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Praktikumsberichte von Janet Kneisel

Praktikumsberichte von Janet Kneisel

Der Praxis-Teil des Stipendiums besteht 2011/2012 aus zwei ganzwöchigen und vier halbwöchigen Etappen. Praktikumsstationen für eine ganze Woche sind die Spieleverlage Ravensburger (Ravensburg) und Schmidt (Berlin). Ein halbwöchiges Praktikum wird Janet Kneisel im SpieleErfinderStudio von Jens-Peter Schliemann in Köln und im Atelier von Guido Hoffmann in Wien absolvieren. Hinzu kommen eine halbe Woche im Göttinger Spielwarenfachgeschäft Spieleburg sowie die Teilnahme an der 7. Deutschen Spieleautorentagung im hessischen Weilburg im Mai 2012.

SpieleErfinderStudio von Jens-Peter Schliemann

Mitte Juli war es soweit und ich blickte voller Neugierde um die Ecke in den Gereonswall auf meinem Weg in das SpieleErfinderStudio von Jens-Peter Schliemann in Köln. Sofort fiel mir das originelle Schild „Köln Mitte“ ins Auge und just in diesem Moment trat Jens-Peter unterhalb des Schildes aus der Tür. Damit begann für mich eine spannende Zeit.

In dieser Zeit durfte ich mehr, als nur über seine Schultern schauen, denn Jens-Peter ließ mich aktiv an seinen Projekten teilhaben und ging gezielt auf meine Anregungen und Fragen ein.

Das erste Projekt hatten Jens-Peter und Guido Hoffmann innerhalb der vorangegangenen zwei Wochen bereits ausgereift entwickelt oder gezaubert, kann man sagen. Unsere Aufgabe war daher nur noch Feinschliff.
Das zweite Projekt betraf ein älteres Spiel, welches Jens-Peter schon vor Jahren entwickelt hatte. Der Verlag hatte sich nach dem aktuellen Stand erkundigt und gezielte Wünsche angemeldet. In einem kreativen Ping-Pong entwickelten wir Ideen, welche über die nächsten Tage zu einer neuen zusammenhängenden Welt verknüpft wurden und das alte Spiel in das neue, für den Verlag besser passende Spiel transformierten.
Das dritte Projekt betraf einen Auftrag vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln an Jens-Peter, ein Spiel zu entwickeln, welches Schüler auf das Wirtschaftsjahr von „JUNIOR“ vorbereitet. Mit drei Vertretern des Instituts tauschten wir dazu weiterführende Gedanken und Ideen aus. Während der Diskussion fiel mir besonders auf, wie wichtig ein konstruktiver Austausch ist. Jede Person betrachtete das Spiel aus einem anderen Blickwinkel, seien es die spielerischen, pädagogischen oder die inhaltlichen Aspekte zur Betriebswirtschaft, und trug auf diese Weise zu einem Voranbringen des Projekts bei.
Das vierte Projekt: Durch das Schaufenster des Studios ergeben sich für Jens-Peter ungeahnte Kontakte. So wurde er vom Verein „Mehr Demokratie“ angesprochen, ein Spiel zu Politik und der Rolle eines jeden Bürgers zu entwickeln. Für diese spannende Aufgabe tauschten wir uns mit einem Vertreter des Vereins aus.
Durch diese unterschiedlichen Projekte habe ich wichtige Einblicke in die Arbeitsweise von Jens-Peter bekommen und für mich wertvolle Erfahrungen gesammelt. Jens-Peter macht bei einer neuen Idee zunächst ein breites Brain-Storming, ohne sich sofort auf einen bestimmten Pfad einzulassen. Bewusst lässt er bei der ersten Entstehungsphase Konzepte offen, um Raum für die Entwicklung zu geben und sich nicht zu früh auf etwas festzulegen, was möglicherweise den Blick reduziert. Auch ist Jens-Peter stets offen für konstruktive Diskussion und nimmt neue Aspekte gerne auf. Ich denke, für einen Autor ist es wichtig, zu keiner Zeit einer Spiele-Entwicklung Scheuklappen aufzusetzen, Anmerkungen anderer Personen kritisch zu prüfen und bei positiver Prüfung anzunehmen.
Für mich war zudem die Erfahrung wertvoll, wie bereichernd der Austausch zwischen Spiele-Autoren sein kann, indem die Ideen tatsächlich Ping-Pong spielen und sich auf diese Weise ein stimmiges Spielkonzept hinter einer interessanten Geschichte zusammenfügt.
Außerdem war es für mich beeindruckend zu sehen, wie Jens-Peter mit viel Phantasie und handwerklichem Geschick Prototypen baut, die bereits beim direkten Anblick in eine andere Welt entführen.
An unserem letzten gemeinsamen Nachmittag testeten wir in der „Feuerwache“ (siehe Interview) mit verschiedenen Kindern zwei Spiele von Jens-Peter und zwei Spiele von mir und hatten in dieser Zeit viel Spaß. Bei einem meiner Spiele konnte ich beobachten, wie die Kinder in die Phantasiewelt meines Spiels eintauchten und aufgingen, in einer Intensität und Faszination, die meine Erwartungen völlig übertrafen. Nach dem Spiel meinte ein neunjähriger Junge zu mir: „Jens-Peter kenne ich bereits als Spiele-Erfinder mit tollen Spielen, aber du machst auch tolle Spiele.“ Ein Mädchen fragte: „Kommst du morgen wieder? Kannst du dann das Spiel wieder mitbringen?“ Wenn das nicht der passende krönende Abschluss für meine erste Stipendium-Woche war, was dann?!
Und ich kann nur noch gespannter sein auf das, was mich erwartet in den nächsten Stationen meines Stipendiums!

Allen, die Jens-Peter als Spiele-Erfinder noch besser kennenlernen möchten, sei das nachstehende Interview von mir mit ihm nahegelegt:

Seit wann erfindest du Spiele und was war für dich der Auslöser, Spiele-Erfinder zu werden?
Ich habe bereits mit einem Freund aus der Kindheit Spiele erfunden. Mit 13 Jahren habe ich einen Zeitungsartikel in der Größe einer Memorykarte über Alex Randolph gelesen und sofort gewusst: „Das willst du auch machen!“

Wie war dein Weg zum Spiele-Erfinder? 
Ich habe eine mathematische Leidenschaft. Diese hat sich unter anderem durch das Spielen entwickelt, da ich immer sehr ehrgeizig gespielt habe und strategisch-analytisch überlegt habe, wie ich gewinnen kann. Da mir die Mathematik zuflog, habe ich mich bereits ab der Oberstufe verstärkt darauf konzentriert. Nach der Schule habe ich Mathematik studiert, da ich es für eine gute und interessante Laufbahn hielt.
Während des Studiums habe ich gemerkt, dass ich zu den Spielen zurückwollte. Beeinflussend war hierbei sicherlich meine Zeit im Studentenwohnheim. Dies war ein besonderer Ort, ein ehemaliges Grafenschlösschen, welches mitten im Wald lag, und dadurch einen bestimmten Typus von Studenten anzog. In diesem Umfeld habe ich gemerkt, dass mir Kreativität viel bedeutet, auch in der Mathematik. In der Mathematik fehlte mir jedoch das entsprechende kreative Umfeld und ich erlebte meine Kreativität dort als sehr einsam. Hinzu kam, dass mir die Phasen, die ich in mathematischer Kreativität erlebt habe, zu heftig waren.
Dies war ausschlaggebend, dass ich mich dann zurückbesann auf meinen Jugendtraum, Spiele zu erfinden. Zudem empfand ich das Erfinden von Spielen alltagsbezogener. Gleich zu Beginn bin ich Kooperationen eingegangen und erlebte dabei das gemeinschaftlich Kreative, was mir am Brettspiel ja auch gefällt, also nicht nur das Gewinnen, das Strategische, der Konflikt, sondern auch die Tatsache, dass man sich in einer Gemeinschaft befindet. So würde ich das Spielen mit meinem Opa als familiären Liebesakt bezeichnen, da ich nicht nur die Konkurrenz erlebte, sondern auch die menschliche Nähe.
Auf diese Weise habe ich während des Studiums durch den Kontext im Studentenwohnheim für mich die Erkenntnis gewonnen, dass ich den kreativen Weg leben möchte. Ich will die Einmaligkeit des eigenen Lebens so nutzen, dass ich mich kreativ zum Ausdruck bringen kann. Mit der Mathematik bekam ich zudem Panik davor, welchen Beruf ich mit diesem Studium machen würde. Irgendwo vielleicht bei einer Versicherung landen und Risiken berechnen? Das konnte ich mir für meinen Weg nicht vorstellen. Mit diesen Gedanken folgte für mich eine Übergangsphase vom Studium hin zur freischaffenden künstlerischen Tätigkeit eines Spiele-Autors.

Wie entsteht bei dir eine Idee für ein Spiel? 
Wenn sich etwas verdichtet, wenn man merkt, da ist jetzt etwas. Es kann auch sein, dass man sich einen Auftrag stellt. Ich habe ja in Kooperation mit Kirsten Becker Spiele im Dunkeln entwickelt und wir haben uns den Auftrag gestellt, ein Spiel zu entwickeln, welches man im Dunklen sitzend mit leuchtenden Materialien spielt. Und „verdichtend“ bedeutet, es fügt sich etwas aus verschiedenen Richtungen zusammen, was man als Ansatz weiter verfolgen kann. Zusätzlich gibt es eine dynamische Komponente, d.h. dass ich mir vorstellen kann, dass aus all diesen Bausteinen ein Spiel entstehen kann. In dieser Phase ist man noch sehr offen, weil man sich erst am Beginn des Entstehungsprozesses befindet, aber man ahnt bereits, dass in dieser Idee etwas drin steckt, was sich wie Spiel anfühlt.

An wie vielen Projekten arbeitest du parallel?
Es häuft sich mit den Jahren einiges an. Ich habe mal versucht meine Prototypen durchzuzählen. Ich habe sicherlich 60 bis 70 unterschiedliche Ansätze verfolgt, die mehr oder weniger zu einem Spiel geworden sind. Wenn ich mir zudem die Varianten davon vorstelle, dann sind es bestimmt über 200 Prototypen. Betrachtet man nun die Zahl der Veröffentlichungen, dann sind das bei mir ein Zehntel davon. 19 Spiele habe ich veröffentlicht.
Spiele-Entwicklung ist ein Prozess, bei dem man auch häufig in Sackgassen läuft. Dies hilft einem jedoch, das Terrain kreativ zu beackern und die Kristallisationspunkte, die zu einem Spiel werden, herauszufinden. Dieser Prozess ist letztlich häufig mit Scheitern und Fehlentwicklung verknüpft, aber auch mit konkretem Finden und dem Erlebnis, dass sich etwas zusammenfügt. Die Zahl der Veröffentlichung ist sozusagen die Spitze des Eisberges, das, was rausragt von dem, was man noch alles tut. In diesem Ablauf ist es so, dass man einige Projekte beiseitelegt, weil man damit nicht weiter kommt, dann ruhen sie.
Für mich habe ich herausgefunden, dass ich es kreativ schöner finde, in Gemeinschaften zu arbeiten, weil ich Kreativität als einen vom Alltag abrückenden Prozess erlebe, was einen alleine einsam machen kann. Es hat sich für mich herausgestellt, dass die Arbeit mit einem Kooperationspartner schöner ist, am besten zu zweit, ansonsten ist der Ablauf nicht effizient genug. Das ist zudem für ein kreatives Ping Pong ausreichend. Und dazu habe ich viele verschiedene Kooperationspartner. Auf diese Weise pulsieren meine Projekte. Da ist man manchmal voll in etwas drin und etwas anderes rückt zur Seite, weil man ja nur eins nach dem anderen machen kann und so pulsiert es auch mit meinen Kooperationen. Mal habe ich mehr mit dem einen Partner, mal mehr mit dem anderen zu tun. Zudem sind die Kooperationen auch unterschiedlich. Mit Bernhard Weber, der in Bonn lebt, treffe ich mich regelmäßig, meist einmal pro Woche. Mit Heinrich Glumpler und anderen ebenfalls, die hier vor Ort sind.
Mit Kirsten Becker, Guido Hoffmann und Marén Kruse, die in Münster, Wien und Berlin leben, treffe ich mich für mehrere Tage hintereinander, sodass wir richtig in Kreativklausur gehen können. In der Regel habe ich mit vier oder fünf Kooperationspartnern mindestens ein aktuelles Projekt.

