütlichen Altstadtbummel zusammen mit Dr. Bernward Thole, und auch da konnten wir wiederum von seinem grossen Wissen kulturhistorischer Entwicklungen profitieren. Er gab uns auch Einblick in seine Zukunftspläne, deren Realisierung dem Kulturgut „Spiel“ weitere Impulse geben dürfte. Schlusspunkt unserer „Reise durch Marburg“ bildete die beim Archiv mit Ehrfurcht betrachtete Tafel, vor der nur das Tholemobil parken darf!
Nun reisen wir nach fünf eindrucksvollen „Archivtagen“ und interessanten Gesprächen mit Dr. Bernward Thole und René Aden in die Schweiz zurück. Auf unserem Weg werden wir bestimmt viel über das Erlebte diskutieren und uns auf das nächste Praktikum im September im SpieleErfinderStudio von Jens-Peter Schliemann freuen.
Dr. Bernward Thole und René Aden danken wir herzlich für ihre gastfreundliche Aufnahme und die uns gewährte Freiheit, in ihrem Archiv nach Lust und Laune rumstöbern zu dürfen. Marburg – und das Deutsche Spiele-Archiv sind eine Reise wert!
Jens-Peter Schliemann
Montag, 17.9.2007
Pünktlich kam der Zug im Kölner Hauptbahnhof an. Leena und ich marschierten Richtung Unterführung in der Annahme, dass Jens-Peter Schliemann in der Haupthalle auf uns warten würde. Kaum hatten wir den Fuss auf die erste Treppenstufe gesetzt, kam er von unten hoch gerannt und streckte uns schon von weitem seine Hand zum Gruss entgegen. Da entglitt ihm aber etwas, das zwischen den Reisenden hindurch auf die Treppenstufen kollerte. Nein, es war keine Münze – es war ein Würfel (manchmal haben die Spieler mehr Würfel als Münzen in der Tasche!).
Jens-Peter führte uns Richtung Köln Mitte, wo er sein Kleinod besitzt. Wie stolz wäre ich doch, so etwas in „Zürich Mitte“ zu haben! Das Schaufenster und die Auslage empfingen uns mit „Nacht der Magier“, „Burg Appenzell“, Fotos und Schriftstücken zum Werdegang unseres Gastgebers. Der Zufall wollte es, dass kurz vor unserem Besuch die Verleihung des Deutschen Kinderspiel-Preises für „Burg Appenzell“ bekannt gemacht wurde. Zudem freute sich Jens-Peter über die Auszeichnung der Spielregeln mit der „Essener Feder“.
Zunächst machten wir es uns in Jens-Peters „Ferienwohnung“ – wie er sie nannte – gemütlich, durften wir doch auch die Nächte dort verbringen. Bei diesem schönen Herbsttag bot es sich geradezu an, „Burg Appenzell“ nicht im Innern, sondern draussen vor der „Schaufensterkulisse“ zu spielen. Leider hatten wir keinen Appenzeller-Käse mitgenommen, aber auch ohne machte das Spiel großen Spass.
Jens-Peter zeigte uns danach einige seiner Prototypen: wir spielten „Zone X“, ein Spiel, bei dem es darum geht, in einem unterirdischen Labyrinth den richtigen Farbcode zu finden und danach durch die düsteren Gänge zur entsprechenden Maschine zu finden, um sie „starten“ zu können. Am Abend trafen wir uns mit andern Spielbegeisterten in einem Restaurant. Dort hatte ich Gelegenheit, meinen Prototyp „Bago“ nochmals zu testen, diesmal mit dem Kartenzusatz. Nebenan wurde „Carcassonne“ sowie „Zone X“ gespielt. Im anschliessenden Gespräch fragten zwei jener Spieler, ob sie auch „Bago“ ausprobieren könnten, und wir vereinbarten einen weiteren Spieleabend in Jens-Peters Studio.
