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Spiel des Jahres 1998: Elfenland

Vor 25 Jahren
Spiel des Jahres 1998: Elfenland von Alan R. Moon

Das Spiel

ELFENLAND ist ein taktisches Wettrennen für 2 bis 6 Spieler ab 10 Jahren.
Die Mitglieder einer Gruppe junger Elfen schwärmen aus, um möglichst viele Ortschaften ihres Landes aufzusuchen. Die sich vielfach kreuzenden Wege führen durch grüne Auen, aber auch hohe Gebirge, Wüsten und finstere Wälder. Während sich Flüsse und Seen per Floß oder Fähre befahren lassen, wollen sonst je nach Gelände unter anderem Magische Wolken, Drachen und Einhörner bestiegen werden. Doch ohne entsprechende Fahrkarte geht natürlich gar nichts.
Wer es geschickt anstellt, kann sich auch der von seinen Konkurrenten eingesetzten Transportmittel bedienen. Oder aber diese bei Planung der Reiseroute durch Platzierung solcher Transportmittel behindern, für die sie womöglich gerade kein passendes Ticket besitzen. Oft bleibt dann nur, einen Umweg zu machen oder drei beliebige Karten für eine einzige Fahrt zu opfern.
Da jeder Teilnehmer zu Beginn der Partie einen anderen Zielort zugelost bekommen hat, der seinen Konkurrenten nicht bekannt ist, bleibt der Ausgang der Partie bis zuletzt ungewiss. Da mag einer zwar mehr Städte als ein anderer besucht haben. Doch jede Station, die ihn bei Ende der vierten Runde von seinem Zielort trennt, kostet einen Punkt Abzug, was nicht selten zu einem Überraschungssieg führt.

Die Gründe

Bereits das Schachtelcover stimmt auf so ungewöhnliche Transportmittel wie Einhorn und Flugdrachen ein. Sodann schaffen der stimmungsvoll gezeichnete Spielplan und das hübsche Material eine entsprechend dichte Atmosphäre, die eine gute Stunde lang alle Sorgen des Alltags vergessen lässt. Dabei fällt das Eintauchen in die Welt der Elfen dank guter Anleitung und überschaubarem Regelwerk nicht schwer.

1998: 20 Jahre Spiel des Jahres mit Brettspielprominenz. Von links nach rechts: Wolfgang Kramer, Michel Matschoss, David Parlett, Richard Borg, Klaus Teuber, Alan R. Moon, Werner Hodel

Auch wenn Fortuna zu Beginn jeder Runde bei der Verteilung der Transportmittel und Reisekarten ein Wörtchen mitzureden hat, bleibt bei der Planung der Reiseroute doch hinreichend Raum für taktisches Geschick. Bei der anschließenden Durchführung der Reise ist obendrein Flexibilität gefragt. Denn gerade in größerer Runde ist es keinem vergönnt, ungestört vor sich hin zu werkeln. Vielmehr kommt es immer wieder zu kleineren Rempeleien, und bringt ein einmalig verfügbares Hindernisplättchen sogar eine Prise direkter Konfrontation ins Geschehen.

Der Autor

Der US-Amerikaner Alan R. Moon konnte erste Erfahrungen mit der Entwicklung von Spielen bei Avalon Hill, dem bekannten Hersteller sog. Cosims sammeln. Um später eigene Spiele zu veröffentlichen, gründete er mit seinem Agenten Peter Gehrmann in Deutschland den Verlag White Wind. Aus dem dort erschienenen ELFENROADS ist das für eine deutlich größere Zielgruppe ausgelegte ELFENLAND hervorgegangen. Sein ZUG UM ZUG (Days of Wonder) sollte ihm 2004 erneut die Auszeichnung Spiel des Jahres bescheren. Eine stattliche Reihe weiterer Spiele hat nicht nur hierzulande, sondern auch in anderen Ländern große Anerkennung gefunden.