Gibt es eine bestimmte Zielgruppe, für die du besonders gerne Spiele entwickelst?
Diese Frage muss ich auf zwei Arten beantworten. Als Spieler mag ich am liebsten Zwei-Personen-Strategie-Spiele, die ich neben den Zufalls-Orakel-Spielen für das Ur-Genre bei den Spielen halte. Das Zwei-Personen-Strategie-Spiel ist ja ein Jahrtausende altes Genre und eines, welches weltweit vertreten ist.
Als Kreativer muss ich mich in diesem Genre nicht ausleben, weil es bereits ein deutlich bestehendes Genre ist, welches ich sehr gut finde. Habe ich dennoch in diesem Bereich eine gute Idee, verfolge ich sie durchaus weiter.
Als Kreativer finde ich das Familienspiel spannender. Unter „Familienspiel“ begreife ich ein Spiel, das unterschiedliche Menschen in eine Gemeinschaft führt. Klischeemäßig passt folgendes Bild: der Vater, der gestresst von der Arbeit nach Hause kommt; die Mutter, die sich freut, dass die gesamte Familie zusammen Zeit verbringt; der hibbelige Sohn, der ganz ehrgeizig spielt; das brave Töchterlein; und die alte Oma, die sich ebenfalls freut, Anteil am Familienleben zu haben. Wenn alle zusammen nun dasselbe Spiel spielen können und es gelingt, jeden einzelnen im Spiel abzuholen, den Vater, der von seinem Stresspegel runterkommt, die Mutter, die zufrieden ist, dass alle zusammen sind, die Oma die mit dabei ist und die Kinder, die sich freuen, im Spiel Abenteuer zu entdecken, wenn für jeden Beteiligten dies in einem Spiel drin steckt und passieren kann, so finde ich das großartig. Als Kreativer sollte man dieses Bild berücksichtigen und jeden in seiner Individualität abholen und gesamthaft dafür Sorge tragen, dass die Familie etwas gemeinsam erleben kann. Dass einem Spiel dies gelingen kann, das finde ich grandios!

Wer sind hauptsächlich deine Spiele-Tester?
Ich habe einen Spielekreis mit Erwachsenen, der sich einmal im Monat trifft. Dann habe ich hier in der Nähe die „Feuerwache“. Dort findet Nachmittagsbetreuung für Kinder statt, an welchen ich meine Spiele häufig ausprobiere. Natürlich finde ich auch Gelegenheit in meiner eigenen Familie und in den Familien aus meinem Freundeskreis. Zusätzlich entstehen über mein SpieleErfinderStudio durch das Schaufenster Situationen, die ermöglichen, dass ich hin und wieder mit Menschen, die ich vorher überhaupt nicht kannte, am Spieltisch sitze und meine Spiele teste.
Wann hast du das SpieleErfinderStudio eröffnet?
Vor 5 Jahren.

Was hat dich dazu motiviert, ein SpieleErfinderStudio zu eröffnen?
Die Erfahrung, dass mir die Einsamkeit in der Kreativität nicht gefällt. Zunächst bin ich 1996 eine Kooperation mit Michael Antonow eingegangen und 1998 mit Kirsten Becker, sowie mit dem Team Annaberg, das heißt mit Christwart Conrad, Marcel-André Casasola Merkle und Bernhard Weber. Diese drei Kooperationen habe ich lange Zeit betrieben. Das waren für mich drei Säulen. Mit Michael Antonow befand ich mich in der Zwei-Personen-Strategiewelt, mit dem Team Annaberg in der Welt der Spielerspiele und mit Kirsten Becker in der Welt der Kinder- und Familienspiele. Dies habe ich als drei Säulen meiner Kreativität begriffen, die sich auf einen zeitlichen Bezug hin orientiert haben. Irgendwann habe ich auch nicht mehr im Studentenwohnheim gewohnt. In meinem Zuhause in Bonn habe ich schließlich gemerkt, dass ich mich zu sehr im Wohnzimmer breit mache und dazu hat sich der Wunsch gemischt, dass ich nicht nur gerne eine zeitliche Orientierung als Säule haben möchte, sondern auch einen Raum, einen Ort, wo ich meine Kreativität als Heimat ansiedeln kann. Das ist das SpieleErfinderStudio für mich geworden.

Wie reagieren die Passanten auf das SpieleErfinderStudio?
Passanten sind zunächst von meinem Schaufenster angezogen. Man muss dazu sagen, dass diese Straße keine Geschäftsstraße ist. In der Straße jedoch gleich hier um die Ecke gibt es viele kleine Läden, so dass auch bei mir viel Laufpublikum vorbeikommt, da mein Studio doch zentrumsnah in Köln liegt.
Die Leute müssen erst mal realisieren, worum es sich handelt. Meist gehen sie davon aus, dass hier ein Spielgeschäft ist, bis sie merken, dass es ein SpieleErfinderStudio ist. Sie reagieren dann fasziniert, weil sie etwas sehen, was es woanders so nicht gibt. Je nachdem wie ich selbst drauf bin, mal mehr oder weniger offen, reagiere ich auf die Passanten. Manchmal brauche ich Zeit für mich, schließlich nutze ich dieses Studio ja als meinen Arbeitsort, dann bin ich nicht offen für einen Dialog, das strahlt man dann auch selbst aus. An anderen Tagen bin ich offen für Kontakte. Besonders im Sommer lasse ich auch die Tür neben dem Schaufenster offen stehen. So passiert es teilweise, dass die Kommunikation über Blickkontakt anfängt, da mein Tisch direkt hinter dem Schaufenster steht. Wenn dieser sympathisch verläuft und es dann eine Bereitschaft gibt, die ja zu spüren ist, dann gehe ich durchaus hinaus zum Schaufenster und spreche die Person an. Oder Passanten werden neugierig und machen selbst den ersten Schritt. Sie klopfen an und signalisieren aktiv ihr Interesse. Aus diesen Kontakten ergeben sich immer wieder interessante Gespräche.

Wie wird das Studio von der Stadt Köln wahrgenommen?
Noch nicht so. Ich habe durch Eigeninitiative einmal in der Stadtbücherei eine Ausstellung gemacht. Hierfür habe ich Plakate erstellt, die gezeigt haben, wie meine Spiele entstehen. Über den offiziellen Presseverteiler der Stadt Köln wurde die Ausstellung publik gemacht.
Im Nachbarviertel ist das belgische Viertel Mediapark, dort sind viele Medien Unternehmen angesiedelt. Über mein Schaufenster entsteht auch häufig Kontakt zu Journalisten, die einen Artikel über mich schreiben wollen. Auf diese Weise kommen Journalisten auf mich zu.
Seit 2 Jahren gibt es in Köln die Veranstaltung „Köln spielt“. Besonders bei der ersten Veranstaltung habe ich Anschubhilfe gegeben, speziell was die Kontakte zu Autoren betrifft. Es werden bei „Köln spielt“ Autorentische aufgestellt, wo sich mehrere Autoren zusammen präsentieren. Bei „Köln Spiel“ sind aber auch Spielwaren wie Kettcar und Bobby Car vertreten.

Von wem ist diese Veranstaltung initiiert? 
Initiiert ist „Köln spielt“ von dem Verein City Marketing. Die Mitglieder dieses Vereins sind Geschäfte und Hotels von Köln. Ziel des Vereins ist, die Innenstadt in Kooperation mit der Stadt zu beleben wie zum Beispiel mit verkaufsoffenen Sonntagen. Ich hatte von der Veranstaltung in der Zeitung gelesen und mich gefragt, wieso man mich nicht angesprochen hatte. Daraufhin habe ich die Veranstalter kontaktiert und gleich am nächsten Tag saß jemand bei mir im Studio. Sie kannten bisher nur die großen Verlage und waren neugierig auf mein Wissen. Besonders beim ersten Mal haben wir sehr eng zusammen gearbeitet und ich habe ordentlich Input geliefert. Spannend für mich war, dass hier in Köln Weiteres im Bereich Brettspiel passiert. Für solch eine Großstadt war es bisher sehr wenig gewesen.

Was ist dein schönstes und / oder lustigstes Erlebnis aus dem SpieleErfinderStudio?
Durch die Innenstadtnähe wurden schon Touristengruppen von ihren Führern zu meinem Studio geführt. Dann stand diese Touristengruppe um mein Schaufenster gereiht und der Führer erklärte, worum es sich hier handelte. Hier in Köln gibt es auch Rikscha-Fahrer.
Ein Jahr lang ist einer dieser Rikscha-Fahrer auch immer mein Studio angefahren und hat es Touristen gezeigt.
Ganz zu Anfang waren auch einmal Japaner in meinem Studio. Sie waren neugierig. Ich liebe es, Schadenfreude in Spielen zu verwirklichen und mit dem Spiel Piranha Pedro habe ich ein Spiel gemacht, mit dem ich die Schadenfreude auf die Spitze getrieben habe. Alex Randolph erzählte mir einmal, dass es in anderen Ländern gar nicht unbedingt ein feststehendes Wort für Schadenfreude gibt. Nun wollte ich gerne testen, ob die Japaner denn Schadenfreude empfinden. Daher habe ich mit ihnen Piranha Pedro gespielt. Für sie war das Spiel absolutes Neuland. Sie kannten diese Art Brettspiele, wie wir sie hier in Deutschland haben, überhaupt nicht. Es war witzig, das Spiel hat ja eine gewisse Komplexität in der Spielregel, aber mit der Zeit gerieten sie immer mehr in das Spiel hinein und die Schadenfreude kam richtig schön durch.

Auf welchen Erfolg bist du besonders stolz?
„Fire and Ice“, in welchem ich Mathematik und Spiel miteinander verknüpft habe; und auch der Erfolg von „Nacht der Magier“ ist sicherlich besonders. Was Hans Rüttinger mit dem Spiel gemacht hat, das ist schon toll.

Was sind deine Ziele in den nächsten fünf bis zehn Jahren?
Im Prozess zu bleiben, was Spiele-Erfinden betrifft, das heißt in einem Prozess zu bleiben, der mich zufrieden stellt und zu authentischen, marktfähigen und für mich auch finanziell so erfolgreichen Spielen führt, dass ich mich und mein Studio davon finanzieren kann.

Gibt es etwas, was du der Spielewelt gerne mitteilen möchtest?
Mut. Weiter mutig sein. Wir sind sicherlich im Vergleich zu anderen eine sehr kreative Branche. Aber ich finde, wir könnten teilweise noch mutiger sein. In unserer Branche können wir auf so vielen verschiedenen Ebenen kreativ sein. So am Spiel selbst, aber auch in der Erscheinungsform des Spiels, bei den Spielregeln, dass sie verspielter sind und zur Unterhaltung beitragen, dann mutiger in der Gestaltung, dass wir uns trauen, uns an coole Gestaltung zu wagen. Mutiger auch im Bereich von Themen, so über bestehende Klischeethemen hinaus, mit denen man versucht, das breite Publikum zu erreichen. Das beginnt mit dem kreativen Mut der Autoren, geht weiter über den Mut der Verleger, dies aufzugreifen, und endet beim Mut der Branche, das zu honorieren.