Dienstag, 18.9.2007
Zum Aufwärmen spielten wir „Pyramidos“, besichtigten den Kölner Dom und erfuhren einiges über die Zusammenarbeit mit den Verlagen und die Tätigkeit von Jens-Peter im Rahmen der SAZ. Höhepunkt des Tages war aber der Besuch bei Michail und Erika Antonow. Nicht nur der Ausblick vom 24. Stockwerk auf die Stadt Köln war beeindruckend, sondern ebenso sehr die Vitalität und „humorige Stimmung“ bei den beiden Antonows! Selten haben wir ein Ehepaar erlebt, das uns wie alte Freunde aufnahm (hervorragendes Nachtessen inklusive!), und denen wir noch oft begegnen möchten. Selbstverständlich kamen auch hier die Spiele nicht zu kurz: wir wurden in „Aronda“ eingeführt, erfuhren Interessantes über den Werdegang von „ConHex“ und „Karibik“ und die Zusammenarbeit der beiden Spiele-Erfinder. Auch hatten wir die Gelegenheit, einen andern meiner Prototypen, den „Scheibenwischer“ zu spielen, zu dem sich Jens-Peter recht positiv äusserte.
Mittwoch, 19.9.2007
der Besuch von Tom Laroche (Hobby-Spieleautor) und Dennis Lohausen (Grafiker) waren angesagt. Zweck des Besuches war ein Gespräch über die grafische Gestaltung von „Zone X“, eine Domäne, die mir bis jetzt verborgen blieb. Jeder durfte seine Ideen einbringen und so ergab sich eine interessante und harmonisch verlaufende Diskussion. Nachdem Dennis uns verlassen hatte, spielten wir zusammen mit Tom meine Prototypen „Sauna-Saari“ und „Scheibenwischer“, sowie sein Spiel „Berlin 1984“. In der darauf folgenden Diskussion trat deutlich hervor, dass der Begriff „Komplexität“ bei Spielen unterschiedlich ausgelegt werden kann. Wir sinnierten dabei u.a. über „TransAmerica“, ob dies nun ein komplexes oder doch eher ein lockeres Familienspiel sei.
Schliesslich erzählte ich Jens-Peter auch über meine Erfahrungen als Spiele-Verkäufer (Weihnachts-Aushilfe bei meinem Freund im Spielegeschäft „Rien ne va plus“ in Zürich), und wies vor allem darauf hin, dass Spiele beim breiten Publikum sehr oft nach ihrem Aussehen beurteilt werden. Spricht der Schachteldeckel an, wird das Spiel aus dem Regal genommen und hat bereits einen „Vorsprung“ gegenüber andern – vielleicht besseren – aber grafisch schlecht gestalteten Spielen. Auch sollte die Abbildung auf der Schachtel nicht irreführen: oft suggeriert sie, dass sich dahinter ein Kinderspiel verbirgt, und es entpuppt sich dann ein anspruchsvolleres Familienspiel. Da braucht es gute Spiele-Berater, um die Kunden auf den „richtigen“ Weg führen zu können.
Donnerstag, 20.9.2007
Da Jens-Peter im Oktober eine Ausstellung über seine Spiele und Spielentwicklungen in der Stadtbibliothek eröffnen konnte, gingen wir dorthin, um die Räumlichkeiten anzusehen und die Flyer und Plakate abzuholen. Erstaunlich, wie viele Spiele in dieser Bibliothek für die Ausleihe vorhanden waren.
Anschliessend besuchten wir „Spielekauf K.H. Oerder“ und führten interessante Gespräche über die Nachfrage nach bestimmten Spielen mit der „Spielexpertin“. Und auch hier wieder die gleiche Feststellung: der Blickfang der Spieleschachtel bestimmt oft, ob ein Spiel gekauft wird oder nicht.
Für unseren Spaziergang durch die Innenstadt hatte Jens-Peter natürlich vorgesorgt: bei jeder Gelegenheit und Kaffeepause nahm er seinen neuen Prototyp eines Kartenspiels aus der Tasche hervor, so dass wir es ausgiebig testen konnten. Das mit einfachen Regeln ausgestattete Kartenspiel gefiel uns sehr gut, da es dennoch taktische Möglichkeiten und kleine Gemeinheiten bietet.
Am Abend hatten wir den oben erwähnten Besuch der beiden „Bago“-Interessierten. Diesmal liess ich sie zusammen mit Jens-Peter und Leena alleine spielen, gab aber hin und wieder kleine Tipps zu den taktischen Möglichkeiten. Da sich diesmal Jens-Peter nicht mehr mit den komplexen(?) Regeln befassen musste, gefiel ihm das Spiel besser als das erste Mal (schliesslich war er auch der Gewinner!), und auch die beiden Besucher äusserten sich dahingehend, dass sie solche komplexeren Spiele, die ein stetiges Mitdenken erfordern, lieben. So ging ein weiterer erlebnisreicher und Genugtuung bringender Tag zu Ende.
