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Vinci

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Mit dem kärglichen Rest seines einst so stolzen Volkes hat man sich im Süden des unwirtlichen Finnland eingeigelt und harrt in den Bergbaugebieten Polens aus. Zwar hat man sogar die Geldwirtschaft entwickelt, aber damit offenbar auch die Dekadenz gefördert, was sich in einer rapide abnehmenden Bevölkerungszahl niederschlägt. Vom Norden her erhöht ein agiles Seefahrervolk den Druck, von Westen droht man von Barbaren überrannt zu werden, welche der Geheimnisse der Medizin kundig sind. Die Entscheidung fällt schwer: Soll man seine Pappenheimer, die einem in der kurzen Zeit ihrer zivilisatorischen Hochblüte doch ans Herz gewachsen sind und viele Siegpunkte heimgebracht haben, wirklich einfach so kaltblütig im Stich lassen und dafür in einer anderen Ecke Europas die Führung eines Volks von revolutionären Sklavenhaltern oder diplomatischen Tierzüchtern übernehmen?

So ruhmreich beim Strategiespiel VINCI der Aufstieg einer Zivilisation auch verlaufen sein mag, so unweigerlich kommt ihr Niedergang. Im Gegensatz zu anderen Aufbau- und Eroberungsspielen führt ein Spieler bei VINCI nicht die gleiche Truppe von Spielanfang bis Ende, sondern er muss seine Schützlinge immer wieder wechseln, weil seine Reiche die unangenehme Eigenschaft haben, nach ihrer Blütezeit zu zerfallen. Timing heißt das Zauberwort. Den Zeitpunkt zu erkennen, wann sich ein Abspringen am meisten auszahlt, sowie die anschließende Wahl jenes Volkes mit der besten neuen Ausgangslage, sind die beiden wichtigen taktischen Entscheidungen dieses Spiels und machen seine Originalität aus.

VINCI wird auf einer Europakarte gespielt, die in 45 Provinzen unterteilt ist. Jeder Spieler erhält jeweils am Ende seines Zuges Siegpunkte für die von seinen Völkern besetzten Provinzen. Das Spiel endet, wenn eine bestimmte Anzahl von Siegpunkten erreicht worden ist. Die auf der Bildfläche erscheinenden Völker sind allerdings nicht historischer Natur. Sie haben unterschiedliche Fähigkeiten und generieren ihre Charaktereigenschaften aus der zufälligen Kombination von zwei „Zivilisationsplättchen“, die Namen wie „Landwirtschaft“, „Sklaverei“ oder „Bergvolk“ tragen. Diese Plättchen bestimmen einerseits die Bevölkerungsstärke und andererseits Spezialfähigkeiten eines Volkes. Je bevölkerungsärmer eine Kultur ist, desto stärker sind ihre Eigenschaften.

Besondere Spielfelder wie Häfen, Landwirtschaftsprovinzen, Berge oder Minen bringen für bestimmte Völker Bonuspunkte ein. Es gibt Völker, die dank „Astronomie“ übers Meer segeln können. „Festungen“, „Bürgerwehren“ oder „Spione“ vermitteln Vorteile beim Kampf um Provinzen. Mit der Eigenschaft „Diplomatie“ können Gegner zum Nichtangriffspakt gezwungen werden. Wenn ein Spieler ein Volk wählt, erhält er jeweils die Anzahl der dafür vorgesehenen Spielsteine und versucht damit auf dem Spielplan möglichst viele Provinzen zu besetzen, wobei die Zahl der benötigten Spielsteine für die Besetzung einer Provinz von der Topographie und von Eigenschaften und Anzahl der sich allenfalls bereits darin aufhaltenden gegnerischen Steine abhängt. Kann man in seinem Zug die geforderte Anzahl von Steinen in eine Provinz setzen, muss der Gegner das Feld unweigerlich räumen. Weil man nach der einmal festgelegten Stärke eines Volkes keinen Nachschub an Spielsteinen mehr erhält (außer man ist im Besitz der Sonderfähigkeit „Medizin“), erfolgt eine spätere Ausbreitung immer nur dadurch, dass man die Kampfkraft in seinen bisherigen Provinzen ausdünnt. Je mehr Provinzen man besetzen will, desto weniger Steine kann man zur Verteidigung zurücklassen und desto leichter erfolgt eine Eroberung durch Gegner. Zu jedem Zeitpunkt des Spiels haben alle Spieler die Möglichkeit, das Volk zu wechseln. Dazu besteht immer eine Auswahl aus sechs verschiedenen Völkern, deren „Erwerb“ aber unterschiedlich teuer ist und entweder Siegpunkte kostet oder bei Ladenhütern Siegpunkte einbringt. Es gilt, ständig den Wert zukünftiger Völker gegen sein aktuelles Volk abzuwägen. Da die Kombination aus 26 Fähigkeiten unterschiedlichste Varianten von möglichen Völkern offen läßt, ist keine Partie wie die andere.

VINCI ist ein sehr empfehlenswertes Strategiespiel mit einer angenehmen Spieldauer. Einmal mit den Regeln vertraut, spielt es sich überraschend leicht und eignet sich durchaus für Leute, die nur sehr sporadisch ihren Spieltrieb ausleben, vor allem wenn sie RISIKO kennen, mit dem VINCI auf Grund des viel geringeren Glücksfaktors aber nur bedingt verglichen werden kann. Das Schöne und Einmalige an VINCI ist: wie mies man auch gerade dran ist, stets eröffnen sich neue Hoffnungen und Chancen, indem man sein bisheriges Volk einfach dümpeln lässt und an einer ruhigeren Ecke Europas wieder frisch zu siedeln beginnt. Wie bei allen Eroberungsspielen, an denen mehr als zwei Spieler beteiligt sind, ist allerdings auch bei VINCI die „Königsmacher“-Gefahr (die Gefahr, dass ein Spieler, der keine Siegchance mehr hat, durch sein Verhalten den Sieger bestimmt) relativ hoch.