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Kommentar des Jury-Vorsitzenden Harald Schrapers zum Spielejahrgang 2019

Die Stars des diesjährigen Spielejahrgangs sind die kleinen Spiele für die unbeschwert unterhaltsamen Erlebnisse. Ohne großen Aufwand, an jedem Ort, egal ob mit der Familie, in der Nachbarschaft oder im Kollegenkreis: die für das Spiel des Jahres nominierten Titel begeistern sofort. Dies gilt für Just One und Lama genauso wie für Werwörter, dessen Einstiegsschwelle nur einen Hauch höherliegt.

Vor 40 Jahren wurde erstmals das Spiel des Jahres verliehen. Damals gab es eine Bestenliste mit nur zehn Spielen und einen Sonderpreis „Schönes Spiel“. Die Qualität der Brett-, Karten- und Gesellschaftsspiele ist seitdem in großem Maße angestiegen. Spiel des Jahres kann selbstbewusst für sich reklamieren, einer der Antreiber für diese Entwicklung zu sein. Ein weiterer wichtiger Faktor sind die Spielerinnen und Spieler selbst. Die Generation derer, die mit dem Spiel des Jahres großgeworden ist, ist anspruchsvoll, sie lässt sich nicht mit halbgaren Entwicklungen abspeisen, sie möchte kein Betatester für Unausgegorenes sein.

Wir bekommen inzwischen eine große Anzahl von Titeln auf den Tisch, die im Vergleich über die Jahrzehnte von sehr großer Qualität sind. Von den Spielen, die die zehn Jurorinnen und Juroren in den letzten zwölf Monaten intensiv gespielt haben, wären vermutlich noch in den achtziger Jahren mehr als einhundert ein Kandidat für die Bestenliste gewesen. Heute sind unsere Ansprüche gewachsen, und wir danken den Autorinnen und Autoren und auch den Redaktionen und Illustratoren dafür, für diese Entwicklung gesorgt zu haben.

Die Jurymitglieder haben auf unserer dreitägigen Klausur in Hannover entschieden, 16 Titel auf die Bestenlisten für das Spiel des Jahres (rot) und das Kennerspiel des Jahres (anthrazit) zu setzen. Mit dem Kennerspiel sprechen wir Familien und Freundeskreise an, die bereits Spielerfahrung besitzen und sich an umfangreichere Erlebnisse heranwagen. Flügelschlag und seine bunte Vogelwelt, Carpe Diem und seine hoher Interaktionsgrad, Die Architekten des Westfrankenreichs mit dem Einsetzen und Einfangen von Figuren, der gemeinsame Deichbau in Das tiefe Land und das planerisch anspruchsvolle Newton – aufgezählt in aufsteigender Komplexitätsreihenfolge –, bieten alle umfassende Brettspielerlebnisse. Alle diese Titel knüpfen bruchlos an die Entwicklungen an, die das Spiel in den letzten Jahren genommen hat. Das Kartenspiel Paper Tales variiert das bereits etablierte „Kartenrumreichen“ (Drafting) mit einem speziellen Alterungsmechanismus. Detective ist das innovativste Spiel auf unseren Bestenlisten. Hier verknüpfen wir das Brettspielerlebnis mit einer Datenbank im Internet – ein Erlebnis, das uns bis zu vier Stunden fesseln kann.

Was fehlt? Es gibt kein „großes“ und thematische Brettspiel mit mittlerem Einstiegsniveau, denn da war bei den Neuerscheinungen nichts Herausragendes zu entdecken. In diese Lücke stoßen das abstrakt anmutende und recht taktische Reef sowie eine Reihe von beeindruckenden kleinformatigen Titeln. Das gilt für das Bilder-Assoziieren bei Belratti, das Würfelspiel Dizzle, das Hochgeschwindigkeitsspiel Krasse Kacke; das Zwei-Personen-Spiel Imhotep – Das Duell und die drei Sherlock-Titel, die Krimi-Ratespielelemente mit einem Kartenmechanismus verknüpfen. Drei weitere Spiele haben sogar das Zeug, im Juli mit dem Hauptpreis ausgezeichnet zu werden: das schnelle Lama und die Wortratespiele Just One sowie Werwörter.

Letzteres wird mit einer App gespielt, die uns durch einen Wechsel von Tag und Nacht moderiert. Der Spielspaß entsteht aber nicht durch die App, sondern durch die Menschen, die das Spiel spielen. Das Smartphone ist nur ein unterstützendes Hilfsmittel, genauso wie die Datenbanknutzung bei Detective.

Die Verknüpfung mit dem Smartphone oder dem Internet bleibt eine Ausnahme, auch in der Zukunft wird die übergroße Zahl der Brettspiele ganz ohne Elektronik auskommen. Und wenn mal doch digitale Elemente dabei sind, haben diese eine ausschließlich dienende Funktion, denn das Zwischenmenschliche ist ja gerade das Besondere am analogen Spiel.