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Bericht über das Spielautoren-Stipendium 2003

Bericht über das Spielautoren-Stipendium 2003

Was? Wirklich schon wieder ein Jahr vorbei? Obwohl ich in diesem Jahr viel erlebt, viel gereist und viele Leute kennen gelernt habe, ist die Erinnerung an die Preisverleihung in Göttingen 2003 noch sehr präsent.
Da kamen sie, die Herren der Jury, einer nach dem anderen an meinen Tisch und stellten mir so schwerwiegende Fragen wie „Glaubst du, dass du mit deinen Spielen Erfolg haben wirst?“. Im Gegensatz zu damals fällt mir die Antwort heute nicht mehr so schwer. In diesem Jahr, das es mir in Sachen Spielen nicht immer einfach gemacht hat, habe ich erkannt, dass ich bereits Erfolg mit meinen Spielen habe. Jedes Mal, wenn mich die Kinder in den Kindergärten und Heimen fragen, ob wir nicht noch eine Partie spielen können oder wann ich denn wieder käme, dann fühle ich den Erfolg. Die Leidenschaft, die ich für das Spiel empfinde, ist auf fruchtbaren Boden gefallen, und das Lachen und die Freude in den Augen der Spieler sind meine Entlohnung. Und dennoch sticht es jedes Mal, wenn ich gefragt werde, welche meiner Spiele denn ein Verlag bereits veröffentlicht hat. Keines, sage ich dann beiläufig und versuche, das Thema in eine andere Richtung zu lenken.
Ich stellte mir selbst die Frage, warum es wohl so entscheidend ist, einen Verleger zu finden? Ist es die Aussicht auf finanziellen Erfolg? Ist es die Anerkennung, die man so herbeisehnt? Ich bin in der sehr glücklichen Lage, dass ich mich meinen Ideen und Spielen widmen kann, ohne unmittelbar auf deren finanziellen Erfolg angewiesen zu sein. Jedoch zu behaupten, das Geld wäre unwesentlich, ist nicht aufrichtig. Wenn gleich es nicht die Summe, sondern vielmehr die damit einhergehende Wertschätzung der eigenen Arbeit ist, die motiviert.
Der weitaus wichtigere Grund jedoch ist ein anderer: Wer etwas erschafft, eine Idee materialisiert, sei es nun Kunst, ein Kuchen oder eben ein Spiel, der möchte es teilen. Es ist letztendlich eine Form der Kommunikation, ein Ausdruck, in dem wir uns der Welt mitteilen wollen. In dem Miteinander in Bezug auf unsere Kreation erleben wir dann ein Hochgefühl, das uns zutiefst empfinden lässt, dass wir Menschen vor allem schöpfende Wesen sind. Dies herauszuschreien, es mit möglichst vielen Leuten zu teilen, dass ist es, was uns ein Verlag bieten kann.
Ein weiterer, für mich wesentlicher Grund ist die Ernsthaftigkeit, mit der sich Verlage der Spiele annehmen. Die eigene Arbeit wird ernst genommen. Mit den Redakteuren zu sprechen, mit ihnen zusammenzuarbeiten, heißt auch, einen Partner gefunden zu haben, der die gleiche Begeisterungsfähigkeit für das Spiel mitbringt.
Und das war das Entscheidende, was das Stipendium mir das letzte Jahr über ermöglichte: Ich konnte Leute treffen und mit ihnen meine Begeisterung für das Spiel teilen.

(Bild oben: Marco Teubner erhielt 2003 das Spieleautoren-Stipendium.
Bild unten: Preisträger Marco Teubner mit seinem Spiel „Willis wilde Wühlerei“, das mittlerweile bei Goldsieber erschienen ist.)