Freitag, 21.9.2009
Nochmals ein Gang zur Stadtbibliothek und anschliessend zu zwei anderen Spiele-Geschäften mit grosser Auswahl. Auf dem Weg setzten wir unsere Diskussion über die angestrebte Stärkung der Autoren gegenüber den Verlagen, die grafische Gestaltung der Spiele und deren redaktionelle Bearbeitung fort. Wir kamen auch kurz auf die Preisverleihung des Förderpreises zu sprechen. Ich fand es hart, mit ansehen zu müssen, wie die übrigen vier Nominierten, aber schliesslich unterlegenen Spiele-Autoren, ohne eine kleine Anerkennung den Rückweg antreten mussten. Vielleicht habe ich Gelegenheit, anlässlich des nächsten Treffens mit der „Jury Spiel des Jahres“ darüber reden zu können.
Neben diesen „tiefschürfenden“ Gesprächen spielten wir immer wieder das erwähnte Kartenspiel. Da Jens-Peter die Swiss-Toy in Bern besuchen wird und in der ETH Zürich zurzeit eine Ausstellung „Mathematik im Spiel“ stattfindet, luden wir ihn zu uns nach Hause ein, um mit ihm zusammen am Montag diese Ausstellung besuchen zu können. Jens-Peter sagte auch zu, am Abend unseren Spiele-Treff in Stäfa zu besuchen, was meine Spielkolleginnen und Kollegen mit grosser Freude und Erwartung aufnahmen.
Der Abend klang aus mit einem „Bully“-Spiel (Rate- und Reaktionsspiel), das auf der Michael Bully Herbig Trilogie beruht.
Samstag, 22.9.2007
Der heutige Tag diente vor allem der Stadtbesichtigung. Im Rosengarten durften wir allerdings noch eine „Mathematikstunde“ auf spielerische Art erleben: Jens-Peter erzählte uns, wie das Spiel „Fire and Ice“ entstand – von der Idee bis zur Fertigstellung. Und wir lernten was eine „endliche projektive Fläche“ ist. Dazu hatte er noch ein anderes kleines Kartenspiel (Prototyp), das wiederum durch seine Einfachheit und witzige Idee bestach.
Kirchenbesichtigung, Besuch in einer einzigartigen Kriminalbuchhandlung und bei 4711 (Kölnisch Wasser), Spaziergang am Rheinufer, Essen in typischem Kölner Restaurant und abschliessend Besuch einer Dixieland Kneipe rundeten den Tag ab.
Sonntag, 23.9.2007
Da wir erst am Sonntag die Rückreise antraten, durften wir nochmals eine Nacht in Jens-Peters SpieleErfinderStudio schlafen. Wir hatten viel Schönes und Interessantes erlebt und in Jens-Peter einen liebenswürdigen Menschen kennen gelernt. In den sechs Tagen des gemeinsamen Erlebens haben wir eine Freundschaft aufbauen können, die uns hoffentlich noch oft zusammenbringt.
Vielen herzlichen Dank, Jens-Peter und auf ein baldiges Wiedersehen!
Spieleburg Göttingen
Dies sollte eigentlich der Bericht über die Praktikumswoche in der Spieleburg Göttingen sein. Da ich schon einige Male in einem Spielegeschäft in Zürich in der Weihnachtszeit aushalf, ist mir diese Tätigkeit einigermassen bekannt und so schlug ich angesichts unserer bevorstehenden Weltreise vor, einen Bericht über die besuchten Spieleläden zu schreiben. Unsere 4-monatige Reise führte über Argentinien – Chile – Osterinsel – Tahiti – Fiji – Australien – Hongkong via Helsinki nach Hause.
Olé Argentina!