Die Illustratorin

Als Autorin und Mitinhaberin eines Kleinverlags hat sich Doris Matthäus nicht nur als Grafikerin einen Namen gemacht. Ihr unverkennbarer, humoristisch grundierter Stil ist oftmals von putzigen Wesen geprägt, wie sich am diesjährigen Sonderpreisträger ZICKE ZACKE HÜHNERKACKE besichtigen lässt. Cover und Spielplan von EL GRANDE, dem Hauptpreisträger des Jahres 1996, hat sie in historischer Optik einen starken Auftritt verschafft. Auch in der Folgezeit ist es ihr wiederholt gelungen, prämiierten Spielen ein jeweils passgenaues Gewand zu schneidern.

Der Verlag

ELFENLAND kommt aus dem 1980 gegründeten Verlag Amigo, der damit zum ersten Mal den ebenso prestige- wie umsatzträchtigen Hauptpreis erringen konnte. Dass man damit keinen Zufallstreffer gelandet hat, zeigen die zahlreichen Nominierungen im Laufe der vorangegangenen und folgenden Jahre. Es zeugt zudem von verlegerischer Weitsicht, sich nicht einfach auf dem kräftigen Standbein des seinerzeit vertriebenen Sammelkartenspiels MAGIC – DIE ZUSAMMENKUNFT auszuruhen, sondern daneben das Programm herkömmlicher Brett- und Kartenspiele kontinuierlich auszubauen.

Der Spieljahrgang

Die Entscheidung war in diesem Jahr so knapp ausgefallen wie nie zuvor. Das trotz intensiver Diskussion in Klausurtagung und anschließendem Mailverkehr in einem neu gestalteten Abstimmungsverfahren verbliebene Patt zwischen zwei Konkurrenten musste durch einen Stichentscheid des Vorsitzenden aufgelöst werden.
Bemerkenswert auch, dass die alphabetische Empfehlungsliste mit einer Länge von elf Titeln das quantitativ hohe Niveau der beiden Vorjahre sogar noch einmal deutlich übertreffen konnte.

In Reinhard Staupes BASARI (F.X. Schmid) prägen zwei gänzlich verschiedene Elemente den Charakter des Spiels, fügen sich aber gleichwohl zu einem geschlossenen Ganzen. Ein paar Händler ziehen über einen orientalischen Basar. Jeder versucht, seinen Besitz an Edelsteinen nach Kräften zu mehren. Da alle ihre Aktionen stets zugleich geheim im Voraus festlegen müssen, ist ein gutes Gespür für die Pläne der Konkurrenz gefragt. Kommen sich zwei Händler ins Gehege, entscheidet  ihr Verhandlungsgeschick, wer wem für welchen Preis den Vortritt lässt. Treffen dagegen sogar drei oder mehr aufeinander, gehen alle leer aus.

Als unblutiges Duell mit Karten hat Wolfgang Lüdtke sein CAESAR & CLEOPATRA (Kosmos) angelegt. Eine ungemein spannende Mischung aus taktischem Einfluss und Zufallselementen, die auch thematisch sehr schön umgesetzt ist. Beide Akteure bemühen sich, die einflussreichen Patrizier Roms für sich zu gewinnen. Dazu werden Einflusskarten verdeckt oder offen ausgelegt, und erlaubt es das Ausspielen vorsortierter Aktionskarten, die Pläne des Gegners zu durchkreuzen. Die Antwort auf die Vertrauensfrage fällt allerdings gelegentlich aus, weil die Herrschaften gerade einmal wieder eine Orgie feiern. Eine Chance für den Gegner, sogleich zum Gegenschlag auszuholen.

Bis zu sechs Ruderer treten in Frederick Herschlers CANYON (Abacusspiele) mit ihren Kanus zu einem Rennen an. Die nötige Antriebskraft liefern nicht wie so oft Würfel, sondern Karten für ein Stichspiel. Für jeden gewonnenen Stich darf man sein Kanu vorrücken. Mindestens ebenso wichtig ist es jedoch, die Anzahl seiner Stiche korrekt vorausgesagt zu haben. Denn dafür gibt es zusätzliche Bewegungspunkte, sodass man selbst mit einer schwachen Kartenhand noch gut vorankommen kann. Da auf der Zielgeraden nur noch die Bonuspunkte zählen, verlieren die Kanus deutlich an Tempo und laufen sogar Gefahr, in einen Wasserfall abgetrieben zu werden.