1. Station: Deutsches Spielearchiv Marburg
Was für ein Start war meine erste Station: das deutsche Spielearchiv Marburg. Für zukünftige Preisträger sollte man den Slogan einführen „Welcome to paradise!“. Einen eigenen Engel hat das Paradies auch: René Aden. Die gute Seele ist eine wandelnde Spielenzyklopädie, die den Versuch, den Bestand in einer Computerdatei zu erfassen fast hinfällig macht. Wozu sollte ich mich an den Computer setzen und mühevoll ein Spiel heraussuchen, wenn doch eine ungefähre Beschreibung genügt und René nennt mir eine Liste an Spielen, die in diesem Zusammenhang von Interesse sind. Danke René!
Wie jedes Jahr bekam auch ich ein paar Informationen vorab per Mail zugesandt. Ich machte mir einen Arbeitsplan, wie ich die Woche gestalten wollte. Doch als ich im Archiv ankam, war ich von den Möglichkeiten und Reichtümern so überwältigt, dass ich mich am liebsten nur in den Regalschluchten vergraben und mich treiben hab lassen. Es gibt für einen Spieleautor eigentlich nur zwei Möglichkeiten, sich dem Archiv zu nähern: Entweder, man ist vom ersten Moment an gelähmt, sieht den Berg an Spielen und fragt sich, was man denn dazu noch beisteuern soll. Oder man hat Mühe, sein Herz im Zaum zu halten und weiß nicht wohin mit den zahlreichen Ideen, die angesichts dieser Quelle neu hervorsprudeln. Mir erging es so und ich genoss die Abende, die ich an der Lahn saß und meinen Gedanken nachhing und die Eindrücke zu ordnen versuchte.
Vielen Dank an die Mannschaft in Marburg. Ihr habt mir euren Schatz gezeigt, mir jede Hilfe zukommen lassen und mir dabei immer das Gefühl gegeben, willkommen zu sein. Fazit: Die Woche verging wie im Flug und ich verlies das Archiv voller neuem Tatendrang.

2. Station: Spieleverlag Ravensburg
Gleich in der folgenden Woche ging es nach Ravensburg. Nach dem Erlebnis in Marburg war ich euphorisch, konnte es kaum erwarten, dort Gleiches zu erfahren. Der Termin stand, Montagmorgen, 9 Uhr. Doch als ich das zuständige Redaktionsbüro betrat, verließen alle den Raum. „Wichtige Besprechung … kommen gleich wieder … dort liegt ein Spiel auf dem Tisch … kannst du dir ja mal anschauen … Mmmm …. Stille. Da stand ich nun bei Ravensburger in einem leeren Büro mit King Arthur auf dem Tisch vor mir. Und dann spielte ich und wartete, und wartete und spielte, und spielte und wartete. Die erste Erkenntnis war, dass King Arthur wohl nicht zu meinen Lieblingsspielen zählen wird. Die zweite Erkenntnis war, dass sich 3 Stunden in einem leeren Büro sehr lange anfühlen können.
Am Nachmittag, die Redaktion war zwischenzeitlich wieder zurückgekehrt, erkannte ich dann, dass dieser Vormittag, wenn auch nicht beabsichtigt, wesentliche Eigenschaften eines Spielautors forderten. Es scheint nicht nur so zu sein, dass die Prototypen mal etwas länger bei den Verlagen liegen, im Zweifelsfall wohl auch der Autor selbst. Wir wissen ja bereits, dass Geduld die Tugend des Autors ist. Aber nicht nur das. Das eigene Schicksal in die Hand zu nehmen und selbst aktiv zu werden, sollte eine weitere Eigenschaft eines Spieleautors sein. Der goldene Weg liegt wohl irgendwo dazwischen. Gemeinsam mit Rita Weber erarbeitete ich dann ein Programm für diese Woche. Fortan war sie für meine Fragen die erste Anlaufstation. Schnell legte sich die schlechte Laune vom Morgen und ich beschloss, die sonderbare Begrüßungszeremonie erstmal zu vergessen.
Die Reise durch die einzelnen Abteilungen war sehr spannend und gab einen guten Einblick in den Ablauf der Spielproduktion. Besonders mein Tag im hauseigenen Archiv mit einem Einblick in die privaten Aufzeichnungen des Gründervaters Otto Maier war einer der Höhepunkte. Spätestens jetzt wurde auch mir klar, dass ich als Kulturwissenschaftler wohl eine besondere Beziehung zu Archiven habe und im Gegensatz dazu die betriebswirtschaftliche Sicht nie die Meine werden wird.
Ich möchte mich bei allen bedanken, die mir ihre Geduld und Aufmerksamkeit geschenkt haben und mit großer Begeisterung von ihrer Arbeit berichteten. Besonders der Besuch bei Frau Barbara Hermoneit und ihrer Abteilung „Sonderfertigung“ war für mich sehr informativ und spannend. Fazit: Ein großes Unternehmen, bei dem das Spiel aber Spiel bleiben darf.