Du bist das einzige Land, in dem wir ein interessantes Spiel – wenn auch nur ein Kartenspiel – fanden: TRUCO. TRUCO ist ein in Südamerika verbreitetes Kartenspiel, das in Argentinien, vor allem in der Provinz Salta sehr populär ist. Die Regeln sind zwar einfach, doch haben wir erlebt, dass je nach Region nach eigenen Regeln gespielt wird. TRUCO kann mit zwei Spielern oder aber im Team mit vier oder sechs Spielern gespielt werden. Von den 40 spanischen Karten erhält jeder Spieler nur drei und damit werden in jeder Runde zwei Phasen abgewickelt: zunächst der „Envido“ mit Wetteinsatz aufgrund gleichfarbiger Karten und anschliessend das Stichspiel Truco, ebenfalls mit Wetteinsatz. Ob mit oder ohne „Flor“ gespielt wird (drei Karten gleicher Farbe) muss vor dem Spiel ausgemacht werden. Die Würze des Spiels liegt darin, dass geblufft und die Gegner getäuscht werden können, wobei auch gestische Zeichen und Kommunikation unter den Partnern zum Einsatz kommen. Wer mehr über dieses Spiel wissen möchte, findet eine Beschreibung unter „Wikipedia“.
Zum ersten Mal hatte ich Gelegenheit, TRUCO in Salta (Nordwest-Argentinien) auf dem Steinboden des parkähnlichen Hauptplatzes zusammen mit Studenten zu spielen. Obwohl ich vorher die Regeln anhand des Buches „Dichos y reglementos del Truco“ eingeprägt hatte, wurde mir schnell klar, dass teilweise anders gespielt wurde, was mir den Einstieg natürlich nicht erleichterte. Die Ausgelassenheit und Herzlichkeit der Argentinier war ansteckend und mit Hilfe einer Studentin mogelte ich mich durch die Partien. Der unterhaltsame Abend endete mit einer Diskussion über die Politik Argentiniens und ihrer Präsidentin Cristina Kirchner.
Meine zweite Partie – oder besser gesagt Lektion – hatte ich in einer Ausstellung, wo ein Bediensteter unter Beizug des Securitas-Wächters (!) mich in das Spiel einweihte. Die Freude, dass ein Ausländer sich für dieses Spiel interessierte, stand ihnen ins Gesicht geschrieben.
In Mendoza besuchte ich einen Auffrischungskurs für Spanisch. Als Neuankömmling wurde ich nach meinen Hobbys gefragt (die Antwort liegt auf der Hand) und schon in der dritten Stunde weihte uns der junge Lehrer (wir waren nur drei Schüler) spielerisch in die Regeln und Finessen des TRUCO-Spiels ein! Que bueno!
Auf unserer Reise hatten wir später nochmals Gelegenheit mit einem Jungen zu spielen (auch da eine Abweichung zu den Regeln), ansonsten spielten meine Frau Leena und ich Zweierpartien, denen allerdings die Würze der Gesten fehlt.
Was gab es sonst an interessanten Spielen? Leider wenig bis nichts. Spielkundige erwähnen noch T.E.G. (Táctica y Estrategia de la Guerra) ein anspruchsvolleres Strategiespiel, allerdings mit der Bemerkung, dass die Spieldauer von 2-4 Stunden doch etwas gar lange sei und deshalb oft vorher abgebrochen werde. T.E.G. hat Ähnlichkeiten zu RISIKO. Der Spielplan zeigt eine stark verzerrte Weltkarte und das Material ist von sehr dürftiger Qualität.
Schliesslich ist noch ESTANCIERO zu erwähnen, ein Monopoly argentinischer Ausrichtung.
Wirklich interessante Spieleläden gab es kaum zu entdecken. Die meisten führen vor allem Party- und Frage- und Antwortspiele, daneben war JENGA, DOMINO und SCRABBLE – abgesehen von MONOPOLY aller Art – zu sehen. Würden wir „Nordländer“ in dieser warmen Klimazone leben, hätten wir wahrscheinlich auch Mühe, uns in den vier Wänden mit einem Brettspiel zu beschäftigen!
Immerhin fanden wir zwei Lokale (Restaurants mit Bar), die mit Spielregalen bzw. Kasten ausgestattet waren. Im einen Fall waren die Spiele jedoch derart aufbewahrt, dass man kaum mehr erkannte, welcher Schachteldeckel zu welchem Spiel gehörte und das Material zusammengesucht werden musste. Spieler oder Spielerinnen sahen wir keine, und der Restaurant-Betreiber bemerkte auch, dass aus Geldmangel kaum neue Spiele gekauft werden könnten (wer soll sie denn bezahlen?).
