„Wundersame Wesen“ und wie sie zu finden sind: In ihren jeweiligen Medien sind die Jurymitglieder des Vereins Spiel des Jahres in dem Spiel von Yeom Cheol Woong (erschienen bei Strohmann Games) auf die Suche gegangen. Und sie haben ein Spiel gefunden, in dem Wesen, Tiere, Karten und Kapitäne durch eine ressourcenreiche Landschaft streifen.
„Wir wollen Wesenskarten ausspielen. Dafür brauchen wir 1. Wesenskarten und 2. die erforderlichen Rohstoffe, um das Ausspielen zu bezahlen. Ressourcen erhalten wir auf dem Inselspielplan. Mein Zug könnte darin bestehen, eine meiner drei Figuren einzusetzen und Ressourcen zu kassieren“, erklärt Udo Bartsch das Spiel. „Ein Alternativzug wäre, bis zu zwei Wesenskarten von meiner Hand auszuspielen. Das bringt Sofort- oder Dauer- oder Endwertungs- oder andere Effekte. Und das mache ich, um vorgegebene Ziele zu erreichen. Beispielsweise will ich mit meinen Wesen (und Eiern) viele rote Symbole sammeln oder insgesamt mindestens 14 Karten vor mir liegen haben oder … oder. Sieben unterschiedliche Zielvorgaben sind im Spiel. Je später ich ein Ziel erfülle, desto weniger Punkte bringt es. Und nach einer bestimmten Menge erfüllter Ziele und Figuren-Rückholungen endet die Partie.“

„Am meisten gefordert und teilweise auch überfordert waren meine Mitspieler:innen durch die Kartenvielfalt“, schreibt Bartsch. „Der Kartenmarkt hat eine merkliche Fluktuation, und weil ich bei jedem Ertragsfeld zwischen Rohstoff und Karte wählen darf und überdies sowohl Eier als auch Kescher-Effekte als auch andere Dinge mir erlauben, Karten vom Markt zu nehmen, muss ich mich immer wieder orientieren, was dort frisch reingekommen ist.“ Außerdem habe er beobachtet, „dass die Symbolsprache den Mitspieler:innen erst nach mehreren Partien hilft. Die Folge: Man liest den schwer zu entziffernden Text. Und weil für manche am Tisch die Karten zwangsläufig verkehrt herum oder zu weit entfernt liegen, muss man dazu aufstehen oder die Karten in die Hand nehmen.“ Das könne zu langen Wartezeiten führen, die Bartsch „teilweise als arg“ empfunden habe. „Wartezeiten sind zweifellos auch immer ein Problem, das von den Mitspieler:innen selbst verursacht wird. Auch Stau auf der Autobahn kann es ja nur geben, weil wir ihn selbst bilden. Aber so wie ein Stau üblicherweise einen Auslöser hat, provozieren auch bestimmte Mechanismen Wartezeiten: Nebenaktionen beispielsweise, Kettenzüge und vor allem komplexe Kettenzüge wie in ‚Wundersame Wesen‘“, schreibt Bartsch.
Das Wettrennen um die Ziele empfindet er allerdings als „sehr spannend. Ich muss gut haushalten und optimieren, es kommt auf jeden Spielzug an. Was ich tue, ist relevant. Es ist zwar Zufall, ob passende Karten in den Markt kommen. Es ist aber Können, sie zu erkennen und mit dem richtigen Timing auszuspielen“. Ihm gefällt auch, dass es „tolle Kartenkombinationen“ zu sammeln gibt, „die sich von Partie zu Partie nicht so schnell wiederholen. Und wenn sie schöne Kaskadeneffekte ergeben, fühlt sich das – zumindest für mich, der davon profitiert – gut an.“ Bartsch gefällt auch das Design des Spiels und die Anleitung. „Kurzum: Es ist ein gutes Spiel. Aber ich glaube, mit Streamlining hätte es mein Herz mehr erobert als mit Gedöns“, lautet sein Fazit.1
In einer Dialogkritik mit Stephan Kessler bekräftigt Bartsch das noch einmal. Ihm gefalle es zwar, Kartenkombinationen aufzubauen, außerdem seien ihm die Illustrationen und das Material positiv aufgefallen. „Allerdings habe ich das Gefühl, dass manches nur eine gute Show ist“, schreibt Bartsch dort.