3. Station: Haus der Spiele, Lübeck
Die dritte Station sollte mich nach Lübeck führen. Hatte ich mich bei den anderen beiden Station noch entschieden, mit dem Auto anzureisen, wählte ich dieses Mal den DB Nacht-Zug – und es war super! Ich kam also am Montagmorgen an, machte mich auf die Suche nach der Jugendherberge (wer schon den Zug nimmt, muss an anderer Stelle sparen) um dann gleich zum Haus der Spiele zu gehen. Es war Vorweihnachtszeit und ich war durch meine bequeme Anreise sehr gut gelaunt. Als ich das Haus erblickte, wurde aus meinem Lächeln im Gesicht ein Lachen. Ein kleines, ja fast schon baufälliges, schiefes Haus mit einem quietschenden Schild vor der Tür. Hier waren entweder die sieben Zwerge zuhause, oder aber ein halbes Dutzend Spielefreaks. Und wie so oft in solchen Geschichten wird man gleich eines Besseren belehrt, denn ein Juwel ist von außen als solches in der Regel nur schwer zu erkennen.
Der Laden an sich unterscheidet sich nicht wesentlich zu anderen kleinen Spieleläden. Was jedoch jenseits des Verkaufsraumes auf mich wartete, nahm schon fast kafkaeske Züge an. Eine schwere Tür flog mit lautem Rums wieder ins Schloss. Ich stand auf einer Treppe, die noch schiefer zu sein schien als das Haus an sich. Geradezu machte es den Eindruck, als verlangte die Treppe, bei ihrer Besteigung den eigenen Geist in Schräglage zu bringen, um auf das vorbereitet zu sein, was noch kommen sollte. Lichter gingen wie von Geisterhand an und aus, irgendwo surrte ein Heizlüfter und durch die verwinkelte Architektur der Räume führte eine schmale Schneise zwischen den schier unendlichen Kisten und Kartons hindurch. Hier oben, im Herzstück der Ideenschmiede um Florian Herold, erlebte ich die Dynamik und Kraft, was für mich das wesentliche Erlebnis dieser Woche in Lübeck war.
Der Spieleladen selbst war für mich als Spieleautor nur insofern interessant, als dass ich einer Spezie in dieser Form neu begegnete: 14jährige Sammelkarten-Spieler und Tabletop-Freaks. Da fühlt man sich schnell als Fremder im eigenen Land, denn selbst die Sprache war für mich größtenteils unverständlich. Mir wurde wieder klar, dass ich aus einer anderen Tradition heraus zum Spiel kam. Meine Großeltern hatten eine gut sortierte Spielesammlung und wir hatten viele Abende damit verbracht, Spiele wie „Banca“, „Römer gegen Karthager“ oder „Karriere“ zu spielen.
Auch bei dir, Florian, und all den anderen vom Haus Verschluckten möchte ich mich recht herzlich bedanken. Die Woche bei Euch hat mir sehr interessante Einblicke ermöglicht. Fazit: Jemanden mit soviel Power arbeiten zu sehen, motiviert ungemein, die eigenen Projekte schnell voranzubringen.

Aller guten Dinge sind drei! Sollten es nicht vier sein?
Die vierte Station meines Stipendiums hat leider, wie schon die Jahre zuvor öfter geschehen, bis jetzt nicht stattgefunden. An dieser Stelle möchte ich stattdessen auf einen Bericht über das Spieleautoren-Stipendium in der Fairplay Nr. 67 verweisen.
Das Stipendium mit seinen vier Stationen war für mich eine unglaublich informative und inspirative Quelle, deren Ertrag mich mit Sicherheit in meinem Wirken als Spieleautor noch lange Zeit beeinflussen wird. Ich hoffe, dass dieser Preis noch lange Bestand hat und dass er seinen Teil zur Ausbildung zukünftiger Spieleautoren beitragen wird.
Und jetzt lasst uns spielen…