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Spieleautoren-Stipendium 2017/18

Spieleautoren-Stipendium 2017/18: Praktikumsbericht von Paul Schulz

Paul Schulz besuchte den Ravensburger Spieleverlag, das Deutsches Spielearchiv in Nürnberg, die Spieleburg Göttingen und Jens-Peter Schliemann in Bonn. Hier ist der Bericht seiner Erlebnisse und Erfahrungen.


Ravensburger Spieleverlag

Die erste Station meiner Praktika führte mich in den Süden Deutschlands nach Ravensburg zum Ravensburger Spieleverlag. Schon bei der Begrüßung bestätigte sich erneut mein Eindruck des familiären Umgangs miteinander in der Spielebranche, den ich schon beim Spieleautorentreffen in Göttingen gewonnen hatte. Meine Kollegen für diese Woche waren sogleich offen, interessiert, freundlich und hilf- und lehrreich wo sie konnten. Man hatte mir einen Stundenplan vorbereitet mit Zeiten, die ich im Büro der Redaktion Familienspiele verbrachte, Lehrgesprächen in verschiedenen Abteilungen und sogar einer Werksführung. Im Büro lernte ich den redaktionellen Ablauf einer Spieleentwicklung kennen, wie auch den Arbeitsalltag eines Spieleredakteurs.

Jedes in der Entwicklung befindliche Spiel wird von einem Redakteur betreut, aber alle anderen helfen mit. Zum Beispiel gab es gleich am ersten Tag ein Brainstorming mit Mitarbeitern verschiedener Abteilungen, um einen Untertitel für das Kartenspiel „Black Jacky“ zu finden. Für ähnliche Aufgaben wird auch oft die kreative Schwarmintelligenz genutzt, indem jemand in die Runde ruft „Was klingt besser? Option A: … oder B: …?“ So weiß jeder, wer sich gerade mit welchem Spiel beschäftigt und es schafft eine angenehme Arbeitsatmosphäre. Aufgaben, die ich mit übernahm, waren unter anderem Testdrucke auf Druckfehler zu überprüfen, Prototypen zu basteln und von Autoren eingesendete Spiele zu testen. Das machte alles großen Spaß, aber ich habe auch mitbekommen, welche Arbeitszeiten ein Redakteur tatsächlich hat – ob das daher für mich ein Job wäre?

Ja. Aber noch lieber wäre ich erfolgreicher Autor, also versuche ich erstmal diesen Weg weiter. Lehrgespräche hatte ich mit den Redakteuren, im Produktmanagement, Kommunikationsmanagement, bei der Technischen Produktentwicklung und in der Herstellung. Wie man sieht ist Ravensburger ein großer Verlag. Wenn man das alles sieht, ist es schwer sich vorzustellen, dass manche Verlage nur einen Mitarbeiter haben. Durch die Lehrgespräche und die Führung durchs Werk und einige Lager konnte nicht nur viel lernen, als auch den Weg nachvollziehen, den ein Spiel nach der Entwicklung in der Redaktion nimmt, bis es in die Spieleläden kommt.


Deutsches Spielearchiv

Mein zweites Praktikum führte mich nach Nürnberg. In der Stadt befindet sich das Pellerhaus und in dessen oberen Stockwerken das Deutsche Spielearchiv. In den Regalen lagern über 30.000 Brettspiele von historischen bis ganz aktuellen.

Fast einen ganzen Arbeitstag verbrachte ich allein mit dem Stöbern und freute mich über die verrückten Titel (wie „21 Spielideen mit Kerzen von Rudi Carell“) und Cover. Von den Themen, über Illustrationsstile und verwendete Materialien konnte man anhand der Sammlung die spannendsten Veränderungen über die Zeit nachvollziehen. Neben den Spielen besitzt das DSAN auch mehrere Nachlass-Sammlungen. So gibt es zum Beispiel eine schöne Ausstellung des Nachlasses Alex Randolphs (der Autor von „Sagaland“ und vielen anderen Spielen) mit seinen beeindruckend aufwendigen Spieleprototypen. Genauso spannend war der Nachlass der Firma Spear Games (die zum Beispiel „Scrabble“ hergestellt hatte) mit tausenden Spielen, aber auch den alten Katalogen, Dokumenten und Fotografien. Traurig und interessant zugleich waren die Dokumente zur „Arisierung“ der Firma während der Nazizeit und wie Spiele, die bereits vorher im Programm waren, geändert wurden.

Natürlich habe ich mir nicht nur die Sammlungen angeschaut. Für den Blog des Spielearchivs schrieb ich zwei Spielevorstellungen über „NMBR 9“ und „Kingdom Builder“. Außerdem half ich beim Inventarisieren und Fotografieren von Spielen für die Sammlung und ich beantwortete viele Fragen zum Thema Spielen. Denn die Mitarbeiterinnen im DSAN kommen selbst gar nicht aus der Spieleszene, sondern aus Kultur- und Museumswissenschaften und es ist ein riesiges Feld, um sich einzuarbeiten. Also freute ich mich dabei helfen zu können.