Was kannst du mir als neue Spiele-Autorin mit auf den Weg geben? 
Schön, dass du Mut beweist. Mut ist Erfahrungssache, wertvoll und wichtig. Trotz Ungewissheit traut man sich etwas. Ungewissheit wird letztlich auch in den Spielen thematisiert. Wir leben in einer immer vielfältiger wahrzunehmenden Welt, was mit der Globalisierung einhergeht. Die Ungewissheit, die dadurch entsteht, sollte von uns als Kreative thematisiert werden, um sie besser begreifbar zu machen. In dem Kommunikationszeitalter, in dem wir uns befinden, können wir mit Hilfe unserer Spiele dazu beitragen. Und da machst du dann auch mit!

Durch den interessanten, produktiven Austausch vergingen die Tage in Köln wie im Flug. Umso mehr freue ich mich, dass ein zweiter Teil dieses Praktikums zusammen mit Jens-Peter Schliemann und Karin Hetling bei Guido Hoffmann in Wien nächstes Jahr folgt.

Jens-Peter, Dir herzlichen Dank für die gute und lehrreiche Zeit!
Bereits jetzt freue ich mich riesig auf Wien!


Schmidt Spiele in Berlin

Am 22. August 2011 betrat ich voller Vorfreude und Neugierde die heiligen Hallen von Schmidt Spiele. Dort hießen mich alle Mitarbeiter sowie ein großer Plüsch-Benjamin und ein Plüsch-Tabaluga herzlich willkommen.

Und schon tauchte ich in die faszinierende Welt der Schmidt Spiele ein, denn ich wurde gleich zu Beginn voll integriert und mit spannenden Aufgaben betraut, die zum Tagesgeschäft der Produktmanager gehören. Auf diese Weise durfte ich jeden Tag in einen anderen Bereich hineinschnuppern.

Meike Wilken zeigte mir die neue Holzspielzeugreihe für Kleinkinder von Drei Magier. Eine tolle Grafik und mitreißende Namen wie „Wackelgeister“ oder „Stapel-Spuk-Steine“ entführen Kinder direkt in eine Phantasiewelt.

Claudia Geigenmüller und ich haben für Drei Magier einen phantasievollen Prototypen mit tollem Mechanismus gespielt und über die Regeln diskutiert. In dem Spiel, das bald veröffentlicht wird, verfolgen die Kinder zwei Ziele. Wie stark gewichtet man nun welche Zielerreichung? Soll das Kind, welches das Hauptziel erreicht hat, in jedem Fall der Sieger sein? – Fragen, die wesentlich das Spielerlebnis beeinflussen. Im Anschluss schrieb ich den ersten Entwurf der Spielanleitung. Jedes Wort und jeder Satz sollten passen, dabei das Wesentliche ausdrücken, ohne zu viel Platz zu beanspruchen. Denn die Spielanleitungen der Drei Magier Spiele erscheinen in einer grafisch sehr ansprechenden Gestaltung, zusätzlich mehrsprachig. Dann ist auf ein durchgängig einheitliches Vokabular zu achten, in einheitlicher Zeit und Perspektive.

Für Janny Holsheimer durfte ich für eine eigene Reihe von Schmidt-Kinderspielen Spiel-Titel sowie die entsprechenden Schachtel-Rückentexte und Spielanleitungen entwerfen. Hierbei erlebte ich hautnah den redaktionellen Alltag und was es bedeutet, wenn Bild und Text den ersten Kontakt zum Konsumenten herstellen.

Antje Gleichmann erklärte mir die Unterschiede zwischen lizenzfreien Kinderspielen und Lizenzspielen. Der Lizenzmarkt war für mich bis anhin Neuland. Er ist hart umkämpft und umworben, so gibt es für Lizenzen oft gleich mehrere Interessenten (Verlage). Bei dem Verlag, der den Zuschlag für eine besonders erfolgreiche Lizenz / Marke erhält, ist die Freude natürlich besonders groß. Ein Lizenzspiel schafft zusätzlichen Kaufanreiz und bietet meist mehr Potential. So hat der Markenkern bei der Kaufentscheidung einen großen Einfluss, z.B. steht die Marke Benjamin Blümchen für „gewaltfrei“, „kindgerecht“ und „pädagogisch wertvoll“. Daher ist bei der Auswahl von Spielideen und Mechanismen wichtig, dass sie zu den jeweiligen Lizenzwelten und Charakteren passen. Es ist deshalb üblich, dass der Verlag Autoren auf bestimmt Lizenzthemen brieft und das Entwickeln von Spielen in Auftrag gibt. Hierbei arbeiten die Autoren und der Verlag sehr eng zusammen.

Die Produktmanager im Kinderspielbereich und ich testeten zudem neu eingereichte Prototypen und diskutierten über Spielidee, Mechanismus und Umsetzbarkeit. Ein Spiel hat dabei direkt überzeugt und es wurde sofort unter Vertrag genommen. So schnell kann es gehen!

Thorsten Gimmler und Mario Coopmann führten mich in den Bereich der Familien- und Erwachsenenspiele ein. Wir spielten ein Spiel, welches uns durch seine Spielgeschichte, seinen Spielmechanismus und seine phantasievoll gestalteten Materialien in eine andere Welt entführte. Dieses Spiel wird bald veröffentlicht und ich durfte für die Spieleschachtel einen Rückentext entwerfen sowie die Spielanleitung prüfen und Änderungsvorschläge einbringen. Für ein weiteres Spiel durfte ich einen ersten Entwurf für die Spielanleitung erstellen.

Anke Loose zeigte mir ihre Welt der Plüschtiere und Puzzles. Sie hat diesen Bereich neu übernommen und sie steckt voller Ideen und Visionen, wie er zukünftig präsentiert werden soll. Einiges konnte sie bereits umsetzen, und viele weitere interessante neue Akzente werden folgen.

Nils Jokisch gab mir spannende Einblicke in den Bereich der Werbung, der Internetpräsenz und der Kataloggestaltung. Ich durfte sogar aktiv am Katalog mitarbeiten. Zukünftig werde ich Kataloge oder Werbeprospekte mit ganz anderen Augen anschauen.

Sehr dankbar war ich für die Möglichkeit, mitgebrachte Prototypen den jeweils zuständigen Produktmanagern vor Ort vorstellen zu können! Alle Produktmanager haben sich dafür sehr viel Zeit genommen und mir wertvolle Anregungen und Hinweise gegeben. Zwei Spiele werden wir gemeinsam weiterverfolgen und bei einem anderen Spiel habe ich einen guten Tipp bekommen, bei welchem Verlag dieses Spiel bestens hineinpasst. Zudem habe ich durch unseren Austausch erkannt, je besser ein Autor versteht, was ein Verlag von einem Spiel erwartet, welche Materialkosten umsetzbar sind, wie das Spiel in das Programm hineinpasst und wie es später im Markt positioniert werden kann, desto gezielter kann er dies in seine Spieleerfindung mit einfließen lassen. Jegliche Hinweise können einem Autor daher in der eigenen Entwicklung und Betrachtungsweise weiterbringen.

Zum Abschluss führte mich Jörg Priemer durch die außerhalb liegenden, eindrücklichen Lagerhallen von Schmidt. Spiele, Puzzles und Plüschtiere werden in Lohnherstellung gefertigt und vor der Konfektionierung in einem vollautomatischen Hochlager zwischengelagert. In der Konfektionierung werden Kundenaufträge zusammengestellt und für den Versand verpackt. Besonders interessant war es für mich, die Kassettenproduktion zu sehen und vom leitenden Techniker erklärt zu bekommen.

Um die Welt eines Produktmanagers für Spiele besser zu verstehen, habe ich mit Claudia Geigenmüller (Foto 4) nachstehendes Interview geführt.

Wie bist du Produktmanagerin für Spiele geworden?
Wie so viele in der Branche – nicht auf direktem Wege. Ich habe Mediendesign studiert und mich während meines Studiums auf Produkte für Kinder spezialisiert. Dabei habe ich im zweiten Semester ein Spiel entwickelt. Von einer Spielebranche wusste ich bis dato noch nichts. Dass es die aber tatsächlich gibt, wurde mir erst bewusst, als ich mit meinem Spiele-Prototypen auf Tom Wernecks Spieleerfindermesse in München war. Hier tummelten sich nicht nur viele Spieleerfinder, sondern auch die Verlagsvertreter, sogenannte Spieleredakteure oder auch Produktmanager: ein Beruf, der mir vollkommen unbekannt war. Ich hatte das große Glück, dass mein selbst erdachtes Spiel tatsächlich auf Interesse stieß und es von Selecta Spielzeug unter Vertrag genommen wurde. Bald darauf kam dann die alles entscheidende Frage vom Verlagschef Matthias Menzel, ob ich mir vorstellen könnte, als Produktmanagerin für den Spielebereich zu arbeiten. Eine Chance, die ich gern wahrgenommen habe und die mir den Weg in die Spielebranche ermöglicht hat. Die Mischung aus Kreativität, pädagogischem Anspruch und wirtschaftlichen Aspekten ist es, die diesen Beruf bis heute so interessant für mich macht.

Wie viele Spiele betreut ein Produktmanager bei Schmidt / Drei Magier Spiele im Durchschnitt?
Das ist von Bereich zu Bereich verschieden. Bei Drei Magier sind es beispielsweise vier bis sechs Neuerscheinungen pro Jahr und zirka dreißig Auslandsauflagen.

Wie häufig testet ihr in der Regel ein Spiel, bis ihr euch dafür entscheidet und es unter Vertrag nehmt?
Da ist die Antwort ganz klar: je nach Bedarf. Teilweise kommen schon sehr ausgereifte, gut getestete Spiele zu uns, aber natürlich gibt es auch Spielideen, die intensiveren Tests bedürfen. Und im Endeffekt gehört neben den Testergebnissen und der Berufserfahrung auch immer ein wenig Bauchgefühl dazu, wenn es darum geht zu entscheiden, welche Idee am Ende tatsächlich die beste ist.

Wer sind eure Spieletester?
Die ersten Proberunden finden in der Regel in der Redaktion statt. Gemeinsam mit den Kollegen werden die Ideen bewertet. Die nachfolgenden Testrunden finden dann in der Regel in den jeweiligen Zielgruppen statt. Im Kinderbereich testen wir je nach Altersgruppe entweder im Kindergarten oder in der Grundschule. Aber auch in unserer Freizeit wird oft getestet, denn je mehr unterschiedliche Meinungen zusammenkommen, desto besser.

Was sind für dich die wichtigsten Kriterien, die ein gutes Spiel erfüllen muss?
Ein gutes Spiel…eine schwierige Frage. Das ist doch sehr subjektiv und hängt sicher vor allem von der Zielgruppe ab. Im Kinderspielbereich sind es für mich persönlich folgende Kriterien: Spielspaß, Wiederspielreiz, Material / Ausstattung, Gestaltung und Spielthema. Wichtig ist es, sich in die Zielgruppe hineinzuversetzen. Gerade bei Kindern ist es wichtig zu schauen, was sie in welchem Altersbereich können und mögen. Es gilt dabei, die Kinder nicht zu über- oder zu unterfordern. Kinder wollen Unterhaltung, aber man darf nicht unterschätzen, dass es oft schon einfache Dinge sind, die den Kleinen großen Spaß machen.

