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Spiel des Jahres 1996: EL GRANDE

Spiel des Jahres 1996: El Grande von Wolfgang Kramer und Richard Ulrich

EL GRANDE, ein strategisches Spiel für 2 bis 5 Spieler ab 12 Jahren, spielt im Spanien des 15. Jahrhunderts und beschreibt den Machtkampf spanischer Granden und ihrer Caballeros um die iberische Halbinsel.
Die von Doris Matthäus herrlich gestaltete Spiellandschaft, ein einer historischen Landkarte nachempfundener Spielplan, lädt zu einem neunzigminütigen Spielgenuss ein.

Mit Hilfe von Machtkarten, die gleichzeitig die Zugreihenfolge festlegen, werden Caballeros an die Höfe der Spieler gebracht. Gleichzeitig regeln diese Karten den Zugriff auf spielsteuernde Aktionskarten, mit denen wiederum Caballeros in den neun Regionen Spaniens tätig werden können. Diese sind wichtig für die drei Wertungsphasen im Spiel, denn letztlich geht es in EL GRANDE um Siegpunkte, die auf einer Wertungs- oder besser der „Kramerleiste“ angezeigt werden. Zusätzliche Spannung bringt ein großes Holzkastell, in das ebenfalls Caballeros geschickt werden können.
Den beiden Autoren Wolfgang Kramer und Richard Ulrich gelingt es, verschiedene taktische Komponenten zu einem runden, harmonischen Ganzen zusammenzufügen. Trotz einiger Zufallselemente haben die Spieler dank der vielen Entscheidungsmöglichkeiten das Geschehen auf dem Spielbrett weitgehend selbst in der Hand. Das „Spiel des Jahres 1996“ bietet allen, die bereit sind, sich auf eine Herausforderung einzulassen, ein eindrucksvolles Spielerlebnis. Gefördert wird dies durch einen erleichterten Regelzugang, eine aufwändige Ausstattung und prachtvolle Gestaltung.

Der Spielplan von EL GRANDE

Die Wahl 1996

Kramer gegen Kramer, so lassen sich am besten die Entscheidungsprozesse des Jahres 1996 beschreiben. Neben dem „Spiel des Jahres“ hatte der Autor mit TOP RACE (ASS) und TERRA X (Queen Games) noch zwei heiße Eisen im Feuer, beides ausgezeichnete Überarbeitungen von Veröffentlichungen aus den 80er-Jahren. Auf der Auswahlliste zum „Spiel des Jahres 1996“ tauchte dann TOP RACE auf, TERRA X, später in EXPEDITION umbenannt, wegen der Namensstreitigkeiten mit dem ZDF nicht. Ein echter Konkurrent war sicherlich noch das außergewöhnliche Aktionsspiel CARABANDE (Goldsieber) von Jean du Poël, das den „Sonderpreis Geschicklichkeitsspiel“ erhielt. Im Familienspielbereich machten noch Hubers AB DIE POST (Goldsieber) mit einem raffiniertem Wolkenwürfel und Randolphs taktischer Leckerbissen SISIMIZI (EG-Spiele) auf sich aufmerksam, daneben fanden kreative Spiele wie WAT’N DAT? (ASS) von Claude Weber und WORD-WHIZ (EG-Spiele) viel Beachtung.

Das Jahr 1996 war aber vor allem ein Jahr der hervorragenden kleinen Karten- und Legespiele. Der Adlung-Verlag reüssierte mit Reinhard Staupes SPEED, die Grafikerin von EL GRANDE, Doris Matthäus zusammen mit ihrem Partner Frank Nestel mit MÜ & MEHR (Spiele von Doris und Frank). Damit sind auch die beiden Spiele neben EL GRANDE genannt, die von der Auswahlliste 1996 heute noch im Handel erworben werden können. CAMPANILE (Blatz) von Hanno und Wilfried Kuhn und REIBACH & CO. (F.X. SCHMID) rundeten die beachtliche Palette der kleinen Spiele ab. Neben dem „Sonderpreis Geschicklichkeitsspiel“ wurden die damals üblichen beiden Sonderpreise „Schönes Spiel“ und „Kinderspiel“ vergeben.