Mit einem reinen Stichspiel ein zweites Mal vertreten war Reinhard Staupe. Sein DAVID & GOLIATH (Berliner Spielkarten) wusste durch Originalität und hohen Unterhaltungswert zu überzeugen. Dabei ist es so handlich klein, dass es sich überall hin mitnehmen lässt. Gängigem Muster entspricht noch, dass die Karte mit dem höchsten Wert den Stich macht. Neu dagegen, dass sie an den Mitspieler geht, der die niedrigste Karte ausgespielt hat. Dieser kann sich über seine Beute freilich erst so richtig freuen, wenn er am Ende der Partie nicht mehr als zwei Karten dieser Farbe erworben hat. Andernfalls zählt nämlich nicht deren Wert, sondern bloß ihre Anzahl. Am anspruchsvollsten ist Karl-Heinz Schmiels DIE MACHER (Hans im Glück). Ein Politikspiel, das diverse Aspekte von Wahlkämpfen aufgreift und auf beeindruckende Weise umsetzt. Parteiprogramme, Wahlveranstaltungen, Einfluss der Medien, Umfragen, Schattenkabinette und Koalitionen, all dies findet sich wieder. Nicht künstlich verrührt, sondern gekonnt verknüpft. Der Aufwand, das Regelwerk zu erfassen und alle Zusammenhänge zu erkennen, ist allerdings beträchtlich, bevor sich ein Spielerlebnis der ganz besonderen Art einstellen kann. Die Empfehlung muss sich deshalb auf den erfahrenen Hobbyspieler beschränken, der mit diesem abendfüllenden Werk aufs höchste zufriedengestellt wird.

Zu einem Kampf um Positionen lockt Reiner Knizia DURCH DIE WÜSTE (Kosmos). Bis zu fünf Wüstensöhne oder -töchter nehmen das zunächst noch leere Terrain Kamel für Kamel in Beschlag. Dabei ist es wichtig, Zugang zu möglichst vielen Oasen und Wasserstellen zu bekommen. Nicht minder bedeutsam ist aber auch, mit der einen oder anderen Kamelrasse die jeweils längste Karawane zu bilden oder mit einer Karawane ein Stück Wüste einzuschließen, das vollkommen kamelfrei ist. Für alles gibt es Punkte, und nur, wer seine Kräfte in jedem Zug optimal einzusetzen versteht und kein Sechseck Boden verschenkt, kann als Sieger hervorgehen.

Aus der Feder desselben Autors stammt EUPHRAT & TIGRIS (Hans im Glück). Keine ganz leichte Kost und deshalb etwas gewöhnungsbedürftig. Die Teilnehmer errichten Königreiche, aus denen sie Einnahmen erzielen. Diese Reiche sind niemandem exklusiv zugeordnet. Vielmehr kann einer hier den König und dort den Priester stellen, mal als Bauernführer auftreten und sich anderswo als Oberhaupt der Händlerzunft etablieren. Für die Schlussabrechnung genügt es nun nicht, sich auf einen Bereich zu konzentrieren und dort fleißig Punkte zu sammeln. Dummerweise wird nämlich für jeden nur der Bereich gewertet, in dem er am schlechtesten abgeschnitten hat.

Kris Burms GIPF (Schmidt Spiele) ist ein abstraktes Denkspiel von beeindruckendem Tiefgang, äußerer Klarheit und innerer Schönheit. Beide Kontrahenten verfügen über 15 Steine, die sie nach und nach über die Randfelder aufs Brett bringen. Sobald vier Steine einer Farbe eine Reihe bilden, gehen sie zurück in den Vorrat ihres Besitzers. An die Enden der Reihe angrenzende Steine des Gegners gelten dagegen als geschlagen und kommen aus dem Spiel. Origineller Weise verliert nicht, wer keine Steine mehr auf dem Brett hat, sondern derjenige, der zuerst keinen Stein mehr ins Spiel zu bringen vermag.