Dafür erlebten wir, dass drei Kinder im Alter von etwa 7 – 10 Jahren im oberen Stock eines Restaurants ganz allein ESTANCIERO unter Anleitung des ältesten Mädchens spielten und am Ende das ganze Material wieder fein säuberlich verpackten.
Santiago de Chile
Auch hier gab es nichts zu entdecken, ausser den schon hundertfach gesehenen Spielen, die in aller Welt vertrieben werden. Wie in Argentinien vergnügen sich die Menschen vor allem draussen und dabei spielt Fussball eine grosse Rolle.
Osterinsel
Die Osterinsel-Spiele gibt es nur bei uns! Obwohl sich die Einwohnerzahl seit unserem letzten Besuch vor drei Jahren um 40 % erhöhte (jetzt 4200 Einwohner), sucht man im kleinen und einzigen Ort Hanga Roa vergeblich nach Geschäften mit Spielen – nicht mal ein MONOPOLY à la Rapa Nui konnten wir entdecken! Auf dieser Insel gibt es keine Jahreszeiten, und bei den angenehmen Temperaturen vergnügen sich die Jungen beim Surfen und die Älteren beim Fischen.
Tahiti
Hier entdeckten wir immerhin eine „Südsee“- Schachtel: Inhalt MONOPOLY in Polynesien! Verständlich, dass sich die Einheimischen in dieser paradiesischen Gegend anders vergnügen: mit Musik, Gesang und Tanz.
Fiji
Unser Aufenthalt in der Abgeschiedenheit der Insel Vanea Levu war „spielfrei“. Die Bewohner des nahe gelegenen Dorfes kennen keine Brett- oder Kartenspiele. Hingegen musste ich mich in einer Pool-Billard Partie jämmerlich geschlagen geben. Ballspiele – vor allem Rugby – sind jedoch sehr beliebt und auf dem kleinen Flughafen von Savusavu fieberten die Verkäuferinnen von Souvenirs mit ihrem Taschenradio am Ohr mit der Mannschaft „ihrer“ Insel mit. Mit jedem gewonnen Punkt ging ein Aufschrei durch die kleine Halle. Für das bevorstehende 7-Länderturnier in Hongkong prognostizierten die Einwohner selbstbewusst den Turniersieg für Fiji.
Australien
Endlich: in Sydney besuchten das vom letzten Mal bekannte Spielegeschäft: Gamers’ Paradise. Die Auswahl an Spielen ist riesig und auch Kleinverlage sind sehr gut vertreten. Spiele, die bei uns vor Jahren auf den Markt kamen und heute nur schwer verkäuflich sind oder zu stark herabgesetzten Preisen „verschleudert“ werden, befinden sich in den Regalen zu normalen Preisen. Punkto Preise: horrend! Ein Beispiel: THURN & TAXIS wird zu umgerechnet 45 Euro verkauft. Gerne hätte ich mir die englische Auflage von THROUGH THE AGES gekauft, aber bei einem Preis von 85 Euro habe ich mir das verkniffen und warte nun auf die deutsche Ausgabe. Grund für diese hohen Preise sei, dass die Spiele über verschiedene Kanäle den Weg nach Australien finden und hohe Frachtkosten bezahlt werden müssten.
Natürlich wollte ich dem Verkaufspersonal dieses Spezialgeschäftes auch etwas auf den Zahn fühlen und bat um einige Spielerklärungen. Die Antwort war zumeist: kenne ich noch nicht oder habe ich noch nicht gespielt – und dies auch bei älteren Spielen. Allerdings war der Ladenbesitzer nicht anwesend. Eingefleischte Spieler treffen sich zwar hin und wieder zu einem Spiel, aber bei weitem nicht so oft wie bei uns in den Spieleclubs.
In Adelaide betraten wir den Spieleladen „Infinity Games“, in dem der Besitzer Magic-Karten betrachtete und von uns kaum Notiz nahm, während sein Angestellter einen Hamburger ass und mit uns über alles redete, nur nicht über Spiele (Kenntnisse eher dürftig).
Schliesslich entdeckten wir in Perth nochmals ein Geschäft mit riesiger Auswahl. Auch sahen wir einige Warhammer-Läden, in denen Kunden Figuren bemalen konnten.