Wie weit im Voraus steht euer Programm der neuen Spiele fest?
Wie bei den meisten Spieleverlagen erscheinen auch bei uns zwei Mal im Jahr die Spieleneuheiten. In der Regel einmal im Herbst, zur Essener Spielemesse, und einmal zur Nürnberger Fachmesse im Februar. Bei Schmidt Spiele wird zirka neun bis zwölf Monate vor Veröffentlichung festgelegt, welche Sortimentsbereiche bzw. Lizenzthemen ergänzt oder neu aufgebaut werden. Gemeinsam wird entschieden, welche Spielideen konkret für die geplanten Artikel in Frage kommen. Bei Drei Magier ist dagegen etwas langfristiger absehbar, in welche Richtung das Sortiment ausgebaut werden soll. Unsere Kernkompetenz liegt hier ganz klar im Bereich Kinder- und Kartenspiele. Hierfür werden laufend Ideen gesucht und es ist immer wieder eine Herausforderung, realisierbare, innovative Ideen zu finden.

Kommt es vor, dass Spiele nach Programmentscheidung trotzdem noch in eurem Programm aufgenommen werden?
Die Entscheidung, ob ein Spiel tatsächlich erscheint, steht und fällt mit der Realisierbarkeit und der Kalkulation. Hat der Verlag eine Idee für gut befunden, wird er in der Regel viel dafür tun, dass es dieses Spiel auch auf den Markt schafft. Hierzu ist es oft notwendig, gemeinsam mit dem Autor, Veränderungen an der Spielausstattung oder am Material vorzunehmen.

Wie sieht eure Zusammenarbeit mit Hans im Glück aus?
Mit Hans im Glück haben wir seit vielen Jahren eine feste Vertriebskooperation. Als Partner stehen wir beratend zur Seite, die Redaktion erfolgt allerdings eigenständig bei Hans im Glück. Auch über Ausbau und Entwicklung des Sortiments wird direkt im Münchner Verlag entschieden. Der Vertrieb der Produkte erfolgt dann über Schmidt Spiele.

Welchen Ratschlag hast du für mich als neue Spielautorin?
Ich konnte dich in der Zeit bei uns ein Stück weit kennen lernen und muss sagen, dass du vieles aus dem Bauch heraus schon wirklich gut machst. Wenn eine Idee entsteht, macht es für den Autor auf jeden Fall Sinn, sich immer wieder Feedback von verschiedensten Leuten einzuholen. Sobald es einen spielbaren Prototyp gibt, sollte dieser ausgiebig getestet werden, vor allem in der jeweiligen Zielgruppe. Wichtig ist hierbei, jede Kritik zu hinterfragen. Stehen die Regeln dann fest, sollte man sie unbedingt zu Papier bringen. Wichtig hierbei sind eine klare Struktur und Vollständigkeit. Bereits veröffentlichte Anleitungen können für einen logischen Aufbau als Grundlage dienen. Um die Idee dann erfolgreich an den Verlag zu bringen, ist es wichtig, sich vorab über das jeweilige Produktportfolio zu informieren: Passt meine Idee zu diesem oder jenem Verlag? Im nächsten Schritt ist es auch immer hilfreich zu wissen, wie die Idee eingereicht werden sollte. Zum einen gibt es da natürlich die Möglichkeit des direkten Kontakts mit den Verlagen auf Messen oder Spieleerfindertreffen. Zum anderen besteht aber ganzjährig die Möglichkeit seine Ideen einzureichen. Viele Verlage, so auch wir, bevorzugen es da, vorab eine Kurzbeschreibung und aussagekräftige Fotos per Mail zu bekommen, um sich so einen ersten Eindruck zu verschaffen. Landet der Prototyp dann auf dem Tisch des Redakteurs oder Produktmanagers kann durchaus etwas Zeit ins Land gehen. Schließlich muss getestet, verglichen und abgewogen werden, wie viel Potential tatsächlich in einer Idee steckt. Hier kann es im Verlauf der Tests dazu kommen, dass auch die Redaktion Regelvorschläge oder Materialverbesserungen anregt. Schön ist es dann, wenn der Autor diese kritisch betrachtet, ebenfalls ausprobiert und man so am Ende gemeinsam zu einem tollen Ergebnis kommt.

Dem gesamten Schmidt-Team möchte ich ein großes, herzliches Dankeschön aussprechen für die überaus freundschaftliche Aufnahme und die vielen spannenden und lehrreichen Einblicke. Dir, Claudia, mein besonderer Dank! Durch deinen Einsatz hast du mir dieses Praktikum ermöglicht und es hervorragend für mich organisiert.


Spieleburg, Göttingen

Es ist kurz vor Weihnachten und daher genau die Zeit, bei der ich mir ausmalte, es sei die beste Zeit für mein Praktikum in der „Spieleburg“ in Göttingen. Und gleich zu Beginn stellte sich heraus, es war eine gute Wahl, denn es herrschte tatsächlich der erhoffte Trubel mit kauf- und beratungswilligen Kunden.
„Die Spieleburg“ ist eines jener Goldstücke, welche man sich für den Ort wünscht, in dem man wohnt: Ein breites Sortiment an Spielen und vor allem eine umfassende Beratung!
Natürlich interessierte ich mich besonders für die Erfahrungen des Inhabers der Spieleburg, Arne Soltendieck, und auch für die Bedürfnisse und Nachfragen der Kunden. Gerne möchte ich nachfolgend beide Seiten näher beleuchten.

Interview mit dem Inhaber der Spieleburg, Arne Soltendieck:

Seit wann gibt es die Spieleburg in Göttingen?
Seit 1995. Von den 15 Spielefachgeschäften, die es damals in der Umgebung gab, gibt es heute zusammen mit mir nur noch drei.

Wie viele Mitarbeiter sind in deinem Geschäft angestellt?
Ich habe zwei Festangestellte, einen Azubi und drei Aushilfen. Besonders im Weihnachtsgeschäft sind wir auf Verstärkung durch Aushilfen angewiesen.

Wie bist du dazu gekommen, ein Spielefachgeschäft zu eröffnen?
Bereits als Kind und Jugendlicher war ich Stammkunde in einem Spieleladen. Während meines Studiums habe ich in einem Spielegeschäft gejobbt und fand es schließlich spannend, selbst ein eigenes Geschäft zu eröffnen. In einem Spielegeschäft hat man die beste Kundschaft, die man sich wünschen kann: Menschen, die einen gewissen Intellekt haben und an Spielen interessiert sind. Dieser Austausch macht Freude!

Wie haben sich dein Sortiment und deine Kundschaft seit Eröffnung des Geschäfts verändert?
Die Spieleburg ist mit mir zusammen gewachsen. 1995 waren meine Hauptkunden Spielefreaks und Studenten im Alter zwischen 16 und 30 Jahren. Damals hat sich mein Geschäft besonders dadurch ausgezeichnet, jegliche Spiele besorgen zu können, selbst Spiele aus USA. Durch das Internet hat sich dies natürlich gänzlich gewandelt.
Heute sind meine Kunden bunt gemischt von Studenten, Familien bis hin zu den Großeltern. Die damaligen Studenten sind heute selbst Familienväter geworden, die nach wie vor in mein Geschäft kommen und sich ihre Spiele, wie z.B. Rollenspiele holen, aber auch für ihre Kinder nach Kinderspielen schauen. Und somit ist mein Geschäft mit der Zeit mitgewachsen und das Sortiment hat sich ebenso gewandelt. Wir führen heute zusätzlich ein breites Sortiment an Kinderspielen und besonderen Spielwaren. Selten sind jedoch Berufstätige hier, da die Besorgung von Spielen und Geschenken meist der Partnerin / dem Partner überlassen wird, der sich hauptsächlich um die Kinder kümmert.
Mittlerweile ist es aufgrund der geringen Margen kaum möglich, ausschließlich von Spielen zu leben. Daher ist die Ausstellungsfläche von Spielen im Vergleich zu 1995 geschrumpft und hochwertige Spielwaren sind hinzugekommen.

Ändert sich das Interesse der Kunden je nach Jahreszeit?
Spiele haben das ganze Jahr über Saison und sind gefragt. Dahingegen ist das Puzzle tatsächlich eher ein Winterartikel und Outdoor-Produkte sind Sommerartikel.

Wie viele Spiele verkauft ihr im Durchschnitt pro Monat und wie häufig wird ein Spiel des Jahres verkauft?
Die Zahlen sind stark vom entsprechenden Monat abhängig, so leistet zum Beispiel das Weihnachtsgeschäft einen erheblichen Beitrag zum Jahresumsatz. Ein Spiel des Jahres wird ca. 160 Mal bei uns pro Jahr verkauft. Bei anderen Spielen, die wir sehr gerne empfehlen, kommen wir auf vergleichbare Zahlen.

Was beeinflusst deiner Erfahrung nach das Kaufverhalten bei Spielen am meisten?
Die Auszeichnung zum Spiel des Jahres wird von der Bevölkerung stark wahrgenommen und dementsprechend verkaufen wir viele Spiele ohne vorgängige Beratung. Die Nominierung zum Spiel des Jahres sowie andere Spielepreise werden hingegen von der breiten Bevölkerungsmasse nicht oder nur kaum beachtet. Diese Auszeichnungen erwähnen wir jedoch bei unseren Beratungsgesprächen, sodass sie dadurch dem Kunden einen zusätzlichen Anreiz bieten. Bei uns im Geschäft steht ganz klar eine gute Beratung im Vordergrund, sodass wir Spiele empfehlen, hinter denen wir auch stehen können. Dies hat zur Folge, dass die Kunden ein wirklich gutes Spiel erhalten, zufrieden sind und gerne wieder zu uns kommen, um sich beraten zu lassen.

Jedes Jahr kommen mehrere Hundert Spiele auf den Markt. Wie behalten du und deine Angestellten dabei den Überblick? Und wie wählst du die Spiele aus, die du in dein Programm aufnimmst?
Einmal wöchentlich machen wir einen Spieleabend, um neue Spiele zu testen. Zudem bietet dies jedem Mitarbeiter die Möglichkeit, die Spiele kennen zu lernen und später dem Kunden erklären zu können. Viele Spiele werden bei uns auch nur angetestet, um dem Kunden das Wesentliche und den besonderen Reiz des Spieles vermitteln zu können. Auf der Spielemesse in Essen und Nürnberg suche ich neue Spiele heraus, die zunächst interessant klingen. Ich bestelle davon jeweils 2-3 Stück. Bekomme ich eine gute Empfehlung, so nehme ich auch solche Spiele mit. Danach geht es dann ans Testen. Die Spiele, die uns gefallen, werden in höherer Stückzahl bestellt und natürlich dem Kunden empfohlen.

Und welche Rolle spielt dabei die Verlagsauswahl?
Leider spielt die Verlagswahl in der heutigen Zeit tatsächlich eine Rolle. Es gibt Verlage, deren Spiele im Internet aus verschiedensten Gründen teilweise preiswerter sind, als der Einkaufspreis für Händler. Von diesen Verlagen picken wir uns nur die Rosinen des Verlagsprogramms heraus, um sie da zu haben, wenn ein Kunde gezielt danach fragt.