„‚Wundersame Wesen‘ verbindet Worker Placement mit einem kartengetriebenen Engine Builder. Ich mag diese Kombi“, meint Stephan Kessler. „Ich mag die Idee der Insel als gemeinsamen Einsatzort, der sich dynamisch verändert. Hinzukommende Plättchen variieren die Attraktivität der Felder. Das spielt mir eine zu untergeordnete Rolle, da wurde Potenzial verschenkt. Letztlich verkommt es zur Ressourcensammelei.“ In die Präsentation des Spieles habe er sich allerdings „schockverliebt“. „Jede Karte zeigt ein liebevoll illustriertes, niedliches Lebewesen. Ich habe selten erlebt, dass mir am Tisch so oft vor Begeisterung Karten unter die Nase gehalten wurden“, schreibt er. „Das ist ein rundes Gesamtkunstwerk. Nicht zu vergessen, es gibt sogar magnetische Figuren! Da geht mein Herz auf – meine Kapitänsfigur kann wie magisch mit ihrem Reitwesen verbunden werden und wertet diesen Worker dadurch auf. Dieses Gimmick braucht das Spiel nicht unbedingt – aber es zeigt, wie viel Liebe im Material steckt.“ Auch er habe Spaß an dem Wettrennen und den vielfältigen Kartenkombinationen. „Gerade für das Erstlingswerk eines Autors finde ich das beachtlich“, schreibt Kessler.2
Auch Michaela Poignée lobt die Anleitung ausdrücklich. Es blieben „so gut wie keine Fragen offen.“ Die Symbole auf den Karten sowie auch die Erklärungen darauf seien gut gemacht. „Wundersame Wesen“ ließe sich sowohl zu zweit als auch zu viert gut spielen, sagt sie, vor allem zu zweit spiele es sich „schön einfach runter“. Auch ihr gefällt das Spielmaterial sehr gut. Außerdem sei es ein „schöner Mechanismus, dass wir nicht nur Ressourcen sammeln, sondern uns auch entscheiden müssen: Möchte ich vielleicht auch neue Karten haben?“ Hinzu kämen die vielen unterschiedlichen Karteneffekte. „Das ist eine schöne Sache, weil man da viele unterschiedliche Strategien fahren kann“, sagt sie. „Es macht mir jedes Mal Spaß, zu überlegen: In welche Richtung gehe ich jetzt?“ Für Poignée ist „Wundersame Wesen“ „auf jeden Fall ein Kennerspiel“, allerdings eines mit „einfachen Regeln“. Ihr Fazit lautet: „Mir macht das Spiel einfach Spaß, obwohl es so viele bekannte Mechanismen hat und nicht wirklich etwas Neues macht.“ Für eine erste Partie empfiehlt sie, das Spiel zu zweit zu spielen, da es dann einfacher sei, in das Spiel hineinzufinden.3
Tobias Franke merkt an, dass der Name des Autors nicht auf der Spieleschachtel steht, obwohl diese wie ein Buch designt ist. Thematisch sei das Spiel für ihn schwer zu fassen. Jedenfalls könne man es neuen Spieler:innen nicht gut über das Thema erklären, es sei „irgendwas mit Natur“. Man machen eine Aktion. „Aber ich verstehe nicht, warum.“ Das Spiel sei allerdings „zuckersüß“ gestaltet. „Das bringt die Leute dazu, es zu spielen.“ Franke gefällt das zentrale Dilemma, ob die Figuren für Karten oder Ressourcen eingesetzt werden. „Was ist mir wichtiger?“, fragt Franke. Der Worker-Placement-Mechanismus sei „anregend“: „Es ist mehr als: Ich setze mich auf ein Feld und bekomme das. Es geht darum, die Karten zu lesen und Schwerpunkte zu setzen.“ Ihm gefällt auch der „hohe Durchsatz“ der Kartenauslage.
Allerdings gefällt Franke nicht, dass die Kapitänsfunktion, also die Möglichkeit, die eingesetzten Arbeiter zu verstärken, erst freigespielt werden muss. „Es fühlt sich doof an“, wenn man die Kapitänsaktion erst spät im Spiel freispielt. „Gib doch jedem von Anfang an die Kapitänsfunktion, dann hat jeder ein kleines Goodie und freut sich. Das ist doch viel belohnender als wenn ich künstlich ausgebremst werde“, sagt er. Außerdem kritisiert er, dass es schwierig sei, „eine Übersicht über die ausgespielten Karten zu behalten“. Sein Hauptkritikpunkt ist jedoch, dass das Spiel zu viel Ballast habe. „Wundersame Wesen“ könnte durch „Eindampfen“ gewinnen. „Es sieht schön aus, aber man hätte es noch ein bisschen mehr auf den Punkt bringen können“, sagt Franke. Sein Fazit: „Ich spiele das total gerne mit, aber den letzten Kick hat es mir nicht gegeben.“4
- Rezensionen für Millionen: Wundersame Wesen ↩︎
- spielbox 4/25: Gotta catch ‘em all! ↩︎
- Die Brettspieltester: Wundersame Wesen ↩︎
- Cocktails for Meeples Folge 29 ↩︎

