Empfehlungsliste Kinderspiel des Jahres: HiLo – Dein Königreich

Der König steht auf einem Sockel; das ist gleich einen Extrapunkt wert. Der Barde sucht Gesellschaft und tritt nicht nach unten. Einhörner, Wölfe und Drachen brauchen ihresgleichen und die dazugehörigen Hüterinnen und Hüter. Überhaupt: Es gibt Einhörner, Wölfe und Drachen in „HiLo – Dein Königreich“ (Émilie Soleil und Jérôme Soleil bei Schmidt). Und das ist nun einmal ziemlich dufte.

Die ganz großen Gefühle

Überhaupt ist dieses Spiel eine sehr vergnügliche Angelegenheit. Es handelt sich um die kindgerechte Variante des Bestsellers „HiLo“, der wiederum – wie auch „Skyjo“ oder „Biberbande“ – eine Variante des klassischen Kartenspiels „Golf“ ist. Kinderspielvarianten von erfolgreichen Erwachsenenspielen sind beliebt, nicht zuletzt bei Verlagen. Denn sie haben ein eingebautes Zielpublikum: Eltern, die das Original mögen und glauben, bei der Juniorversion nichts falsch zu machen. Dabei gibt es eine Menge Fehler, die bei der Umsetzung passieren können.

So reicht es nicht, ein Prinzip einfach herunterzubrechen und dümmer zu machen. Dabei geht meist der Charme des Originals verloren. Kinder verfügen nun einmal über denselben Verstand wie Erwachsene. Nur ist ihr Instrumentarium anders ausgeprägt. Logik können sie, auch wenn sie noch keine Zahlen beherrschen. Es besteht die Gefahr, ein seriöses Thema mit Putzigkeiten zuzuzuckern. Kinder merken es, wenn man sie nicht ernst nimmt, und vertragen das auch nicht sonderlich gut. Sie verfügen auch über ein ausgeprägtes Qualitätsbewusstsein. Oder man identifiziert das falsche Element als dasjenige, das den Kern eines Spiels ausmacht. Bei „Golf“ und all seinen Nachfahren geht es nicht hauptsächlich um Zahlen oder das Eliminieren von Karten. Es geht um einen ganz besonderen Zauber: den Tausch jeweils einer Karte, um die eigene Auslage zu eliminieren. Mal hat man Glück, mal hat man Pech. In Mikrosekunden liegen Lust und Frust eng beieinander. „Golf“ ist menschliche Tragikomödie in Urform. Darum geht es: die ganz großen Gefühle.

Fast jedes Element neu gedacht

Beim normalen „HiLo“ liegen – zunächst verdeckt – dreimal drei Karten vor allen Spielenden. Man zieht eine Karte vom Stapel und ersetzt damit eine bereits ausliegende, egal die nun verdeckt oder offen ausliegt. Gleiche Zahlenwerte horizontal, vertikal und diagonal heben einander auf; entsprechende Karten werden abgelegt. Ziel ist es, am Ende, die geringsten Zahlenwerte in der Auslage zu haben.

Émilie und Jérome Soleil haben bei „HiLo – Dein Königreich“ jedes Element bis auf das des Kartentausches neu gedacht. Die Auslage besteht aus zweimal sechs Karten; das macht es übersichtlicher, bringt aber eigene Herausforderungen mit sich. Über Bord geworfen wurden die Zahlen; stattdessen zeigen die Karten Bewohnerinnen und Bewohner besagten Königreiches. Damit einher geht, dass die Eliminierung von Karten eliminiert wurde. Es bleibt bei zweimal sechs Karten. Ziel ist es, sie so aneinander zu legen, dass die jeweils halben Münzen, die in unterschiedlichen Anordnungen an den Seiten abgebildet sind, sich zu ganzen fügen. Man legt entsprechende Sterntaler-Chips darauf ab. Das visualisiert auf einen Blick die Punktzahl. Praktischer Nebeneffekt: wer nicht zählen kann, stapelt am Spielende die Chips und vergleicht die Höhe um zu sehen, wer gewinnt.

Die Figuren erzählen eigene Geschichten, beginnend mit den Adligen auf ihren punkteträchtigen Sockeln und noch lange nicht endend mit den Tieren und HüterInnen. Da gilt: je mehr desto besser. Es gibt auch Sonderkarten: den Magier, der Karten tauschen lässt, und den Phoenix, der Spieken erlaubt. Da ganze Spiel vermittelt nebenher die hübsche Vision, dass alle zusammengehören, damit Gesellschaft funktioniert.

Ein gutes Kinderspiel ist einfach ein gutes Spiel. Das gilt für „Cascadia Junior“, das 2025 zum Kinderspiel des Jahres nominiert war und auch als gelungene Einstiegsvariante des Spiels des Jahres 2022 funktioniert. Das gilt auch für „HiLo – Dein Königreich“: Es ist so eingängig und eigenständig, dass auch reine Erwachsenenrunden daran ihre Freude haben.

Stefan Gohlisch

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