Seit wie vielen Jahren ist die Internet-Konkurrenz deutlich spürbar?
Deutlich spürbar ist die Konkurrenz seit 2005. Wie eben erwähnt, gibt es Verlage, die insbesondere Internet-Händlern überaus gute Konditionen anbieten (oder stationären Händlern schlechte Konditionen). Das bedeutet, ich (und andere stationäre Händler) führen diese Produkte nicht mehr in dem Maße, wie wir könnten. Die Abverkäufe des Verlages konzentrieren sich auf wenige große Kunden, bis im Extremfall nicht mehr der Verlag die Preise vorgibt, sondern die wenigen verbliebenen Großkunden den Preis „diktieren“.

Wie begegnet ihr der Konkurrenz aus dem Internet?
Wir führen ein breites Sortiment an qualitativ hochwertigen Spielwaren, haben ein sehr gut ausgesuchtes Spiele-Sortiment und das Wichtigste ist unsere Beratung. Diese zeichnet uns aus und unterscheidet uns. Wir erklären dem Kunden die Spiele nicht anhand der Schachtel, sondern packen die Spiele aus und bauen sie auf. Dies schätzen die Kunden sehr, da sie das Spiel dadurch direkt anfassen, erleben und ausprobieren können.

Wenn ich in fünf Jahren in dein Geschäft komme, was ist dann anders und was ist gleich und warum?
Es wird weiterhin eine qualitativ hochwertige Beratung geben, Spiele werden stets für den Kunden ausgepackt werden, damit dieser das Material tatsächlich anschauen und erleben kann, und wir werden weiterhin Produkte führen, die sich durch hohe Qualität und ein besonderes Sortiment auszeichnen. Welche weiteren Kriterien noch hinzukommen können, weiß ich nicht. Denkbar wäre, dass eines Tages ausschließlich Waren von deutschen Herstellern im Sortiment wären. Wie das Geschäft ansonsten aussehen wird, kann ich heute noch nicht sagen. Was ich aber sicher weiß ist, dass ich mich gut der Entwicklung der Zeit anpassen kann und die Philosophie der Spieleburg Bestand haben wird. Es ist jedoch eher unwahrscheinlich, dass ich das Geschäft für die nächsten fünf Jahre weiter führen werde. Gerne möchte ich eines Tages die Selbstständigkeit in ein geregeltes Arbeitsverhältnis eintauschen, um am Abend tatsächlich frei zu haben und im Urlaub wirklich abschalten zu können.
Und nun zu meinen eigenen Erfahrungen in dieser Woche mit den Kunden:

Während meines Praktikums habe ich insbesondere darauf geachtet, nach welchen Kriterien Kunden Spiele auswählen. Folgende sind mir besonders haften geblieben:

Spiel des Jahres: Direkt vom Kunden gefragt wurde hauptsächlich nach dem Spiel des Jahres, eher selten nach dem Kinderspiel oder Kennerspiel des Jahres. Ein Teil der Kunden hat das Spiel des Jahres unbesehen direkt mitgenommen, andere haben es sich zunächst zeigen und erklären lassen.

Wunschzettel: Ein paar Kunden hielten Wunschzettel für Weihnachten in der Hand und haben die darauf aufgelisteten Spiele unbesehen mitgenommen.

Familienspiel: Von Familien und Großeltern war bei Familienspielen eine einfache Regel wichtigstes Kriterium. Das Spiel sollte unterhalten und nicht allzu kompliziert sein, dies betraf nicht nur eine einfache verständliche Spielanleitung, sondern auch einen einfachen, unterhaltsamen Mechanismus.

Kinderspiele: Bei Kinderspielen wurde nach Empfehlungen jeweils für ein bestimmtes Alter gefragt. Hinzu kamen teilweise weitere Wünsche wie z. B. das Spiel soll auch Erwachsenen Spaß machen, ein Spiel mit Memoanteil, ein Spiel mit Formen und Farben.

Strategie-Spiel: Die Kunden für Strategie-Spiele waren hauptsächlich im Studentenalter. Dann sollten es auch komplexere Spiele sein, die länger dauern durften. Die Beratung für diese Kunden war sehr intensiv und dauerte häufig bis zu einer Stunde.

Zwei-Personen-Spiel: Die Nachfrage nach guten Zwei-Personen-Spielen kam, zumindest für mich, erstaunlich oft! Als einzelne Person, aber häufig auch als Paar wünschte man sich eine Beratung zu passenden Spielen. Denn nur zu oft war man bisher von Spielen enttäuscht worden, die zu zweit einfach nicht wirklich Spaß machten.

Spiele für zwei bis sechs Personen: Solche Spiele wurden angefragt für Familientreffen oder für den Ski-Urlaub. Wichtig war die einfache Regel, aber das Spiel selbst sollte durchaus einen gewissen Anspruch haben. Kartenspiele standen auf dieser Hit-Liste ganz oben.

Party-Spiele: Hier waren Spiele mit hohem Spaß Faktor gesucht, die mit bis zu zehn Personen gespielt werden können.

Insgesamt hat mir die Beratung von Kunden sehr viel Spaß gemacht. Schön war auch, dass häufig die Rückmeldung kam, dass die Kunden die gute Beratung in der Spieleburg schätzen und daher gerne dort hinkommen. Beeindruckend war hierbei Arnes unerschöpflich scheinendes Gedächtnis. Egal nach welchem Spiel gefragt wurde oder wie alt dieses war: Arne konnte Auskunft geben über den Spielinhalt und Mechanismus sowie über Vertriebswege. Auch sein Team war erstaunlich gut darin, Rätsel zu raten, da mache Kunden sich nur an einen Begriff aus einem Spiel erinnerten oder an ein bestimmtes Spielmaterial, aber ansonsten keine weiteren Informationen besaßen.


Reinhold Wittig

Ausstellung „Tiere und andere Tiere“ von Reinhold Wittig

Eine Ausstellung der ganz besonderen Art möchte ich jedem wärmstens empfehlen, der bis Ende Januar 2012 nach Göttingen kommt. Und vielleicht habt auch ihr das große Glück wie ich, von Reinhold Wittig persönlich durch die Ausstellung geführt zu werden. Zahlreiche Klangobjekte, die fein ausgetüftelte Spielereien und Klänge bereithalten, animieren die Besucher zum Ausprobieren und Staunen.

Hier und da ist freudiges, erstauntes Auflachen zu hören sowie Murmeln, die munter durch die Klangobjekte hüpfen. Über allem kreisen Tiere der besonderen Art und scheinen die Besucher neugierig zu beobachten: die sogenannten Marionetten-Tiere. Vom Warzenschwein bis zum Roboter ist eine bunte Vielfalt vertreten, die besonders erstaunt, wenn man die verwendeten Materialien eingehender betrachtet: Altes Werkzeug wird mit einem Mal zu Kunst und erhält ein gänzlich neu anmutendes Gesicht. Viele der Ausstellungsobjekte besitzen weitere Raffinessen, so lässt sich bei der Nashorn-Marionette das Schwänzchen bewegen und andere Marionetten machen spezielle Geräusche. Für Jung und Alt eine lohnende Entdeckungsreise!
Näheres unter http://perlhuhn.de/termine.html; Galerie „Alte Feuerwache“, Am Ritterplan 4, Göttingen.

Gedanken zum Schluss

Die sinkende Zahl an Spielefachgeschäften stimmt mich nachdenklich und betrübt. Wird die nächste Generation nur noch über Internet einkaufen? Sicherlich, die Bestellung über Internet ist einfach und bequem, Informationen können schnell abgefragt werden, das Sortiment ist unbegrenzt. Doch denke ich, wir sollten alle etwas zum Erhalt von speziellen Geschäften beitragen, sei es das Spielefachgeschäft oder der kleine Buchladen, die sich durch besonderes Flair und gute Beratung auszeichnen. Wenn jeder zumindest einen Teil dazu beiträgt, diese Werte zu erhalten, werden sich auch unsere Kinder und Enkel noch daran erfreuen können.

Ein herzliches Dankeschön an Arne und sein Team für die interessanten Einblicke und Gespräche! Auch ein herzliches Dankeschön an Reinhold für die spannende Führung durch seine Ausstellung und den netten Spieleabend!


Ravensburger Verlag

Mir war schon klar, mit Ravensburger wartete ein größeres Unternehmen auf mich. Wie groß das Areal dann tatsächlich war – beeindruckend! Mit diesen Dimensionen hatte ich wirklich nicht gerechnet. Eine Mitarbeiterin nahm mich in Empfang und startete sogleich einen ersten Begrüßungsrundgang, bei dem die Mitarbeiter sehr aufmerksam und freundlich auf mich zugingen. Ein sorgfältig erstellter und hochspannend gefüllter Terminkalender wartete nun auf mich, der abwechslungsreicher nicht hätte sein können und mir das komplexe Zusammenspiel der zahlreichen und verschiedenen Abteilungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten immer verständlicher machte. Über diese spannende wie aufschlussreiche Entdeckungsreise über fünf Tage möchte ich in meinem Beitrag gerne berichten.

(Bild: Spielfiguren werden auch „Pöppel“ genannt. Am Eingang der  Ravensburger-Zentrale steht ein großer „Pöppel“, bestehend aus vielen kleinen Pöppeln und sonstigen Spielmaterialien.)

Betriebsführung oder „Wie alles begann“:
1883 begann Otto Maier seine verlegerische Tätigkeit in Ravensburg und 1884 erschien sein erstes Spiel „Reise um die Erde“, das in Anlehnung an das Buch von Jules Verne „In 80 Tagen um die Erde“ entstanden ist. Er setzte damals bereits auf einen Trend, denn das Buch und somit auch das Spiel standen für Abenteuer und waren modern. Mit einer qualitativ hochwertigen Ausstattung und einem Preis von 3 Goldmark, was dem Preis von 12 Broten entspricht, war es der besseren Gesellschaft vorbehalten und dort galt es als schick, dieses Spiel zu besitzen.
Später wurde der Otto-Maier-Verlag umbenannt in Ravensburger. Das Unternehmen ist zwar eine Aktiengesellschaft, doch immer noch ein Familienbetrieb, da sich alle Aktien in Familienbesitz befinden. Manche Familienmitglieder sind dabei heute noch im Unternehmen aktiv. So ist Dorothee Hess-Maier, Enkelin von Otto Maier, stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrates und Clemens Maier, Urenkel von Otto Maier, Vorstand des Bereichs „Neue Geschäftsfelder“. Aus der im vorletzten Jahrhundert gegründeten Firma hat sich heute ein Unternehmen mit ca. 1.470 Mitarbeitern und zwei Fertigungsstandorten entwickelt. Am Standort Ravensburg selbst sind ca. 850 Mitarbeiter beschäftigt, am tschechischen ca. 600. Das Programm umfasst rund 8.000 verschiedene Produkte, wobei dies auch länderspezifische Ausgaben umfasst. Zu 85% werden die Produkte selbst gefertigt.