Hongkong
Da unser Aufenthalt auf zwei Tage beschränkt war, hatten wir natürlich keine Zeit, um einen „Geheimtipp“ auszuspionieren – sofern es einen solchen gibt. Wir fragten an der Reception des Hotels nach einem Tipp. Nach intensiver Beratung zweier Angestellter wurden wir an die Harbour City verwiesen, einem eher exklusiven Einkaufszentrum, wo ein grösseres Spielegeschäft sein sollte. Sie kannten den Namen nicht, bemerkten aber, dass die Preise etwas höher sein könnten als auf der Strasse. So gingen wir hin und suchten im grossen Komplex. Und siehe da, wir wurden fündig: ein riesiger Toys ’r us nahm uns in Empfang! Wir wurden von den verschiedenen Monopoly und UNO Spielen fast erschlagen und suchten schnell wieder das Weite bzw. den Ausgang.
Am 7. April kehrten wir mit vielen schönen Eindrücken nach Hause zurück, aber mit nur einem Kartenspiel aus Argentinien. Allerdings in Mehrfachausführung: Standardkarten, Gaucho-Karten, Tango-Karten und einer schön gemachten Holzbox zur Aufbewahrung.
Fazit: es gibt viele verschiedene Paradiese auf dieser Erde, jenes der Spiele liegt definitiv in Deutschland und da habe ich es als Nachbar gut!
Ravensburger Spieleverlag
Warum auch in die Ferne schweifen, denn das Gute liegt so nah…..nach nur gut drei Stunden Bahnfahrt dem schönen Bodensee entlang, spaziere ich bereits durch eine der schönsten Städte Deutschlands (die ich kenne – vielleicht werden manche Leser sagen, meine Stadt ist noch schöner!). Leider waren aber die An- und Abreisetage die einzigen warmen und schönen Tage.
Am Montag wurde ich von Lothar Hemme empfangen und gleich ins Büro der Spiele-Redakteure geführt, wo ich den Platz von Clemens Türck einnehmen konnte, der in dieser Zeit in den Ferien weilte. Mir gegenüber sass ein Ravensburger -„Neuling“, aber in Spielerkreisen gar kein Unbekannter: André Maack, der erst sechs Wochen zuvor die Arbeit in Ravensburg aufgenommen hatte. Auch Philipp Sprick war zugegen.
Da am Mittwoch ein internationales Meeting anstand, war klar, dass sich nicht jedermann sofort mit mir beschäftigen konnte. Dies war nicht weiter schlimm, konnte ich doch die neuen Spielmagazine lesen, mich mit den Neuheiten von Ravensburger vertraut machen und die „Ausstellungen“ in der grossen Eingangshalle besichtigen. Die erste eigentliche „Ravensburger Tätigkeit“ bestand im Korrekturlesen für ein neues Quizspiel (Thema Fussball). Dazwischen immer wieder Diskussionen über die Spielebranche und den Erfolg bzw. Misserfolg von Spielen. Interessant war zu erfahren, dass noch in den 80er Jahren ein Spiel praktisch ohne Werbung Auflagen von über 100.000 erreichen konnte, während diese Zahl heute angesichts der grossen Vielfalt von Spielen nur noch bei einem Drittel liegt. Ich erfuhr auch, dass früher eine vollzeitlich Angestellte nur damit beschäftigt war, Einsendungen von Spielideen und Prototypen zu sichten (1.200 – 1.500 pro Jahr!) und Antwortschreiben zu verfassen. Verständlich, dass heute Ravensburger einen kleinen Kostenbeitrag verlangt und die Vorschläge zunächst durch eine Agentur prüfen lässt.
Am Abend war ich bei André zum Spiel eingeladen. Zusammen mit Frank Weiss von der Marketingabteilung spielten wir DEUKALION (Parker) und fachsimpelten nachher über das Spiel.
Dienstag war ein sehr interessanter Tag: Ich konnte den Prototyp IM NAMEN DER ROSE von Stefan Feld mit André und Frank spielen. Dieses Deduktionsspiel gefiel nicht nur mir ausserordentlich gut. Es enthält einen stetig steigenden Spannungsbogen und das ewige Dilemma, wie ich mich während des Spiels verhalten soll, um mich am wenigsten verdächtig zu machen und so das Spiel gewinnen zu können. Auch eine spätere zweite Partie zu viert verlief ebenso spannend. Am Nachmittag wurde der Prototyp einer Erweiterung zu einem Kartenspiel zu sechst getestet.