Für die grafisch eindrucksvolle Umsetzung von Alex Randolphs VENICE CONNECTION (Drei Magier Spiele) erhielt Johann Rüttinger den „Sonderpreis Schönes Spiel“. Heike Baums raffinierte Merkspielvariante VIER ZU MIR (ASS) bekam den Kinderspielpreis. Unter heutigen Bedingungen wäre damals Wolfgang Kramers und Richard Ulrichs FLASCHENPOST (Selecta) ein harter Konkurrent gewesen.
1996 begann im Übrigen die Ära der Preisverleihungen in Berlin. Pressekonferenz und Preisverleihung fanden zusammen statt. Im Gegensatz zu heute wurden die ausgezeichneten Verlage allerdings vorher über ihre Preise informiert.

Für die grafisch eindrucksvolle Umsetzung von Alex Randolphs VENICE CONNECTION (Drei Magier Spiele) erhielt Johann Rüttinger den „Sonderpreis Schönes Spiel“. Heike Baums raffinierte Merkspielvariante VIER ZU MIR (ASS) bekam den Kinderspielpreis. Unter heutigen Bedingungen wäre damals Wolfgang Kramers und Richard Ulrichs FLASCHENPOST (Selecta) ein harter Konkurrent gewesen.
1996 begann im Übrigen die Ära der Preisverleihungen in Berlin. Pressekonferenz und Preisverleihung fanden zusammen statt. Im Gegensatz zu heute wurden die ausgezeichneten Verlage allerdings vorher über ihre Preise informiert.

Die Gründe

Ein Jahr nach dem Jahrhundertspiel DIE SIEDLER VON CATAN war die Entscheidung für das komplexe EL GRANDE eine logische Fortsetzung der 1995 eingeschlagenen Richtung. „Mutet uns Spielern mehr zu“, war die Forderung des damaligen Vorsitzenden der Jury Synes Ernst an die Verlage. Auf der Pressekonferenz 1996 verstärkte er sogar diesen Anspruch.

Deutlich kritisierte er, dass den Verlagen der „Mut zum Risiko, der Mut zur Innovation, der Mut, uns Spielerinnen und Spielern etwas zuzumuten“ fehle. „Stattdessen besteht in der Branche die Tendenz, das Angebot auf Stromlinienform zu trimmen, die Spiele von allen Ecken und Kanten, von möglichst vielen Herausforderungen und Inhalten  zu befreien, so dass sie sich schnell verkaufen lassen.“ Auf diese Kritik gab es 1996 nur eine spielerische Antwort und die hieß EL GRANDE. Damit mutete die Jury „Spiel des Jahres“ spielenden Familien noch mehr zu als im Jahr zuvor mit den SIEDLERn VON CATAN, das war nicht unumstritten.

Bestätigung erhielt die Entscheidung durch die Vielspieler, EL GRANDE bekam 1996 auch den DEUTSCHEN SPIELEPREIS. Bestätigung erhält die Entscheidung auch aus der rückblickenden Perspektive. Vergleich man EL GRANDE mit seinen vielen Nachfolgern, dann kann es immer noch gut bestehen, es ist auch heute ebenso wie 1996 allen zu empfehlen, die bereit sind, sich einem anspruchsvolleren Spielabenteuer zu stellen.