An einer Wand direkt am Eingang der Produktion hängt das Weltrekord- Puzzle von Keith Haring, das aus 32.000 Teilen besteht und eine Größe von ca. 5,4 m x 2 m hat. Es ist das größte in Serie gefertigte Puzzle der Welt. Überschaubarer klingt dieses Puzzle-Projekt, sobald man erfährt, dass es aus acht Beuteln zu je 4.000 Teilen besteht. Schaut man sich das Puzzle aber genauer an, sieht das Ganze schnell wieder nach einer großen Herausforderung aus, denn alle Farben, zum Beispiel jeder Grünton auf dem gesamten Bild ist exakt derselbe Grünton ohne jegliche Schattierung, und dies gilt für den Gelb-, Rot-, Orange-, Rosa- und Blauton jeweils gleichermaßen. Weitere Farben, außer den schwarzen Umrahmungen, gibt es nicht. Wer nicht ganz so fit im Puzzeln ist, kann auch erst mal mit einem kleineren Puzzle starten, zum Beispiel mit 500 oder 1.000 Teilen.
Eine weitere spannende Komponente ist das Papier mit ganz besonderen Eigenschaften. Damit jedes Detail gut und angenehm zu sehen ist, wird das auf die Teile fallende Licht durch das Papier ganz speziell und besonders stark gebrochen. Auch der Wareneingang ist interessant, denn die Materialien müssen hier erst eine Woche lang an eine spezifische Temperatur und Luftfeuchtigkeit angepasst werden, bevor sie weiterverarbeitet werden dürfen.
Wie stellt Ravensburger sicher, dass in einer Puzzle-Schachtel alle Teile enthalten sind? Man denkt, nichts einfacher als das, man nimmt eine Waage. Das aber funktioniert nicht, da das Gewicht der Materialien von Charge zu Charge variiert und es daher keinen brauchbaren SOLL-Wert gibt. Wie löst Ravensburger diese Aufgabe? Durch Stichproben. Dabei werden von diesen Puzzle-Schachteln alle Teile gezählt, und zwar per Hand.
Und bei einem großen Puzzle wie z.B. beim Tier-Puzzle mit 18.000 Teilen werden die Koordinaten eines fehlenden Teils abgefragt, wenn es fehlt und das entsprechende Teil tatsächlich herausgesucht und zugesandt.

Archiv:
Hier sind, soweit es möglich war, alle Spiele und Bücher seit der Firmengründung hinterlegt. Spieleschachteln vom Anfang des Jahrhunderts bis heute liegen dort aufbewahrt und bieten somit einen interessanten Blick in die Geschichte. Bildgestaltung und Themen zeigen deutlich, welche Trends jeweils vorherrschten. Zudem sind viele alte Briefe von der Gründungszeit erhalten sowie Firmenbücher zu Absatzzahlen und Logistik. Der Archivar von Ravensburger versteht es dabei, bei seinen Zuhörern vor deren inneren Augen einen spannenden Film über diese Zeit ablaufen zu lassen, wenn er die zahlreichen Schätze und deren Geschichten dazu präsentiert.

Spiele:
Entsteht ein neues Spiel, so sind daran mehrere Personen beteiligt, die jeweils einen spezifischen Aufgabenbereich abdecken. Die Produktmanager sind für die Marktanalyse, die Außenwirkung und das Marketing eines Spiels verantwortlich. Die Redakteure sind für die Spielinhalte und Spielmechanismen zuständig. Hinzu kommt die Technische Produktentwicklung (TPE), die vor der Herausforderung steht, einen Prototyp in ein marktfähiges Produkt umzuwandeln, sowie die Design-Abteilung, die ebenfalls auf ein stimmiges Gesamtprodukt achtet, um mit dem Design die richtigen Informationen an den Kunden zu übermitteln (mehr zu TPE und Design siehe unten). Durch ein enges Zusammenspiel wird ein Spiel beim Entstehungsprozess immer wieder von unterschiedlichen Gesichtspunkten beleuchtet, sodass das fertige Produkt möglichst einen harmonischen Einklang zwischen Themenwelt, Namen, Spielmechanismus, Spielmaterial, Design und Marktauftritt erreicht.
Auch habe ich bei den Gesprächen einiges über die so genannten Suchfelder erfahren. Durch die Marktanalysen der Produktmanager werden Suchfelder definiert, d.h. in welchem Bereich welche Spiele für das Programm gesucht werden. Die Suchfelder geben den Redakteuren vor, welche Spiele zu finden sind. Eckdaten sind zum Beispiel das Alter, die Packungsgröße, angestrebter Preis und das Genre. Neben den Suchfeldern bleibt jedoch auch die Möglichkeit, einzelne Spiele umzusetzen, die zwar nicht in eines dieser Suchfelder passen, die aber das Team absolut überzeugen.

Kinderspiele:
Der Kinderspielbereich unterteilt sich in unterschiedliche Schwerpunkte. Einer davon sind die Lernspiele. Nachdem die Pisa-Studien in Deutschland für lebhafte Diskussionen im Bildungswesen gesorgt hatten, wurde bei Ravensburger die Umsetzung von Lernspielen neu überdacht. Daraus entstand seit 2004 eine enge  Zusammenarbeit mit dem „Transferzentrum für Neurowissenschaften und Lernen“ in Ulm.

(Bild: Jolly Octopus-Ständer mit 3-D Aktionsspielen)

Seit 2006 ist die Spielreihe „Spielend neues Lernen“ auf dem Markt, die inzwischen alle Bereiche der Bildungspläne abdeckt. Im Vordergrund steht hierbei, dass das Spielen Spaß macht. Das Lernen folgt beim Spielen automatisch und die Inhalte werden umso nachhaltiger vom Gehirn abgespeichert. Ein Kind spielt also ein Lernspiel und merkt selbst gar nicht, dass es etwas lernt. Ein zusätzlich wichtiger Faktor ist die Selbstkontrolle. Die Kinder können alle Lernspiele selbstständig spielen und sich selbst dabei kontrollieren.
Im Bereich Mitbringspiele gibt es viele altbekannte Klassiker, wie „NANU?“ und „Gruselino“, aber auch so genannte Line-Extensions (Erweiterungen) zu bestehenden Kinderspielen wie z.B. „Lotti Karotti“ und „Wer war`s?“. Durch ein gutes Marktverständnis entstehen auch neue Spielreihen wie die aktuelle „spiel aktiv“-Reihe.
Die 3-D-Kinderspiele haben sich seit Lotti Karotti zu einem eigenen Marktschwerpunkt im Bereich Kinderspiele entwickelt. Es handelt sich um dreidimensionale Spiele, in der Regel ab vier Jahren, die durch ihre Ausstattung einen hohen Aufforderungscharakter haben und bei Kindern in Deutschland und im Ausland gleichermaßen beliebt sind.

Bei der Reihe „Meine ersten Spiele“ werden eigene Kindheitserinnerungen geweckt, da Spiele wie „Blinde Kuh“ und „Aquarium (Angel-Spiel)“ nach wie vor einen festen Platz im Sortiment haben.
Kinderspiele für Groß & Klein“ bieten für Kinder faszinierende Spielmaterialien wie Magnete oder Kugeln, so z.B. „Das große Kullern“ und „Mausgetrickst“.

Elektronik-Spiele haben seit dem Spiel „Wer war`s?“ den Markt erobert und faszinieren Kinder ebenso wie deren Eltern. Besonders hierbei zeigt sich die Herausforderung eines Autors, einen testfähigen Prototyp zu erstellen und die Herausforderung der Redakteure, daraus ein marktfähiges Spiel zu zaubern.

(Bild: Schnappt Hubi, Gespensterjagd im Spukhaus; Brettspiel + Elektronik)

Spannend war es für mich, im Bereich der Kinderspiele kleinere Aufgaben zu bearbeiten. So durfte ich für ein Mitbringspiel zu einem bekannten Klassiker einen Vorschlag zu Thema und Mechanismus einbringen. Auch durfte ich eine Spielanleitung für ein neues Spiel prüfen. Hierbei habe ich erfahren, dass vor der Fertigstellung einer Spielregel innerhalb von Ravensburger Freiwillige gesucht werden, welche das Spiel nicht kennen und es anhand der Anleitung und des Materials auf Verständlichkeit prüfen.
Je besser verständlich die Anleitung, je leichter der Einstieg! Besonders vielbeschäftigte Eltern sind dankbar dafür.

(Bild: Die geheimnisvolle Maske; interaktives tiptoi Hör- und Spielabenteuer)

tiptoi-Spiele:
Das Prinzip ist ein elektronischer Stift, der Sprachmitteilungen in verschiedensten Spielmaterialien entschlüsseln und mit verschiedenen Stimmen wiedergeben kann. tiptoi-Produkte umfassen als wesentlichen Schwerpunkt `Wieso? Weshalb? Warum?`-Bücher, Bücher vom Leseraben, Bilderlexika, Puzzle und Spiele. Die Produkte sind primär für einen Altersbereich von 4 bis 10 Jahren konzipiert und verpacken Lerninhalte mit Spaß. Die Kinder können mit dem Stift die Themenwelten eigenständig entdecken und erkunden. tiptoi-Prototypen müssen bereits testfähig sein und die Stiftanwendung simulieren. Für die Produktumsetzung arbeitet die tiptoi-Abteilung eng mit externen Programmierern und einem Tonstudio zusammen.

Lizenzspiele:
Bei 60% der Lizenzspielen handelt es sich um Spieleklassiker wie z.B. „memory“ oder „Das verrückte Labyrinth“. Bei Lizenzspielen ist eine enge Abstimmung mit dem Lizenzpartner wichtig, da Style Guides (Vorgaben zum Aussehen) und Vorgaben zu den Eigenschaften der Lizenzfigur genau befolgt und abgesegnet werden müssen (z.B. darf Winnie Pooh in einem Spiel nie die Rolle eines Bösewichts einnehmen, da es nicht seinem Charakter entspricht).

(Bild: Ministeps-Aufsteller)

Werden Spiele passend zu Buch- oder Filmveröffentlichungen herausgebracht, so sollen diese die entsprechenden Inhalte natürlich widerspiegeln. Spannend ist in diesem Bereich die hohe Abwechslung durch die Zusammenarbeit mit verschiedenen Lizenzpartnern.

ministeps:
ministeps ist ein äußerst vielfältiger Bereich, da dieser sämtliche Spielprodukte von Geburt an bis zum Kleinkindalter beinhaltet. Die Spielprodukte umfassen Plüschartikel, erste Bücher und Spielgeräte, die durch Besonderheiten wie Geräusche und Material Kinder ab dem frühesten Alter zum Entdecken und Spielen anregen. Die zuständigen Redakteure müssen sich also mit einer Vielfalt von Materialien und der jeweiligen Umsetzung zum fertigen Produkt auskennen.

Gesellschaftsspiele:
Der Bereich Gesellschaftsspiele umfasst Karten-, Würfel-, Kommunikations-/ Partyspiele sowie die klassischen Familienspiele wie z.B. Sagaland und Mitbringspiele für Erwachsene. Wie bei den Kinderspielen steht auch hier der Spaß am Spiel an vorderster Stelle, wobei Spaß einen gänzlich unterschiedlichen Ausdruck haben kann und jeder ihn anders empfindet und definiert. Hierzu zwei unterschiedliche Beschreibungen eines erfahrenen Spieleredakteurs, die mir zur Veranschaulichung dienten: Zwei ältere Herren sind über vier Stunden in einem Schachspiel versunken, tauschen kaum ein Wort und bekunden nach der Partie, wie viel Spaß ihnen das gemeinsame Spiel bereitet hat. Bei einem Pantomime Spiel in einer Studenten-WG krümmen sich die Spieler vor Lachen und Gegröle. Sie stellen fest, ein solcher Abend muss bald wiederholt werden, denn er hat mächtig Spaß gemacht.
Des Weiteren muss ein Spielmechanismus natürlich auch funktionieren, eine passende Dramaturgie haben, niedrige Einstiegsbarrieren und letzten Endes muss ein Spiel zu geeigneten Kosten umsetzbar sein.
Im Bereich Gesellschaftsspiele durfte ich sogar an einem Spieletest teilnehmen. Für mich natürlich ein spannendes Geschehen!