Dazwischen wurde ich gefragt, ob ich mir für ein bereits weitgehend bearbeitetes Fragespiel falsche, aber plausible Antworten ausdenken könne, um aus einer grösseren Auswahl jene zwei bestimmen zu können, die für die endgültige Fassung in das Spiel aufgenommen werden sollen. Da war Fantasie gefragt – eine herausfordernde Aufgabe.
Am Abend fuhren wir zusammen mit einer ehemaligen Mitarbeiterin von Ravensburger (jene Dame, die früher die Spiele-Vorschläge sichtete) nach Weingarten zum Spieleclub, wo sich etwa 12 Spieler einfanden. TOLEDO und KELTIS (beide Kosmos) und FINITO (Schmidt) kamen auf unseren Spieltisch. Nebenan vergnügte sich eine Spielrunde mit NOBODY IS PERFECT.
Am folgenden Tag konnte ich zusammen mit einer französischen Schülergruppe die Produktionsstätte der Puzzles besichtigen. Schade, dass dies nur „Auserwählten“ vorbehalten bleibt. Ich kann mir vorstellen, dass viele Käufer von Puzzles staunen würden, wie ein Puzzle vom Stanzbogen bis zur Bereitstellung auf Paletten entsteht. Sehr eindrücklich zu sehen, dass bis zu 17.000 Puzzles auf bis zu 21 Meter hohen Palettenstapeln gelagert werden können – und dies vollautomatisch! Natürlich hätte ich auch gerne die Produktion von Spielen besichtigt. Da dies aber seit einiger Zeit in Tschechien erfolgt, bestand dazu keine Möglichkeit.
Am Nachmittag erhielt ich von den Kinderspiel-Redakteurinnen einen Einblick in deren Tätigkeit. Klar, dass die PISA-Studie auch in diesem Bereich Spuren hinterlassen hat. Bemerkenswert war für mich, wie viele Lizenzprodukte hergestellt werden.
Schliesslich sass ich noch im Büro „Marktforschung“ und erhielt von Kerstin Lindner einen informativen Überblick über ihre Tätigkeit, die Studien und Erhebungen, die gemacht werden, um die Entwicklung des Spielemarktes richtig einschätzen zu können. Da Spiele von der Idee bis zur Verwirklichung eine relativ lange Vorlaufzeit benötigen, wird es in unserer heutigen schnelllebigen Zeit zunehmend schwieriger, die Kundenwünsche und Trends für diese Zeitspanne richtig voraussagen zu können. Gerne hätte ich auf der Topliste eines meiner Lieblingsspiele gefunden, aber so lange es MONOPOLY gibt…..!
Donnerstag und Freitag hatte ich nochmals Gelegenheit, einen Prototyp mitzuspielen, dessen Name hier noch nicht verraten werden kann. Zwischendurch spielten wir das amüsante WÜRFELBINGO, das aufgrund seiner einfachen Regeln und kurzen Spieldauer bestimmt eine grosse Käuferschar ansprechen wird.
Da mich kürzlich ein Unternehmen anfragte, ob ich für sie ein Spiel entwickeln könnte, hatte ich den Wunsch, auch die Abteilung „Sonderanfertigungen“ zu besuchen, wo ich wertvolle Informationen über die Vorgangsweise erhielt.
Die interessante Woche wurde mit einem sehr aufschlussreichen „Vortrag“ (im Dialog!) von Lothar Hemme abgeschlossen, der mir den Entscheidungsprozess, angefangen mit den „Business Reviews“ bis hin zur Realisation erläuterte. Insbesondere die Selektionskriterien sind für jeden (Hobby-) Autor wichtig zu wissen: Spass, Wiederspielreiz, Spannungsbogen, Thematik/Inhalt und Machbarkeit (Kostenfaktor).
Abschliessend möchte ich allen Beteiligten, die sich die Zeit genommen haben, mir die Woche bei Ravensburger so interessant und angenehm zu gestalten, herzlich danken. Ich spürte, dass alle Redakteurinnen und Redakteure ihre Aufgaben mit grosser Motivation und Freude und in einer guten Atmosphäre erledigen. Ich danke aber auch für die Grosszügigkeit, mich nicht mit leeren Händen nach Hause fahren zu lassen und freue mich, einige von Euch in Göttingen oder Essen wieder zu sehen.