Spieleburg

Im Dezember absolvierte ich mein drittes Praktikum, diesmal im Spielefachgeschäft „Spieleburg“ in Göttingen. Mitten im Adventsgeschäft war es eine anstrengende Woche, aber das war von mir durchaus bewusst so gewählt, denn bei viel Betrieb – so dachte ich mir – kann ich auch viel lernen. Natürlich habe ich auch Regale aufgefüllt, die Kasse bedient, und so weiter. Meine Hauptaufgabe war aber die Kundenberatung. Manchmal fiel mir das sehr leicht; zum Beispiel, wenn die Kunden konkrete Spiele nennen konnten, die ihnen bereits gefielen oder auch nicht gefielen. Eigentlich mache ich bei meinen öffentlichen Spieleabenden in Greifswald ja auch nichts anderes – ich versuche herauszufinden, welchen Spielegeschmack die Gäste haben und ihnen das richtige Spiel vorzuschlagen. Besonders lehrreich waren aber die schwierigeren Kunden, solche, die ohne oder mit nur sehr wenig Vorwissen über Spiele in den Laden kamen und einfach nur „ein gutes Spiel“ kaufen wollten. Herauszufinden, was solche Nichtspieler anspricht, ist für meine Zukunft als Spieleautor besonders wertvoll. Zwar kann man wohl nie absichtlich ein neues „Catan“ oder „Carcassonne“ erfinden, aber man kann versuchen herauszufinden, worin die Anziehungskraft dieser Spiele liegt, was einem Spiel diese Qualitäten gibt.

Neben dem Adventstrubel blieb leider nur selten Zeit für einen Einblick in die Funktionsweise des Einzelhandels und die Besonderheiten in der Spielebranche, aber im Laufe der Woche habe ich doch einiges mitbekommen und gesehen, dass die Spieleburg so einiges richtig macht: Die Zahl der Stammkunden, die mehrmals wöchentlich oder sogar täglich vorbeikamen war schon beeindruckend und man konnte den vertrauten Umgang mit den Mitarbeitern spüren. Ob ich mein Glück im Einzelhandel versuchen würde? Vermutlich nicht, aber das Interesse am direkten Kontakt mit den Spielern hat diese Woche durchaus geweckt. Eine gute Ergänzung wäre ein paar Tage in die Abläufe eines Spielecafés zu schnuppern.


Spiele-Erfinder-Stuido von Jens-Peter Schliemann

Das letzte der vier Pflichtpraktika (ich hoffe aber, dass ich mir noch weitere Praktikumsplätze bei weiteren Verlagen ergattern kann) machte ich bei Spieleautor Jens-Peter Schliemann in Bonn. Auf dieses Praktikum war ich natürlich am gespanntesten, schließlich will ich ja selbst erfolgreicher Autor werden. Jens-Peter gewann mit „Burg Appenzell“ und „Nacht der Magier“ bereits zwei Mal den deutschen Kinderspielepreis und seine Spiele wurden mehrfach für das Kinderspiel des Jahres nominiert.

Sein erstes Spiel wurde 1996 veröffentlicht und seitdem hatte er viel Erfahrungen gesammelt, die er in dieser Woche an mich weitergeben wollte. Heute arbeitet er vor allem in Kooperationen mit anderen Spieleautoren. Am Montag besuchten wir Bernhard Weber in Bonn, um an den letzten Problemen zweier Prototypen zu arbeiten. Zu beiden konnte ich meine Ideen beisteuern. Ab Montagabend kam Guido Hoffmann für den Rest der Woche zu Besuch, ein weiterer Spieleautor, mit dem Jens-Peter kooperiert. Da Guido in Wien lebt, treffen sich die beiden von Zeit zu Zeit zu Intensiv-Sessions um ihre Prototypen voranzubringen. Auch hier wurde ich voll mit einbezogen und wir konnten in dieser Woche einige Probleme der Prototypen lösen. Auffällig war, wie viel Aufwand Jens-Peter und seine Kooperationspartner in ihre Prototypen stecken. In meinem Bericht vom Spielwaren-Archiv in Nürnberg habe ich bereits ähnliches über die Prototypen Alex Randolphs berichtet, der auch ein enorm erfolgreicher Autor war. Prototypen aufwendig zu gestalten scheint also eine gute Idee zu sein. Zum einen hilft es beim Testen, indem es Spielern Lust auf’s Spielen macht. Zum andern kann es auch bei der Verlagssuche hilfreich sein, wenn man Verlagen Themen vorschlägt. Manchmal ist das aber auch hinderlich, sollte der Verlag ein Thema als Nischenthema kategorisieren. Eine weitere Besonderheit von Jens-Peters Spielen sind die verwendeten Materialien. Er und seine Mitautoren arbeiten mit kleinen Wind-Up-Motoren, nachtleuchtenden Farben, Magneten, Murmeln und sind immer auf der Suche nach neuen Ideen. Ich habe mir vorgenommen, diesen Material-Ansatz auch auszuprobieren. Neben dem Spieleerfinden gehört zum Alltag eines Spieleautors auch viel Verwaltung. Ich konnte zusehen, wie Jens-Peter und Guido ihre Termine für die Spielwarenmesse in Nürnberg machten (und habe auch gleich einige Termine mit Verlagen vereinbart). Aber ist man einmal erfolgreich und hat einen Verlag gefunden, geht es weiter mit Vertragsverhandlungen. Ich lernte einiges über die Tücken und Lücken die so ein Vertrag haben kann.