Technische Produktentwicklung / Spiele:
Soll ein Prototyp zu einem marktfähigen Spiel umgesetzt werden, so kommt die technische Produktentwicklung zum Einsatz. Erste Kalkulationen zeigen, ob ein Projekt überhaupt umsetzbar ist. Danach gilt es, in mehreren Stufen unterschiedliche Aufgaben zu lösen, um aus einem Prototyp ein Massenprodukt zu machen. Mit Hilfe der hauseigenen Mustermacherei tastet man sich zunächst an das Spiel heran. Natürlich soll neben der Produktionsfähigkeit des Spiels das Material zur Themenwelt passen, zudem zum Alter der Spieler. Auch muss der Inhalt übersichtlich sein, und das Spiel robust, damit es nach häufigem Spielen noch genauso Freude bereitet, wie beim ersten Mal. Und all dies natürlich innerhalb eines definierten Kostenrahmens. Gar nicht so einfach…! Auch bei dieser Schnittstelle spürt man, wie wichtig die enge Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Abteilungen ist. Hinzu kommt eine lange Liste an chemischen und mechanischen Tests, die mit jeglichem Spielmaterial durchgeführt werden, bis es vom TÜV und von der Qualitätsabteilung tatsächlich freigegeben wird. Die Sicherheitsvorschriften bei Spielen sind ganz genau vorgegeben, so darf zum Beispiel ein großes Plastikelement beim Herunterfallen keine scharfkantigen Ecken entstehen lassen und jede einzelne verwendete Farbe wird analysiert und freigegeben. Da Ravensburger hohen Wert auf Sicherheit legt, werden strengere Grenzwerte als Maßstab gesetzt als rechtlich vorgeschrieben. All das braucht seine Zeit, daher vergehen vom Prototyp bis zum fertigen Spiel je nach Komplexität ein bis eineinhalb Jahre.

Ravensburger Tochterunternehmen und Ausland:
Die Spieleumsetzung für die einzelnen Töchter der Ravensburger AG und für das übrige Ausland werden von Ravensburg aus koordiniert und gesteuert. Hier gilt es, verschiedenste Interessen und Bedürfnisse unter einen Hut zu bringen. Interessant fand ich zum Beispiel, dass Mitbringspiele hauptsächlich einen Markt in Deutschland haben und in südlichen Ländern dagegen eher nur große Verpackungen gefragt sind. Hierbei zeigt sich der Kulturunterschied einzelner Länder deutlich, den es in diesem Bereich zu berücksichtigen gilt.

Design / Spiele:
Die Designabteilung ist maßgeblich verantwortlich für die Kommunikation und Attraktivität, die durch eine Spieleschachtel entsteht. Sie arbeitet ebenfalls eng mit den Managern, Redakteuren und der technischen Produktentwicklung zusammen und bringt auch Ideen für den Namen und die Spielgestaltung ein. Da sich Kunden in der heutigen Zeit immer häufiger über ein Produkt selbstständig informieren, kommt der Spieleschachtel eine zunehmend wichtige Rolle zu. Zunächst soll sie natürlich zum genaueren Anschauen animieren. Der Kunde sollte durch einen zweiten Blick bereits Informationen zum Spiel erhalten und es für sich einsortieren können: Für welches Alter? Welche Art von Spiel?
Ravensburger Museum:
Im früheren Stammhaus von Ravensburger im Herzen der Stadt Ravensburg wurde im Mai 2010 das Ravensburger Museum eröffnet. Besucher werden hier in die Geschichte von Ravensburger und seiner Bücher- und Spielewelt entführt. Interaktiv werden die einzelnen Bereiche lebendig vermittelt. Der „Leserabe“ liest in einer gemütlichen Kuschelecke Bücher vor, „Wieso? Weshalb? Warum?“-Bücher stehen zum Schmökern parat, Filme bieten Einblicke hinter die Kulissen, und natürlich kann grenzenlos gespielt werden, sei es bei der großen Spieleauswahl an Kinder-, Familien- und tiptoi-Spielen oder aber auch an den vielen Bildschirmen. Für jede Familie ein besonderer Ausflug.
Hier erfährt man auch, dass „memory“ von Ravensburger seit seiner Einführung 1959  50 Millionen Mal verkauft worden ist.

Abschließend mein herzlichster Dank an das gesamte Ravensburger-Team für die freundliche Aufnahme, Offenheit und die tolle Organisation! Ihr habt mir eine ganz besondere, spannende Woche beschert, durch die ich so vieles lernen durfte.

Spieleautorentagung in Weilburg

Als Stipendiat habe ich die Gelegenheit genutzt, an der Spieleautorentagung in Weilburg teilzunehmen. Diese Tagung ist grundsätzlich offen für jedermann und bietet eine ideale Plattform, tiefere Einblicke in die Spielewelt zu bekommen. Anhand frei wählbarer Workshops und interessanter Vorträge kann man in spezifische Themen eintauchen und dadurch für die eigene Arbeit hilfreiche Anstöße bekommen. Besonders wertvoll finde ich dabei den Austausch mit anderen Autoren. Neben den organisierten Workshops gibt es am Samstagabend auch Spontanworkshops. Jeder Teilnehmer kann dazu ein passendes Thema vorschlagen und stellt dieses zur Wahl. Interessieren sich genügend Teilnehmer für ein Thema, wird es als Spontanworkshop aufgegriffen.
Ich entschied mich für den Spontanworkshop „Spielanreize für Kinder“, über welchen ich nachstehend berichten möchte. Alle weiteren Themen, die in Weilburg behandelt wurden, sind in dem Buch „SPIELE ENTWICKELN 2012“ nachzulesen, das die nächsten Monate zusammengestellt wird. Weitere Informationen zur Fachtagung befinden sich auf der Homepage: www.fachtagung-spieleautoren.de

Spielanreize für Kinder 

Einleitung

In der heutigen Zeit ist es wichtig, dass ein Spiel besonders attraktiv gestaltet ist, will es sich in der Konkurrenz der unzähligen Spiel-Möglichkeiten und Reizflut behaupten. Die Anforderungen dazu steigen stetig, aber auch die Möglichkeiten. In dem Workshop haben wir uns die Frage gestellt, was die tatsächlichen Spielanreize für Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter sind.
Was lässt ein Kind eher die Spieleschachtel aus dem Regal zu Hause bzw. im Geschäft ziehen anstatt der Puppe oder dem Auto? Was ist die Motivation eines Kindes, ein Spiel unbedingt haben zu wollen, und was, ein Spiel mehrfach spielen zu wollen?
Die nachfolgenden Seiten geben die Meinungen und Erfahrungen der Teilnehmer des Workshops wieder und haben daher weder Anspruch auf Vollständigkeit noch auf Richtigkeit.
Was sind Spielanreize für Kinder?

Optik

Die Optik spielt zunächst eine wichtige Rolle für den ersten Kontakt mit einem Spiel. Dies gilt für Eltern, die ein Kindergeschenk suchen, und für Kinder natürlich gleichermaßen. Durch eine verlockende Grafik, die ein spannendes Spielerlebnis suggeriert, entsteht ein erster Bezug zum Spiel und damit der Anreiz, es genauer zu betrachten. Dies natürlich bereits beim Kauf, aber auch beim Anblick daheim. Auch beim Spielen macht eine schöne Gestaltung Freude und unterstützt das Eintauchen in das Spiel.

Als Beispiel sei „Der verflixte Zaubertrank“ (Gebrüder Frei, Drei Magier Spiele, Grafik: Rolf Vogt) angeführt. Bereits die Schachtel zieht den Betrachter durch die Grafik in den Bann und vermittelt den Eindruck einer magisch verhexten, aber spannend turbulenten Spielewelt, die neugierig macht. Öffnet man das Spiel und baut es auf, so wird man durch die Gestaltung von Spielplan, Zauberkesseln und weiteren Materialien direkt in diese Fantasiewelt hineingezogen. Eine gute Optik auf den ersten Blick reicht nicht, sie muss auch nachhaltig sein und zur Spielidee mit der vermittelten Welt passen.

Material / Haptik

Spiele mit dreidimensionalem Material, das die Kinder anfassen und erleben können, sind beliebt. Eltern wählen hierbei für ihre Kinder meist Spiele mit hochwertiger Qualität.
Beim Erstkontakt mit einem Spiel besitzt das Material ebenfalls eine wichtige Rolle und unterstützt das Eintauchen in die Spielgeschichte. Das Spielmaterial sollte zudem einen hohen Aufforderungs-Charakter haben. Besonders günstig ist es, wenn das Material die Kinder zum freien Spielen zu animieren vermag. Dabei ist wichtig, dass für das jeweilige Alter die richtige Größe von Materialien verwendet wird.

Neben der bestehenden Vielfalt an unterschiedlichen Materialien (z.B. Holz, Plüsch) ist das Bestreben festzustellen, neuartige Elemente mit einzubringen (z.B. Magnete, Blasebalg, Elektronik). Bei „Mausgetrixt“ (Karin Hetling, Ravensburger) bildet das Grundgerüst eine nach hinten offene Box aus Pappe, die einen Wurzelgarten darstellt. Von oben werden in die Box magnetische Blätterbüschel eingesteckt und von unten 3 Mäuse und 18 Farbwurzeln mit Magneten daran befestigt. Der dreidimensionale Aufbau animiert dazu, das Spiel näher zu erkunden und die Materialien anzufassen und auszuprobieren.
Als weiteres Beispiel die Elektronik: War es früher ein wundersam aufleuchtendes Lämpchen, wenn mittels Kabel von der Frage auf die richtige Antwort getippt wurde, so sind es heute Spiele wie zum Beispiel aus der tiptoi-Reihe von Ravensburger, bei welcher selbst Puzzle-Teilen das Sprechen beigebracht wurde. Solche Mechanismen werden gerne für Lernspiele eingesetzt, zumal eine Lernkontrolle sehr einfach ist.
Natürlich spielen Kosten eine limitierende Rolle; ein innovativer Einsatz von Materialien meint daher nicht nur das Material selbst, sondern auch Verwendung neuer kostengünstiger Verarbeitungsmöglichkeiten.

Geschichte

Bei Kindern ist eine passende Geschichte zum Spiel besonders wichtig. Die spannende Geschichte des Spiels holt die Kinder ab und entführt sie in eine andere Welt. Die lebhafte Fantasie der Kinder kann sich hierdurch voll entfalten. Die Identifikation und Assoziation mit einer Spielgeschichte (d.h. das Ausmalen einer Erlebniswelt und das Hineintauchen in diese) findet bei Kindern mit deutlich höherer Intensität statt als bei Erwachsenen. Allerdings ist auch bei Kindern wichtig, dass die Spielgeschichte zu Spielablauf und Mechanismus passen muss. Stehen Spielvorgänge nicht im Einklang mit der Geschichte, so sind dies häufige Fehlerquellen, da dieser Spielschritt entweder gänzlich weggelassen oder falsch gespielt wird.
Besonders jüngere Kinder neigen dazu, ein Spiel bis zum Ende der Geschichte spielen zu wollen, d.h. der Gewinn des ersten Spielers führt oft noch nicht zum Spielende, sondern erst, wenn jeder Spieler das Ziel, und damit das Ende der Geschichte mit einem guten Verlauf erreicht hat. Das Spiel wird somit zu einem Durchleben der damit verbundenen Geschichte. Zum Beispiel bei „Da ist der Wurm drin“ (Carmen Kleinert, Zoch) spielen die Kinder solange, bis sich auch der letzte Wurm durch den Garten gewühlt hat und beim Kompost angekommen ist. Kinder verbünden sich auch gerne zu einem Team, um innerhalb einer Geschichte ein gemeinsames Spielziel zu verfolgen und einen imaginären Gegner zu besiegen, wie beim Spiel „Obstgarten“ (Anneliese Farkaschovsky, Haba), in welchem man gemeinsam gegen einen Raben spielt.