Die Geschichte

Mit EL GRANDE begann 1996 die Geschichte der Mehrheitenspiele. Wolfgang Kramer betont zu Recht seine und Richard Ulrichs Leistung: „Der Einfluss von EL GRANDE auf andere Spiele wird am ehesten sichtbar durch die vielen danach folgenden Spiele mit Wertungen oder mit Mehrheiten in Regionen oder durch die Verwendung von Aktionskarten oder Einstellscheiben oder durch die Mechanismen zur Steuerung des Nachschubes, zur Steuerung der Spielerreihenfolge, zur Steuerung des Einsetzens von Figuren auf dem Spielplan usw.“ Auf der ewigen Bestenliste von Boardgamegeek hat EL GRANDE einen festen Platz unter den ersten zehn Spielen. Im Augenblick (April 2006) liegt das Spiel auf Platz 6, knapp hinter Kramers FÜRSTEN VON FLORENZ, damit aber weit vor den SIEDLERn VON CATAN, die zur Zeit auf Platz 21 rangieren.
Mit den „Spielen des Jahres“ 1995 und 1996 setzte die gezielte Weitervermarktung erfolgreicher Spielideen durch Erweiterungen ein. Für EL GRANDE machte 1997 KÖNIG & INTRIGANT den Anfang, das die Macht- und Aktionskarten durch neue Karten ersetzte. Ende 1997 erschien mit Großinquisitor & Kolonien eine vorzügliche Erweiterung mit neuen Regionen. Den Abschluss bildete GRANDISSIMO, ein Give-Away mit zusätzlichen Aktionskarten. Das 1998 erschienene Spiel EL CABELLERO lehnte sich zwar an EL GRANDE an, war aber ein eigenständiges reizvolles Legespiel.

Die Sieger 1996 (von links): Verleger Bernd Brunnhofer, die Autoren Wolfgang Kramer und Richard Ulrich und Grafikerin Doris Matthäus

Der Verlag

Mit DRUNTER & DRÜBER (1991) und MANHATTAN (1994) hatte der kleine Münchner Hans im Glück-Verlag um Bernd Brunnhofer schon zweimal den Titel „Spiel des Jahres“ erhalten. Die Einnahmen von 1994 machten erst die mutige Produktion von EL GRANDE möglich, denn das Spiel sprengte von Materialangebot her die damaligen Vorstellungen. Als es in Essen 1995 erschien, war es mit einem bei der kleinen Erstauflage realistisch kalkulierten Preis von 90 DM jenseits aller Preisgrenzen platziert. Brunnhofer war aber überzeugt von dem Spiel und er hatte wie so oft in seiner Verlagsgeschichte die richtigen Entscheidungen getroffen. Der Titel „Spiel des Jahres“ ermöglichte eine deutlich günstigere Preisgestaltung. Der anfangs von Blatz abgelehnte Vertrieb wurde nun dankbar übernommen und Bernd Brunnhofer war wieder einmal im Glück.
EL GRANDE, das für gut 30 Euro im Handel erhältlich ist, ist nach dem Erfolg von CARCASSONNE (Spiel des Jahres 2001) sicherlich nicht mehr das erfolgreichste Spiel des Verlages, gehört aber immer noch in der Abrundung nach oben zu den anspruchvollsten Leckerbissen, die der Münchner Verlag zu bieten hat.

Aus dem trojanischen Pferd wurde bei EL GRANDE das Castillo, in das die Caballero-Steine geworfen werden

Die Autoren

Für Wolfgang Kramer war EL GRANDE nach 1986 (HEIMLICH & CO) und 1987 (AUF ACHSE) schon die dritte Auszeichnung „Spiel des Jahres“, allerdings die erste mit einem Co-Autoren. Die Idee für das Castillo, den Würfelturm, hatte Richard Ulrich. 1991 war es für Ulrich noch ein trojanisches Pferd, mit dem er Griechen in den Stadtbezirken Trojas verteilen wollte. Nachdem das Thema durch Randolphs Veröffentlichung DAS TROJANISCHE PFERD (Jumbo) verbraucht war, brachte ihn die Kooperation mit Wolfgang Kramer weiter.

Das Produkt beider Autoren wurde schließlich durch Bernd Brunnhofer vom Hans im Glück-Verlag zum Feinschliff gebracht.
Mit Richard Ulrich hat Wolfgang Kramer neben Michael Kiesling sicherlich seinen erfolgreichsten Teampartner gefunden. Schon 1993 kooperierten sie mit PUNK SUCHT LADY (Ravensburger). Neben dem Erfolg von EL GRANDE und seinen Erweiterungen können beide Autoren neben einer Reihe weiterer Spiele besonders auf das herausragende DIE FÜRSTEN VON FLORENZ (Alea) verweisen.

Wieland Herold (März 2006)