Absolut breitentauglich ist Rudi Hoffmanns satirisch angehauchtes Würfelspiel MINISTER (TM-Spiele). Drei oder vier Strippenzieher können sich bei dieser lustigen Würfelkeilerei köstlich amüsieren, ein bisschen taktieren und sich ansonsten Fortunas Launen hingeben. Es geht darum, Minister der eigenen Partei ins Kabinett zu hieven. Wer dort am Wahltag beim regulären Spielende die Mehrheit hat, stellt den Kanzler. Sofern es nicht vorher einer Partei gelingt, sämtliche Posten zu besetzen. Doch dazu muss schon eine ganze Riege gegnerischer Parteigänger gerade ins Fettnäpfchen getreten sein, während man sich selbst auf dem Meinungsmacher-Feld sonnen kann.

In Stefan Dorras TONGA BONGA (Ravensburger Spieleverlag) symbolisieren die drei Farbwürfel eines jeden Akteurs Seeleute, die auf den Schiffen ihrer Konkurrenten anheuern. Je höher die gebotene Heuer, desto stärker zumeist die Crew und desto schneller folglich auch das Schiff. Wer eine Insel erreicht, darf dort ein Camp errichten und von später Ankommenden Landegebühren kassieren. Da fließt dann ein Teil des Verdienstes sogleich wieder ab, und reift der Gedanke, in den nächsten Runden noch etwas tiefer in die Tasche zu greifen, um mit einer besseren Besatzung auf einer anderen Insel selbst die Nase vorn zu haben.

Schließlich noch TYCOON (Jumbo) von Wolfgang Kramer und Horst-Rainer Rösner. Ein knallhartes Wirtschaftsspiel, dessen einzelne Elemente intelligent aufeinander abgestimmt sind. Den konkurrierenden Managern wird alles abverlangt, um trotz dünner Kapitaldecke Gewinne zu erwirtschaften. Einerseits sollen ihre Hotelketten in den einzelnen Städten möglichst lang sein, andererseits wird auch der Verbreitungsgrad in möglichst vielen Städten honoriert. Auch rutschen bei einem Überangebot die Preise in den Keller. Und manche Reise rund um den Erdball wird nur deshalb nötig, um zu Anfang errichtete Hotels zu renovieren und dadurch wieder in die Wertung zu bringen.

Sonderpreis

Der Sonderpreis Kinderspiel ging an ZICKE ZACKE HÜHNERKACKE aus dem Zoch Verlag. Hinter dem verlagstypisch frechen Titel verbirgt sich ein fetziger Wettlauf auf Memo-Basis, den sich Mitinhaber Klaus Zoch hat einfallen lassen. Wer ein Plättchen mit demselben Motiv aufdeckt wie das vor seiner Henne ausliegende Ei, darf mit dieser zur Belohnung ein Feld vorrücken und dabei überholten fremden Hennen eine Feder ausrupfen. Die standfesten Holzhühner und dicken Pappplättchen eignen sich bestens auch für die Händchen der ganz Kleinen ab vier Jahren, die es dank gutem Gedächtnis durchaus schon vermögen, ihre mitspielenden Eltern in die Tasche zu stecken.

Die weitere Entwicklung

Mit der im Folgejahr nachgeschobenen Erweiterung ELFENGOLD wurde das Spiel zur Freude von Liebhabern anspruchsvoller Spiele wieder auf das Niveau seiner deutlich komplexeren Vorlage gehoben. Zu seinem 10. Jubiläum hat ihm der Verlag eine edle Metallbox spendiert. Anlässlich der alljährlichen Veranstaltung „Stadt-Land-Spielt“, einem länderübergreifenden Projekt zur Förderung des Kulturguts Spiel in der Gesellschaft, folgte 2013 die kleine Erweiterung BACK TO THE ROADS.
Unter dem Titel ELFENLAND de luxe erschien 2015 in limitierter Auflage eine komplett neu illustrierte Sonderedition. Die voluminöse Schachtel enthält neben Grundspiel, den inzwischen vergriffenen Erweiterungen und Promo-Karten das in Deutschland zuvor noch nie veröffentlichte ELFENSEA mit zusätzlichem Spielplan und neuem Transportmittel.
Als GUNST DER ORTE bescherte der von Frosted Games herausgebrachte Brettspiel-Adventskalender 2018 dem Spiel die bislang letzte Erweiterung.

Jochen Corts (April 2023)