Dramaturgie

Ein Spiel sollte über die gesamte Spielzeitspanne spannend bleiben und auch diejenigen Kinder fesseln, die gerade nicht am Zug sind. Dies stärkt den Wiederspielreiz. Bei „Curli Kuller“ (Marco Teubner, Selecta) versuchen die Kinder, mit ihren Kullerschnecken möglichst viele Pflanzen der eigenen Farbe umzukullern. Fallen jedoch Pflanzen anderer Farben um, so gewinnen die Mitspieler diese Pflanzen. Dadurch kann jedes Kind bei jedem Spielzug betroffen sein und fiebert mit, auch wenn es selbst nicht am Zug ist.

Thema

Ist eine Thematik bei einem Kind gerade angesagt, z.B. Piraten, Pferde, Dinosaurier, so richtet sich die Aufmerksamkeit der Kinder auf Spiele, die dieses Lieblingsthema abdecken. Kinder, die sich intensiv mit einem bestimmten Thema beschäftigen, besitzen häufig viele verschiedene Produkte zu dieser Welt. Erwachsene, die ja die Vorliebe der Kinder kennen, wissen daher, dass ein Spiel zu dieser Lieblingsthematik in jedem Fall ein passendes Geschenk ist. Natürlich birgt dies das Risiko, dass ein gutes Spiel an Aktualität verliert, wenn das Thema „out“ wird.

Lizenz

Spiele mit Lizenzcharakteren, die Kinder bereits aus TV-Sendungen, dem Kino oder Büchern kennen, erfreuen sich ungebremster Beliebtheit. Hier steht im Vordergrund das Erleben der Lizenzwelt. Das Spiel muss dementsprechend zur Lizenzwelt und dem Charakter passen, um authentisch zu sein. Diese Spiele werden primär wegen ihres Lizenzcharakters gekauft, der Spielmechanismus steht zunächst eher im Hintergrund, soll aber natürlich ebenfalls Spaß machen und passend zur Lizenz sein. Gelingt es jedoch, eine Lizenz mit einem spannenden Spielmechanismus zu verknüpfen, so ist der Wiederspielreiz sehr hoch. Dies ist zum Beispiel bei „Das kleine Gespenst“ (Kai Haferkamp, Kosmos) geglückt. Mit einem magnetischen Schlüsselbund werden Schlosstüren geöffnet und es wird mit Kanonenkugeln durch den Rittersaal gerumpelt.

Werbung

Kinder sind äußerst empfänglich für Werbung. Wird ihnen durch einen TV-Spot ein einzigartiges Spielerlebnis vermittelt, so weckt dies den Wunsch und das Bedürfnis, dieses Spiel selbst erleben zu wollen und es auf die Wunschliste zu setzen.

Spielregeln

Leichte, verständliche Regeln unterstützen das eigenständige Spielen, besonders bei jüngeren Kindern. Auch ohne die Betreuung von Erwachsenen können Spiele mit leichten Regeln gespielt werden. Bei Kindern wächst das Selbstbewusstsein, wenn sie ein Spiel auch alleine spielen können. Eltern sind dankbar, die Kinder gut und störungsfrei beschäftigt zu wissen.
Ein leichter Einstieg, um das erste Spiel zu starten, ist ebenfalls von Bedeutung. Eltern haben meistens wenig Lust, unter dem Weihnachtsbaum eine mehrseitige Anleitung studieren zu müssen, und Kinder nicht die Geduld, um auf einen Spielstart zu warten. Dies spricht durchaus auch für eine Anleitung, bei der bereits früh ohne Kenntnis aller Regeln mit dem Spiel gestartet werden kann und die noch offenen Regeln erst im weiteren Verlauf der Partie erklärt werden.
Der erste tiefere Kontakt mit dem Spiel hinterlässt eine nachhaltige Erinnerung. Ist diese Erinnerung negativ („Oje, das dauet eine Ewigkeiten, bis ich die Anleitung durchgelesen habe! Das ist total kompliziert, das versteht keiner!“), so ist die Gefahr groß, dass dieses Spiel unbenutzt im Schrank verschwindet. Ebenfalls unerwünscht, wenn über Mund-zu-Mund-Propaganda eine negative Werbung stattfindet. Im Zeitalter von Internet und notenartigen Meinungsabgaben wird dies mehr und mehr verkaufsbeeinflussend.

Bewegung / Geschicklichkeit

Kinder bewegen sich gerne und testen ihren eigenen Körper, ihre Motorik und Geschicklichkeit aus. Vom Kindergartenalter bis zur Grundschule finden in diesem Bereich wichtige Entwicklungsschritte statt, und Kinder präsentieren neu Gelerntes stolz der Umgebung. Zum Beispiel wird bei „Twister“ (Hasbro) die eigene Beweglichkeit mit viel Spaß und Ausdauer ausgetestet. Gelingt es, Geschicklichkeit in eine passende Spielgeschichte und einen stimmigen Spielmechanismus einzubetten, so ist das Resultat ein stimmiges und harmonierendes Gesamtbild. Gut geglückt ist dies zum Beispiel bei „Der schwarze Pirat“ (Guido Hoffmann, Haba). Hier segeln die Kinder mit Hilfe eines Blasebalgs ihre Schiffe von Insel zu Insel, um wertvolle Goldmünzen einzusammeln.

Mechanismus

Hat der Spielmechanismus einen spannenden Überraschungseffekt, so lieben es die Kinder, diesen Effekt immer wieder aufs Neue auszulösen. Solche Effekte haben einen sehr hohen Aufforderungscharakter, wobei das Spielergebnis eher in den Hintergrund rücken kann.
Bei „Lotti Karotti“ (Seven Towns Ltd., Ravensburger) ist für die Kinder die Faszination des Spiels das Drehen der Karotte. Hierbei können jedoch auch eigene Hasen in ein Loch plumpsen und aus dem Spiel ausscheiden. Dennoch ist die Freude ungebremst, wenn ein Spieler an der Karotte drehen darf.
Gelingt es bei Lernspielen, das vermittelte Wissen oder zu trainierende Geschick in einen spannenden Spielmechanismus einzubetten und es in den Hintergrund treten zu lassen, so ist ein unbewusstes spielerisches Lernen sichergestellt. Ist die Lernabsicht dagegen zu offensichtlich und zu wenig geschickt verpackt, wird dies von Kindern weniger mit Spiellust verbunden.

Herausforderung

Gelingt es Kindern eigenständig Spielschritte durchzuführen, so stärkt dies ihr Selbstbewusstsein. Spiele, denen es gelingt, ein Kind zu fordern aber nicht zu überfordern, werden von Kindern als spannende Herausforderung erlebt. Beim Spielen messen sich die Kinder mit Geschwistern oder Freunden und erleben hierbei eigene Stärken und Schwächen. Gelang bislang nur den älteren Geschwistern der richtige Wurf mit dem Ball, so ist der Ansporn beim Jüngeren groß, es ihnen nachzutun und dementsprechend auch der Stolz, wenn dies gelingt.

Feedback und Highlights im Spiel für Kinder

Wie werden bei Kindern Emotionen im Spiel ausgelöst, wie kann das Spiel dem Kind Feedback geben und was sind für die Kinder besondere Highlights in einem Spiel? Nach möglichst jedem Spielzug sollten Kinder ein direktes Feedback erhalten, d.h. Ursache und Wirkung sollten direkt erkennbar sein. So steht ein Bewertungsstein, der erst nach der vierten Spielrunde vorgerückt wird, für die Kinder nicht in direktem Zusammenhang mit ihrem Spielzug. Je stärker das Feedback bzw. je spannender das Highlight des Spiels ist, desto intensiver ist die Emotion. Wie können solche Feedbacks / Highlights aussehen?

Sichtbares Ereignis

Sichtbare Ereignisse sind vielfältig und eine Unterteilung eher schwierig, da die einzelnen Elemente stark miteinander verknüpft sind. Zur Verdeutlichung der verschiedenen Effekte sind nachfolgend einige beispielhaft aufgeführt.
– Direkt ausgelöst
Das Kind führt einen Spielzug aus und sieht direkt sein Ergebnis. Zum Beispiel beim Angelspiel hängt der Fisch an der Angel.
– Überraschungseffekt
Zum Beispiel bei „Bibi Blocksberg: Das geheimnisvolle Schloss“ (Schmidt Spiele). Dort werden Hexen durch ein Zufallsprinzip aus dem Schloss katapultiert. Dieser Überraschungseffekt ist das Highlight des Spiels und die Kinder freuen sich jedes Mal aufs Neue, wenn dieser Effekt ausgelöst wird.
– Sammeln
Das Sammeln ist ein Urinstinkt des Menschen, welcher bereits stark bei Kindern ausgeprägt ist (Beispiel: Sammelalben). Eine Sammlung zu komplettieren, ist ein großes Erfolgserlebnis. Auch bei diesem Spielprinzip spielen Kinder häufig solange, bis auch der letzte Spieler seine Sammelkarte komplett gefüllt hat. Bei „Flower Power“ (Britta Lampertsdörfer, Beleduc) beispielsweise sammeln die Kinder Farbfolien, um auf ihren Sammelkarten Blumen in den richtigen Farben zusammenzustellen.

Geräusche / Töne

Geräusche geben ein direktes Feedback und die Kinder haben große Freude daran, Geräusche auszulösen. Zum Beispiel bleibt „Billy Biber“ ruhig, wenn es gelingt, ihm einen Baumstamm geschickt zu klauen, ohne dass er etwas bemerkt. Fällt der Diebstahl dagegen auf, meckert er vernehmlich. Vom Spielablauf her versuchen die Spieler also, möglichst keine Geräusche auszulösen, dennoch ist der Spaß groß, wenn Billy Biber anfängt zu meckern.

Erfolg

Gelingt es einem Kind, einen Spielzug erfolgreich zu meistern, so sind die Freude und der Stolz, es geschafft zu haben, ein starkes Feedback mit einer nachhaltigen Emotion. Dies gilt bei Geschicklichkeitsspielen wie „Coco Schnipp“ (Manfred Ludwig und Wolfgang Ludwig, Amigo). Hier wird die Kokosnuss in das Wasserloch geschnippt.
Aber auch bei Gedächtnisspielen ist der Erfolg, sich richtig zu erinnern, ein starkes Feedback durch das Spiel. Zum Beispiel bei „Oma, Tante Anverwandte“ (Faber-Castell, HUCH! & friends) merken sich die Kinder das Aussehen ihrer Verwandtschaft und zeichnen es mittels Schablonen nach. Stimmen die Farben und sind die Formen richtig gewählt?

Fazit

Die Faktoren für ein gutes Kinderspiel, welches für Kinder vom ersten Blick bis zur x-ten Wiederholung spannend und spielenswert ist, sind vielfältig. Die verschiedenen Faktoren müssen dabei für ein Spiel passend, glaubhaft und durchgängig stimmig kombiniert sein, und dies aus der Sicht des Kindes. Dies betrifft Assoziationsmöglichkeiten durch die Geschichte und aktuelle Lieblingsthemen und –figuren, Ansprüche an verwendetes Material und gewähltes Design und natürlich spannende Spielmechanismen.

Ob dies mit einem Spiel gelungen ist, können Kinder am besten selbst beurteilen. Spieletests mit Kindern sind dazu ideal, da Rückmeldungen sehr direkt und ehrlich gegeben werden; Emotionen sprechen für sich und Reaktionen sind unverblümt. Mehrfache Spieletests mit Kindern können einem daher gut den Weg weisen und ein Gespür dafür vermitteln, was den Kindern tatsächlich Spaß macht.

Janet Kneisel

Quelle Bildmaterial: Verlage