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La Città

La Città

Ein schlauer Kopf hat einmal Spielregeln mit Musikkompositionen verglichen. Eine Spielrunde ist dabei das Orchester, das die Idee eines Autors anhand von Regeln und Material – ähnlich wie die Noten eines Komponisten – interpretiert. Diese Interpretation variiert von Spielrunde zu Spielrunde und steht und fällt mit den Fähigkeiten und der Bereitschaft der Spieler, sich auf die Regeln einzulassen. Es gibt Spiele mit dem Niveau von deutschen Schlagern, andere sind anspruchsvoller und verdienen den Vergleich mit Sinfonien, verlangen aber volle Motivation und Konzentration der Spieler und ein eingehendes, vorbereitendes Regelstudium des Spielleiters.

LA CITTÀ von Gerd Fenchel, dessen Name wie Honig auf der Zunge zergeht, ist ein solches anspruchsvolles durchkomponiertes Werk. Fünf Jahre hat Fenchel an den Abläufen gefeilt und sie derart verfeinert und ausbalanciert, dass ein stimmiges, abendfüllendes Spiel mit umfangreichem Material entstanden ist, das durchaus kulturelle Beachtung verdient und dessen Interpretation großen Spaß macht. Gespielt wird die Geschichte vom Auf- und Ausbau italienischer Städte in der Renaissance, von den Bedürfnissen der Bewohner nach Nahrung, Geld, Bildung, Gesundheit und Kultur. Wem es nicht gelingt, diese Bedürfnisse zu befriedigen, dem laufen die Bürger in Scharen aus der Stadt, zum Beispiel, weil sie es leid sind zu stinken. Dann siedeln sie in die Nachbarstadt des Gegners um, der seine Bürger bereits mit einem Badehaus verwöhnt.

Jeder Spieler ist ein italienischer Fürst, der in einer Hexagon-Felder-Landschaft zwischen Getreidefeldern, Bergen und Seen mit dem Bau von zwei Castelli und mit sechs Bürger-Figürchen, die seine Einwohner symbolisieren, seine städtebauliche Karriere in Angriff nimmt. Es gilt, die Castelli zu blühenden Städten mit Marktplätzen, Palazzi, Hospitälern, Universitäten und Domen auszubauen. Wer nach sechs „Spieljahren“ die meisten Bürger angesiedelt hat, gewinnt. Um ein Castello können elf verschiedene Gebäude als sechseckige Karton-Plättchen gruppiert werden, was das Wachsen der Städte symbolisiert. Castelli und Bauernhöfe versorgen die Bürger mit Nahrung. Steinbrüche liefern wirtschaftliche Einnahmen durch Marmor. Das Geld wird für den Bau von neuen Gebäuden gebraucht, welche je nach Gebäudetyp die Bedürfnisse der Bürger nach Kultur, Bildung und Gesundheit erfüllen und Anziehungspunkte für neue Einwohner sind.

Dem Wachstum der Städte sind Grenzen gesetzt. Jedes Gebäude muss von mindestens einem Bürger besetzt sein, jeder Bürger muss ernährt werden, nur mit einem Marktplatz kann eine Stadt mehr als fünf Bürger aufnehmen, und erst ein Badehaus, das an einem See stehen muss, ermöglicht die Ansiedlung von mehr als acht Bürgern. Durch den Ausbau der Städte wird der Platz auf dem Spielbrett immer knapper. Sobald zwei Städte eine Entfernung von weniger als drei Feldern zueinander aufweisen, wird es für die Fürsten gefährlich. Denn die „Stimme des Volkes“ hat Wünsche. Mehr Bildung, mehr Kultur oder mehr Gesundheit will das Volk. Nur, was von den dreien, weiß der Fürst im Voraus nicht so genau. Die kluge und ausgewogene Wahl seiner Bauprojekte ist jetzt entscheidend. Ist gerade Bildung gefragt, werden die Anziehungspunkte von Klosterschulen, Hospitälern und Universitäten in Nachbarstädten verglichen, worauf je nach Resultat Bürger zu- oder abwandern. Das kann in bildungsarmen Städten das Niederreißen von Gebäuden aus Ermangelung an Bürgern zur Folge haben. Bei zu großer Zuwanderung nützt der prächtigste Dom nichts, wenn die neuen Einwohner mangels Bauernhöfen kläglich verhungern.

LA CITTÀ ist – vor allem zu zweit oder zu dritt gespielt – ein taktisch anspruchsvolles Spiel, bei dem stets mehrere Spielebenen, die einander beeinflussen, im Auge behalten werden müssen. Zufallsereignisse, wie das Aufdecken von Karten, die den Bau eines bestimmten Gebäudes ermöglichen, erlangen bei Vierer- oder Fünferbesetzung eine wesentlichere Bedeutung. Im Spiel zu viert oder zu fünft entsteht zudem rasch ein Gedränge auf dem Brett, das zu ungewollten Nachbarschaftsstreitigkeiten zwingt, aus denen man sich eigentlich heraushalten möchte. Einen Makel hat das Spiel: Wer ins Hintertreffen gerät, kann dies kaum mehr aufholen. Bereits die richtige Wahl der Startpositionen kann spielentscheidend sein.

Mit LA CITTÀ wurde eine Idee erfolgreich aufs Brettspiel übertragen, die mit Computerspielen wie DIE SIEDLER, CÄSAR oder ANNO 1602 populär geworden ist. Und es funktioniert tatsächlich! Die Aufbaumechanismen sind zwar weniger detailreich als im Computer, dafür bietet LA CITTÀ Interaktion mit richtigen Menschen.